Rede von Katharina Beck Untersuchungsausschuss Cum-Ex-Geschäfte

Katharina Beck MdB
20.04.2023

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Liebe Unionsfraktion, Sie stellen einen Antrag zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses mit einem sehr konkreten Ziel: die Sachverhalte rund um die Steuerrückforderungen gegen die Warburg Bank in Hamburg im Rahmen von Cum-ex-Geschäften weiter aufzuklären. Das ist Ihr gutes Recht als Fraktion des Deutschen Bundestages.

Dem übergeordneten Ziel des Antrages – Transparenz und lückenloses Aufklären möglicher Finanzmarktkriminalität – kann ich viel abgewinnen. Wir Grünen treten seit vielen Jahren genau dafür ein. Es waren ja auch wir Grüne, allen voran – das möchte ich noch mal erwähnen – der geschätzte ehemalige Kollege Gerhard Schick, die 2016 den ersten Untersuchungsausschuss zu Cum-ex initiiert haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dadurch wurden überhaupt erst die wichtigen Erkenntnisse rund um die Cum-ex-Geschäfte und das immense Ausmaß des Schadens aufgedeckt. Auch die Relevanz des Themas Cum-cum wurde erstmals überhaupt erkannt. Zudem konnte die damalige personelle Unterbesetzung des BMF oder die Einflussnahme wichtiger Finanzlobbygruppen durch diesen Untersuchungsausschuss sichtbar gemacht werden.

Mit diesen und weiteren Erkenntnissen konnten nicht nur die strafrechtlichen Untersuchungen sinnvoll bearbeitet und vorbereitet werden. Das Thema kam so auch erst richtig in die Öffentlichkeit und schuf ein Bewusstsein für den doch sperrigen Begriff in der Breite der Gesellschaft. Noch mal an dieser Stelle fraktionsübergreifend vielen Dank an alle für die gute Arbeit damals.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bei Cum-ex- und den ähnlichen Cum-cum-Geschäften handelt es sich um den größten Finanzskandal in der Geschichte der Bundesrepublik.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Bei Cum-ex geht man davon aus, dass mindestens 12 Milliarden Euro Steuerschaden entstanden ist. Hierbei haben sich sehr wohlhabende Menschen zusammen mit Finanzmarktakteurinnen und ‑akteuren, die sich offensichtlich für nichts zu schade waren, Steuergelder zurückerstatten lassen, die nie gezahlt wurden. Man muss keine Heilige sein, um direkt zu merken, dass so was vielleicht nicht ganz in Ordnung ist. Es ist mittlerweile klar: Ja, das war illegal, und zwar von Anfang an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Es wurden nicht nur Steuern hinterzogen, sondern öffentliche Gelder in Milliardenhöhe zu Unrecht ausgezahlt und der Staat somit beraubt – Gelder, die an anderen Stellen fehlen. Trotz allem versteckte man sich später hinter dem Mantel der Unwissenheit und Unschuld und bezahlte sogar Beratungsfirmen, um öffentlich zugängliche Gutachten zur Scheinlegalität ausstellen zu lassen.

Die Cum-ex-Geschäfte sind nur die Spitze des Eisbergs, wenn man sich die finanziellen Schäden durch die den Cum-ex-ähnlichen Cum-cum-Geschäfte anschaut. Dort geht es wahrscheinlich sogar um 28 Milliarden Euro.

Ich komme gleich noch zu dem Antrag, aber wir müssen ihn in das Thema „Demokratie und Vertrauen“ einbetten. Diese Ausmaße, abgesehen vom Thema Finanzkriminalität, erodieren Fairness und die soziale Marktwirtschaft in unserem Land. Die Reichen – das muss man leider so deutlich sagen – werden bei Cum-ex noch reicher, indem sie mit Steuerbetrug die Staatskasse ausnehmen, während normale Menschen sie mit ihren Steuern auf Einkommen und Umsätze rechtschaffen befüllen.

Wir haben eine sehr starke Konzentration der Vermögen in Deutschland. Das vermögendste 1 Prozent der Menschen besitzt mehr als 90 Prozent der gesamten Menschen in unserem Land. In diesem 1 Prozent sind mutmaßlich genau jene Personen enthalten, die durch die kriminellen Cum-ex-Geschäfte noch reicher wurden, und zwar auf Kosten des Staates und damit der gesamten Gesellschaft. Damit ist es auch ein strukturelles Machtproblem und ein Problem für die Demokratie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dass wir als Staat solche Geschäfte unter allen Umständen untersuchen und aufklären, ist daher auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt extrem wichtig. Der Untersuchungsausschuss 2016 hier im Bundestag hat dazu einen wichtigen Beitrag geleistet, und das war gut so.

Nun noch einmal zu Ihrem Antrag, liebe Unionsfraktion. Sie wollen den Blick im Bundestag nun zum zweiten Mal auf diese kriminellen Geschäfte richten, allerdings mit dem engen Fokus nur auf die Finanzverwaltung in Hamburg und die Geschäfte der Warburg Bank,

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Auch auf den Bundeskanzler! – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Auf den Sonderfall einer politischen Einflussnahme!)

die ebenfalls in Hamburg ansässig ist. Als Abgeordnete aus Hamburg liegt mir wirklich viel daran, dass mögliche kriminelle Machenschaften lückenlos aufgeklärt werden. Aber in der Hamburgischen Bürgerschaft läuft bereits seit 2020 ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der genau dieses Thema in den Blick nimmt.

(Michael Schrodi [SPD]: So ist es!)

Der Einsetzungsantrag von damals enthält fast deckungsgleich die Fragestellungen, die Sie jetzt hier im Bundestag erneut aufwerfen möchten. Im Untersuchungsausschuss in Hamburg wurden die relevanten Akten, auch die von der Staatsanwaltschaft in Köln, durchgearbeitet und alle an der Entscheidung beteiligten Personen befragt, fast alle sogar zweimal.

(Michael Schrodi [SPD]: Genauso ist es!)

Auch die Mitglieder des Finanzausschusses der letzten Wahlperiode werden sich an Besuche im Untersuchungsausschuss in Hamburg in den letzten Wochen gut erinnern. Die umfassenden Untersuchungen in Hamburg sind auf der Zielgeraden.

(Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Die relevante Frage ist, welchen Erkenntnisgewinn durch den von Ihnen vorgeschlagenen inhaltlichen Fokus auf die Hamburger Vorfälle ein Untersuchungsausschuss hier im Bundestag darüber hinaus leisten soll.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin, möchten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hauer zulassen?

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich lasse eine Zwischenfrage von Herrn Hauer, meinem geschätzten Kollegen aus dem Finanzausschuss, selbstverständlich zu.

(Michael Schrodi [SPD]: Wenn er mal eine Frage stellt! – Gegenruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Er kann auch einfach eine Bemerkung machen! Er muss keine Frage stellen!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Also, unter diesen Umständen wird das jetzt bestimmt sehr freundlich.

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich versuche Schadensminimierung.

Matthias Hauer (CDU/CSU):

Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Kollegin Beck, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade den ehemaligen Kollegen Gerhard Schick für seine Verdienste im Finanzausschuss, in der Finanzpolitik sehr intensiv gelobt. Er ist immer noch im Finanzbereich tätig. Er arbeitet für die Bürgerbewegung Finanzwende. Er ist der Vorstand, der Kopf von Finanzwende.

Ich habe mir angesehen, was Herr Schick zu diesem Untersuchungsausschuss gesagt hat. Ich zitiere den Tweet vom 4. April 2023:

Gut, dass die Union jetzt mit einem Untersuchungsausschuss im Bundestag alle Register für die Cum-Ex-Aufklärung zieht! Olaf Scholzʼ Erinnerungslücken sind unglaubhaft, wir fordern endlich volle Transparenz!

Dann gibt es hier eine schöne Social-Media-Kachel mit dem Gesicht Ihres Kollegen Herrn Schick drauf. Darauf steht – Zitat –:

Scholz darf mit seiner Verschleierungstaktik nicht durchkommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)

Vor dem Hintergrund Ihrer Aussagen zu Herrn Schick würde mich Ihre Position dazu interessieren, ob Sie Herrn Schick zustimmen oder ob Sie das für falsch halten.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Gute Frage! Das ist eine gute Frage!)

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Schick spricht für sich selbst.

(Kay Gottschalk [AfD]: Als Sachverständiger!)

Er hat Finanzwende sogar mit gegründet. Und natürlich bin ich – das führe ich hier ja auch aus – extrem für Aufklärung.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn wir uns hier im Bund noch einmal mit diesem Thema beschäftigen – wir haben ein paar mehr Kompetenzen als in Hamburg, das stimmt ja; darauf hätte ich gleich noch hingewiesen –, dann sollten wir, wenn ein PUA kommt – und Sie stellen ja nun einmal über ein Viertel der Abgeordneten –, die Chance ergreifen, dass wir die relevanten Fragestellungen, die noch offen sind, auch mit abdecken.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ja! Genau! Also stimmen Sie zu! – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Selbstverständlich!)

Das ist die Argumentation, die ich hier vorlege.

Ich finde allerdings auch, dass es manchmal einfacher ist, von außen entsprechende Worte zu wählen, als eben als parlamentarische Repräsentantin in der Rolle eines MdB. Diese Differenzierung ist, glaube ich, wichtig.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wo liegt denn da der Unterschied? – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Also stimmen Sie zu?)

So, ich hoffe, die Frage ist beantwortet.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Nein!)

Meine erste Zwischenfrage nach eineinhalb Jahren; vielen Dank, Herr Hauer.

Die eigentliche Frage ist nämlich, welchen Erkenntnisgewinn durch den von Ihnen vorgeschlagenen inhaltlichen Fokus auf die Hamburger Vorfälle ein Untersuchungsausschuss hier im Bundestag darüber hinaus leisten soll. Wir haben – das habe ich gerade gesagt – ein paar weiter gehende Kompetenzen im Bund im Vergleich zu den Ländern. Aber der erwartete inhaltliche Mehrwert mit dieser eng auf Hamburg beschränkten Fragestellung zum jetzigen Zeitpunkt ist stark begründungswürdig.

Ich fände es spannend, wir als Grüne fänden es spannend, wenn man den ganzen Cum-Themenkomplex noch mal untersucht. Denn es gibt in der Tat relevante Bereiche, wie zum Beispiel die Cum-cum-Geschäfte, die vom finanziellen Umfang deutlich gravierender sind als Cum-ex. Da das bei Ihnen gar nicht vorkommt, ist die Frage erlaubt, worum es Ihnen im Kern eigentlich geht:

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

um echte zusätzliche Aufklärungsarbeit

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Genau darum geht es!)

oder aber vielleicht doch eher um parteipolitische Motive.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Für die Fraktion Die Linke hat Christian Görke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)