Dr. Till Steffen
27.04.2023

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die wahrscheinlich bekannteste Geschichte kollektiver Rechtsdurchsetzung ist die von Erin Brockovich, ganz bekannt geworden in der Verfilmung mit Julia Roberts, wo es um einen Fall von Grundwasserverseuchung im großen Ausmaß durch einen Energieversorger ging. Es waren sehr viele Menschen geschädigt worden, die alle nicht in der Lage gewesen wären, ihre Rechte einzeln durchzusetzen. Durch die gemeinsame Rechtsdurchsetzung, die sie organisiert hat,

(Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])

ist es dann gelungen, 333 Millionen Dollar zu erstreiten, die auf die Bewohnerinnen und Bewohner des vergifteten Ortes verteilt wurden.

Dieser Fall macht deutlich: Es gibt solche Fälle, wo es eben nicht gelingt, gegen große Player, große Unternehmen, wirksam das Recht durchzusetzen. Genau darum geht es. Darum geht es auch in dem Beispiel, das nicht ohne Zufall Herr Buschmann bemüht hat: die Dieselklagen – sicherlich der bekannteste Fall in Deutschland. Genau daran müssen wir es messen: Ist es wirklich effektiv möglich, dass einzelne Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Rechte wirksam durchsetzen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich halte es für ganz wichtig, dass die Menschen zu ihrem Recht kommen, dass sie tatsächlich das, was ihnen nach materiellem Recht zusteht, auch im Prozess durchsetzen können. Darum geht es. Daran müssen wir jetzt arbeiten. Wir haben eine Reihe von Stellungnahmen bekommen, und die setzen sich an einzelnen Punkten ja durchaus kritisch mit dem Entwurf auseinander. Sowohl die Länder der einen Farbe als auch der anderen – also auch unionsgeführte Länder – geben im Hinblick auf die praktische Anwendung ein paar wichtige Hinweise, die wir sicherlich beachten sollten. Das Ziel muss sein: Wir wollen Verfahren bündeln, wir wollen die Justiz entlasten, und wir wollen die effektive Rechtsdurchsetzung garantieren.

Deswegen ist es wichtig, dass die Frist verlängert wird; denn in den Stellungnahmen ist darauf hingewiesen worden, dass die Frist für ein Opt-in ein bisschen komisch anmutet und vielleicht gar nicht praxistauglich ist. Manchmal ist es nicht so leicht, Fristen einzuhalten. Herr Buschmann, wir beide hatten heute auch ein bisschen Schwierigkeiten – ich war ebenfalls ein bisschen zu spät –; das kann mal passieren. Ich denke, es kommt am Ende darauf an, dass alle dabei sein können, die das wollen und deren Interessen gleich gelagert sind, sodass es mit einem Verfahren gelingt, diese gemeinsam durchzusetzen und auch gemeinsam zu klären. Das gilt für alle Beteiligten, auch für die Unternehmen, die dann eben Rechtssicherheit haben.

Es gibt noch ein paar andere Punkte. Dazu gehört die Klagebefugnis für inländische und ausländische Klagen, die man wahrscheinlich sinnvollerweise harmonisieren sollte. Auch das sollten wir uns anschauen. Wir haben auch noch eine weitere Frage: Wann verjähren eigentlich die Ansprüche? Denn es bringt ja eigentlich nichts, ein Instrument anzubieten, wenn die Betroffenen gezwungen sind, die Klage einzeln zu erheben, weil sie ansonsten in die Verjährung laufen. Das muss entsprechend synchronisiert sein, damit ein vernünftiges Abwägen möglich ist.

Wir sehen: Zivilklagen gehen insgesamt zurück. Wir müssen den Zivilprozess effektiv und attraktiv machen. Wir wollen es nicht so machen wie in den USA. Aber wir haben auch gesehen: Die Musterfeststellungsklage ist nicht das richtige Instrument. Diese Verbandsklage soll daher das passende Instrument werden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort Dr. Petra Sitte.

(Beifall bei der LINKEN)