Rede von Lukas Benner Versicherung von Kraftfahrzeugen

Lukas Benner MdB
14.12.2023

Lukas Benner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, man muss noch einmal all diejenigen unter Ihnen, die sich nicht mehrere Stunden mit dem Versicherungsrecht für langsam fahrende Arbeitsmaschinen und Gabelstapler beschäftigt haben, abholen:

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte sehr!)

Wo stehen wir gerade, wo wollen wir hin, und warum machen wir das?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Nina Warken [CDU/CSU]: Darauf habe ich gewartet!)

Die Ausgangslage aktuell ist: Fahrzeuge in Deutschland sind versicherungspflichtig. Davon haben wir 2007 langsam fahrende Arbeitsfahrzeuge und Stapler in Deutschland ausgenommen. Wir haben uns dafür entschieden, Unfälle von diesen Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen über den Entschädigungsfonds abzuwickeln, also alle Kfz-Haftpflichtversicherten zahlen quasi eine Umlage ein; so wird das abgegolten.

Jetzt ändert sich aber die europäische Gesetzgebung. Denn die EU-Richtlinie gibt vor, dass in Zukunft jedes Fahrzeug versicherungspflichtig ist, egal auf welchem Gelände es gefahren wird: § 1a Absatz 3 Nummer 2 des anzupassenden Pflichtversicherungsgesetzes.

Jetzt enthält die Richtlinie zwei Optionen, wie man damit umgehen kann. Sie besagt: Entweder die Mitgliedstaaten nehmen gewisse Fahrzeuge, die auf rein privatem Grund gefahren werden, aus und nehmen sie auch von der Entschädigungspflicht aus. Oder – das ist alternativ – man kann die Fahrzeuge von der Versicherungspflicht ausnehmen, dann müssen aber alle Unfallkosten vom Entschädigungsfonds gezahlt werden. Sie wollen hier beides unzulässig kombinieren.

Wir entscheiden uns für den Weg, zu sagen: Alle, die privat ihren Sitzrasenmäher zu Hause fahren, der auch zu Hause bleibt und zu Hause im Garten gefahren wird, brauchen keine Versicherung. Dann zahlt aber auch nicht der Entschädigungsfonds.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Alle anderen, die aktuell ja auf der Straße schon fahren können – Stapler unter 20 km/h sind ja von den Zulassungsvoraussetzungen befreit –, müssen in Zukunft diese Versicherung haben. Denn man kann nicht auch da sagen: „Das zahlt einfach der Entschädigungsfonds“, weil die Alternativen langfristig in der Richtlinie angelegt sind. Wir sagen hier: Wer also einen Gabelstapler oder eine langsam fahrende Arbeitsmaschine hat und damit auf öffentlichen Straßen fährt, der hat sich selbst zu versichern. Denn die Alternative wäre doch, dass wir alle für den Unfall bezahlen.

(Zuruf des Abg. Dr. Martin Plum [CDU/CSU])

Das kann doch nicht das Ergebnis sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ihre Vorstellung von Gerechtigkeit kann doch nicht sein, dass ich bezahle, wenn jemand auf der Straße mit einem Gabelstapler einen Unfall verursacht. Das ist das Ergebnis, was Sie hier haben wollen.

(Ingmar Jung [CDU/CSU]: Das haben die Sachverständigen anders gesehen!)

Deswegen haben wir uns für diesen Weg entschieden.

Es ist richtig, dass wir das machen. Denn es geht in dieser Richtlinie um die europäische Harmonisierung der Entschädigung von Verkehrsopfern. Es geht in dieser Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinie darum,

(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Das ist keine Eins-zu-eins-Umsetzung!)

dass die Entschädigung schneller geht – denn es ist schneller, über die Versicherung als über den Entschädigungsfonds zu gehen –, dass sie einheitlich harmonisiert ist, und wir stärken damit den Opferschutz. Und deswegen ist das eine gute Umsetzung, für die wir uns entschieden haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Erlauben Sie die Zwischenfrage?

Lukas Benner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, bitte.

Axel Müller (CDU/CSU):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Kollege Benner, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie tun ja so, als ob diese Fahrzeuge und die Halter dieser Fahrzeuge überhaupt nicht versichert wären. Aber es gibt ja auch noch Betriebs- und Privathaftpflichtversicherungen. Wenn man eine hat, weiß man das.

Meine Frage geht aber in eine ganz andere Richtung: Können Sie mir sagen, warum nach dem jetzigen Gesetzentwurf der nach § 115 des Versicherungsvertragsgesetzes grundsätzlich bestehende Direktanspruch des Geschädigten gegen das Versicherungsunternehmen abgewandelt wurde, sodass jetzt die Möglichkeit besteht, ohne einen Direktanspruch – sozusagen über Dritte – an die Haftung des Versicherers zu kommen? Das ist eine klare Verschlechterung gegenüber dem gesetzlichen Istzustand. Und der Sachverständige, den Ihre Fraktion benannt hat, hat genau dies bemängelt und hat gesagt, dass im Referentenentwurf dieser Direktanspruch dringestanden hat und dass er jetzt ohne Begründung und ohne Not zurückgefahren worden ist. Können Sie mir diese Frage beantworten?

(Zuruf von der CDU/CSU: Nein!)

Lukas Benner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sie haben jetzt zwei Dinge durcheinandergeworfen. Wir waren bei den langsam fahrenden Arbeitsmaschinen. Die Frage des Direktanspruchs zielt ja auf Motorsportveranstaltungen ab. Bei Motorsportveranstaltungen kann ich die Frage beantworten: Der Direktanspruch steht so nicht mehr drin. An der Rechtslage ändert sich im Ergebnis aber dennoch nichts.

Ich will aber bei den Arbeitsmaschinen bleiben, weil Sie dazu auch gefragt haben. Sie sagen: Die allermeisten haben eine Haftpflicht- oder Betriebshaftpflicht. – Wir stellen in unserem im Ausschuss vorgelegten Änderungsantrag extra klar, wann das ausreicht. Aber wir können uns doch nicht darauf verlassen, dass die Leute schon eine Versicherung haben. Das ist doch nicht die Vorstellung von Versicherungsrecht, zu sagen: Wir brauchen nichts zu ändern; vielleicht haben sie eine Versicherung, vielleicht auch nicht. – Das kann doch nicht das Ergebnis sein, davon auszugehen, dass die Leute vielleicht eine Haftpflichtversicherung haben, oder sich auf den Standpunkt zu stellen: Sollen sie mal mit dem Gabelstapler rumfahren; wird schon nichts passieren. – So wollen wir hier nicht Politik machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Der Kollege hat mir ja jetzt die Überleitung ermöglicht. Wir stellen noch einmal klar, wann Betriebshaftpflichtversicherungen ausreichen. Wir stellen also explizit klar: Als großer Betrieb braucht man nicht für jeden Gabelstapler eine eigene Kfz-Gabelstapler-Haftpflichtversicherung abzuschließen. Nein, es reichen Betriebshaftpflichtversicherungen, die das abdecken.

Herr Kollege Müller, aktuell tun das die meisten Betriebshaftpflichtversicherungen nicht. Viele nehmen das aktuell explizit heraus. Und deswegen gibt es ja hier diesen Änderungsbedarf. Deswegen gibt es hier den Bedarf, dass wir den Verkehrsopferfonds in den nächsten Jahren eben nicht mit all diesen Kosten belasten.

Sie haben im Ausschuss mehrfach die Zahlen der Vergangenheit als Argument gebracht: Da waren es nicht so viele Fälle. – Ja, aber der Entschädigungsfonds wird doch jetzt ausgeweitet. Die Fälle, in denen er zahlen müsste, werden ja jetzt ausgeweitet. Wir können uns entweder entscheiden, dass er immer, auch im privaten Bereich, für Schäden aufkommt;

(Zuruf des Abg. Dr. Martin Plum [CDU/CSU])

das kann nicht das Ziel sein. Oder wir gehen den Weg, den wir gewählt haben: Zu Hause besteht keine Versicherungspflicht. Wer aber mit seinem Gabelstapler auf der Straße fahren will, der braucht jetzt eine Versicherung. Das ist eine gute Umsetzung. Es ist die beste Umsetzung, die aus unserer Sicht hier möglich war. Und bei Europarechtsfragen im Verkehrsbereich vertraue ich erst recht nicht auf die Union.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)