Rede von Dr. med. Paula Piechotta Versorgung mit Arzneimitteln

Dr. Paula Piechotta MdB
23.06.2023

Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Dr. Kippels, ich schätze Sie wirklich sehr. Sie haben das heute in zweiter und dritter Lesung zu beratende ALBVVG, das Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei Medikamenten, als „Placebo“ bezeichnet. Placebos sind sogenannte Scheinmedikamente, wo gar kein Wirkstoff drin ist. Und gerade in dieser Debatte muss man sagen, wenn man da irgendwas als Placebo bezeichnen will, dann war es der Pharmadialog, bei dem jahrelang sehr viel geredet wurde und nichts passiert ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie haben ja eine ganz tolle Analyse, aber das Spannende ist ja, dass dieser Analyse zehn Jahre lang nichts gefolgt ist.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: 16 Jahre Union sind schuld! Sag doch mal was in der Sache zu der Thematik!)

Ja, man kann das ALBVVG jetzt kritisieren, aber Sie müssen auch mal zugeben: Da sind Wirkstoffe drin. Sehr, sehr viele Wirkstoffe sind auch noch mal über die Änderungsanträge im parlamentarischen Verfahren reingekommen: die Bevorratung über sechs Monate, die Austauschmöglichkeiten für die Apotheken, die jetzt vereinfacht sind und nicht nur verlängert werden, sondern noch verstetigt sind, für die gesamte Dauer der nächsten Jahre. Das sind enorme Verbesserungen für Apotheken, für Patientinnen und Patienten, für die Arztpraxen, die da mit angeschlossen sind.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Tino Sorge [CDU/CSU]: Deshalb demonstrieren die Apotheker auch! Genau!)

Und da haben wir über die neuen Preissignale noch nicht gesprochen, die von den Festbetragserhöhungen ausgehen. Da haben wir noch nicht über das EU-Los gesprochen,

(Nina Warken [CDU/CSU]: Waren Sie diese Woche nicht bei den Apothekern auf dem Kongress? Komisch!)

das natürlich im Bereich Antibiotikaproduktion Anreize für europäische Produktion setzen wird.

Aber was das ALBVVG eben nicht macht, ist, so zu tun, als ob man alle weltweit existierenden Probleme von Lieferengpässen bei Medikamenten rein national lösen kann. Und ja, deswegen ist das ALBVVG das Gesetz, das regelt, was national regelbar ist und uns helfen wird, mit den vorhandenen Lieferengpässen in Deutschland besser umzugehen. Aber natürlich heißt das auch: Wir müssen alle darauf hinwirken, dass das EU-Pharmapaket jetzt auch wirklich schnell und möglichst unverwässert kommt, weil wir diesem globalen Problem nur supranational wirklich Herr werden können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Tino Sorge [CDU/CSU]: Dann wäre ja eine Initiative auf EU-Ebene ganz gut! Aber da kommt ja nichts!)

Die Eckpunkte zu diesem Gesetz sind ja im letzten November und Dezember vor dem Hintergrund der großen Engpässe bei Kindermedikamenten entstanden. Der Kern, der Grund für dieses Gesetz liegt ja im Koalitionsvertrag im Herbst 2021. Wenn ich die drei ampeltragenden Fraktionen zitieren darf:

Wir stellen die Versorgung mit … Arzneimitteln und Impfstoffen sicher. Die Engpässe in der Versorgung bekämpfen wir entschieden. Wir ergreifen Maßnahmen, um die Herstellung von Arzneimitteln … nach Deutschland oder in die EU zurück zu verlagern.

Mit dem ALBVVG haben wir alle diese Sätze erfüllt. Was haben wir in diesem Kapitel noch geschrieben?

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Nicht, was ihr geschrieben habt, was ihr gemacht habt, wäre viel interessanter!)

„Dazu gehört der Abbau von Bürokratie“, steht im Koalitionsvertrag. Auch das leisten wir hier schon mit der Abschaffung von Retaxation und Präqualifizierung für die Apotheken, noch bevor überhaupt das Bürokratieentlastungsgesetz von uns eingebracht wird. Ich zitiere weiter: „die Prüfung von Investitionsbezuschussungen für Produktionsstätten“: Die Bundesregierung hat schon letztes Jahr 2,9 Milliarden Euro für Subventionen für Produktionsstätten für Impfstoffe in Deutschland auf den Weg gebracht. Auch da: Check beim Koalitionsvertrag.

Und – letztes Zitat aus dem Koalitionsvertrag –: „die Prüfung von Zuschüssen zur Gewährung der Versorgungssicherheit“ bei Medikamenten. – Auch das leisten wir mit dem ALBVVG.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Weil es im Vertrag steht, heißt es nicht, dass es Gesetz wird!)

Lieber Dr. Kippels, liebe Union, der Koalitionsvertrag ist an dieser Stelle nach eineinhalb Jahren schon fast vollständig erfüllt.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin.

Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Die Ampel liefert.

Vielen herzlichen Dank, und ich freue mich auf die weiteren Beratungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Jörg Schneider spricht jetzt für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)