Rede von Maria Klein-Schmeink Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln

Foto von Maria Klein-Schmeink MdB
20.01.2023

Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Rängen! Wir diskutieren hier tatsächlich über ein wichtiges Thema, nämlich die Arzneimittelsicherheit.

In der Tat mussten vor Weihnachten viele Kinderarztpraxen über Mangel klagen, war in den Apotheken kein Paracetamol mehr erhältlich. Das ist eine Situation, die verunsichert und die wir ernst nehmen müssen, ganz klar. Das heißt auch, wir brauchen Maßnahmen. Aber diese Maßnahmen müssen in sich stimmig sein, sie müssen tatsächlich wirksam sein. Man kann das nicht auf einige Schlagworte reduzieren, wie es die CDU/CSU in ihrem Antrag getan hat. Der Redeverlauf hat ja sehr, sehr deutlich gezeigt, dass dieser Antrag keinerlei Substanz hatte. Wir haben jetzt, wenn wir im parlamentarischen Verfahren die Eckpunkte unseres Ministers besprechen, die Gelegenheit, da mehr Substanz hineinzubekommen.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Die Hoffnung stirbt zuletzt!)

Grundsätzlich ist es so: Wir werden erstens kurzfristig handeln müssen, und das hat der Minister getan, direkt vor Weihnachten, direkt nach Weihnachten.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Er hat getwittert!)

Die neuen Grundsätze für Festpreise im Bereich der Kinderarzneimittel liegen vor.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Aber erst im Februar!)

Der Vorwurf der Untätigkeit ist also wirklich nicht angemessen.

Wir führen jetzt zweitens in den vorhandenen Gremien die Diskussion über die Ursachen. Es gibt interne, im deutschen Gesundheitssystem liegende Ursachen, und es gibt externe Ursachen. Beide müssen wir angehen. Das sind aber Vorhaben, die komplex sind und bei denen wir uns sehr differenziert mit den einzelnen Ursachen auseinandersetzen müssen und dann handeln müssen.

Ein ganz wichtiger Punkt sind natürlich die Rabattverträge. Die Rabattverträge ersparen unserem Gesundheitswesen 5 Milliarden Euro. Rabattverträge hängen mit Ausschreibungen zusammen. Ausschreibung muss aber nicht heißen, nur den Billigsten bei einem Auftrag zu berücksichtigen, sondern kann auch heißen, Qualität auszuschreiben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Genau da müssen wir hinkommen. Wir haben ein System geerbt, in dem man sich aus finanziellen Gründen sehr, sehr stark auf ganz, ganz wenige Anbieter konzentriert hat. Qualitative Aspekte, Versorgungsaspekte haben eine zu geringe Rolle gespielt. Genau das müssen wir ändern. Es liegt ein Vorschlag des Ministeriums vor. Wir werden genau hinschauen, ob das schon das Gelbe vom Ei ist. Wenn wir sagen, wir wollen europaweit Anbieter einbeziehen, müssen wir ja in manchen Bereichen schauen, ob es die überhaupt gibt oder wir die nicht erst mal entwickeln oder in den USA oder anderswo suchen müssen. Also: Wir müssen da noch mal differenziert hinschauen.

Und wir brauchen eine EU-Offensive für mehr Resilienz. Das werden wir nicht als Deutschland allein machen können, das können wir nur im europäischen Verbund, und genau in diese Richtung stoßen wir.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt einen runden Tisch, auch im BMWK, bei dem Gespräche mit den Pharmaunternehmen, mit den Medizinprodukteherstellern und anderen Akteuren geführt werden, in denen es darum geht, wie wir mehr Resilienz der Produktion in Deutschland, der Versorgung in Deutschland und in der EU schaffen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ein weiterer Punkt – Dirk Heidenblut hat es gerade schon angesprochen –: Es gibt etliche Bereiche, in denen man über Bürokratieabbau nachdenken muss. Ich muss sagen: Ich bin dankbar, dass die Apotheken in diesem Herbst, in diesem Winter die Versorgung so flexibel sichergestellt haben, herumtelefoniert haben, wo sich noch irgendwo ein Medikament auftreiben lässt, oder bei den Arztpraxen rückgefragt haben, ob sie ein Medikament ersetzen können. Genau bei diesen Regeln müssen wir etwas tun. Es ist aberwitzig, wenn in der Praxis angerufen werden muss, wenn jemand mit einem Rezept kommt, auf dem eine Packung mit 100 Tabletten verschrieben wurde, dieses Medikament in dem Gebinde aber nicht vorrätig ist, allerdings fünf Packungen mit je 20 Tabletten ausgegeben werden könnten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Solche Dinge gehören auf den Prüfstand. Dafür gibt es viele, viele Beispiele. Da tun wir uns selbst einen Gefallen, weil es einfacher wird, aber auch den Apothekerinnen und Apothekern. Da müssen wir ran. Da müssen wir uns auch viel Mühe geben.

Damit komme ich zum Schluss zur Medikamentensicherheit insgesamt. Das ist ein Teil der Versorgung, und das müssen wir sehr ernst nehmen. Gleichzeitig müssen wir aber auch den Bereich der Indikation anschauen: Es wird zum Teil auch nicht gut verordnet.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Auch das müssen wir uns anschauen.

In dem Sinne: Ich wünsche mir eine differenzierte, sehr zielgerichtete und wirksame Debatte, und dann können wir weitermachen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Das Wort erhält Professor Dr. Andrew Ullmann für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)