Rede von Oliver Krischer Wälder schützen ‒ Rodungen für die Windkraft stoppen

28.09.2018

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Präsenz der FDP-Fraktion beim eigenen Antrag ist ja überschaubar, und offensichtlich ist es manchen Kollegen auch peinlich, was Sie da vorlegen.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Ihre Äußerung muss Ihnen peinlich sein! Ist die Atmosphäre schon kaputt?)

Deshalb hat man lieber schon einmal die Flucht ins Wochenende angetreten. Denn das, was Sie hier vorlegen – das haben die Kollegen Gremmels und Lenkert gerade schon sehr deutlich gemacht –, ist echt eine peinliche Nummer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist doch zum Totlachen, dass ausgerechnet die FDP – man muss ja nur einen Tagesordnungspunkt zurückgehen – immer nur dann, wenn es um Windkraft geht, Natur- und Artenschutz entdeckt und bei allen anderen Themen auf der exakt gegenteiligen Seite steht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank Sitta [FDP]: Das ist doch Quatsch! Das ist Quatsch, und das wissen Sie!)

Meine Damen und Herren von der FDP, dass Sie sich auch noch trauen, das hier als Antrag vorzulegen, ist echt peinlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich weiß ja, dass es bei Ihnen vernünftige Leute gibt, und ich hoffe, dass vielleicht der eine oder andere mal darüber nachdenkt, wie Sie sich hier positionieren. Denn das Bild Ihrer Partei – auch das muss man an der Stelle sagen – wird noch von Leuten wie einem Herrn Minister Sander aus Niedersachsen geprägt, der im Jahr 2007 höchstpersönlich mit der Kettensäge in ein FFH-Gebiet gegangen ist und dort Bäume umgesägt hat. So viel zum Thema FDP und Schutz des Waldes, meine Damen und Herren. Das gehört ein Stück weit zur Wahrheit dazu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Karlheinz Busen [FDP]: Da fragen wir bei Joschka Fischer nach!)

Und, ehrlich gesagt, wenn ich hier höre, dass Sie plötzlich Ihr Herz für die Greifvögel entdecken,

(Karlheinz Busen [FDP]: Immer schon!)

als Hobbyornithologe – es gibt noch einen Kollegen, der sich da gut auskennt –, dann freut mich das zwar. Aber, ehrlich gesagt, bevor Sie sich mit der Windkraft beschäftigt haben, haben Sie den Rotmilan doch für einen serbischen Freiheitskämpfer gehalten und nicht für eine Vogelart, die in Deutschland brütet, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Frank Sitta [FDP]: Der arme Rotmilan! Das hat er nicht verdient!)

Ich sage Ihnen jetzt eines: Wenn Sie etwas für den Schutz der Greifvögel tun wollten – den Anspruch erheben Sie in Ihrem Antrag –, dann würden Sie in Deutschland ein Tempolimit auf Autobahnen fordern. Das ist nämlich die hauptsächliche Todesursache für Greifvögel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Karlheinz Busen [FDP]: Nicht vom Thema abweichen!)

Ich glaube, der Grund, warum Sie diesen Antrag vorlegen, ist, dass Sie im Bereich Umweltenergie und Klima einfach überhaupt nichts in der Pfanne haben. Bei all Ihrem Gequatsche – Digital First und was wir noch alles gehört haben – ist nämlich die Wahrheit, dass Sie im fossilen Zeitalter stecken geblieben sind, und zwar nicht einmal im 20., sondern teilweise sogar im 19. Jahrhundert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das lässt sich im Moment in Nordrhein-Westfalen besichtigen,

(Zuruf von der FDP: Richtig!)

wo Ihre Partei in Regierungsverantwortung nicht 1 Hektar, sondern 4 000 Hektar Wald zerstört. Und das ist kein Wirtschaftswald, sondern das ist ein naturnaher erhaltungswürdiger Wald, worüber Sie zynisch hinweggehen und behaupten, es sei für die Braunkohlenutzung notwendig, das zu zerstören.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sie haben doch die Lizenz erteilt! Die Grünen haben doch die Lizenz erteilt!)

Sie können den Menschen nicht erklären, dass wir hier das Klimaabkommen ratifizieren und gleichzeitig über den Kohleausstieg reden, an dem die Große Koalition arbeitet, während man dort den Wald zerstört und weiter abholzt. Das können Sie an der Stelle niemandem erklären.

(Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Die Zwischenfrage habe ich erwartet. Darauf freue ich mich jetzt, Herr Präsident.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Dann ist es recht.

Dr. Lukas Köhler (FDP):

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Wenn dem so ist, warum haben Sie dann, nachdem das Klimaschutzabkommen 2016 ratifiziert wurde, im Landtag von NRW zugestimmt, dass der Landesentwicklungsplan beschlossen wurde, in dem stand, dass der Hambacher Forst gerodet werden darf?

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege, ich danke Ihnen für die Frage, und ich freue mich, dass ich hier darauf hinweisen kann, dass Bündnis 90/Die Grünen als einzige Partei im nordrhein-westfälischen Landtag dafür gesorgt hat, dass 1 400 Menschen nicht aus ihrer Heimat vertrieben werden – gegen den expliziten Willen Ihrer Partei, gegen den expliziten Willen der SPD,

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Beantworten Sie verdammt noch mal die Frage! – Karsten Hilse [AfD]: Beantworten Sie die Frage, Herr Krischer!)

auch gegen expliziten Willen der CDU – und dass wir das an der Stelle durchgekämpft haben. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn Sie mir vorwerfen, dass ich mich nicht gegen Ihre Parteien und Sie durchsetzen konnte, die den Hambacher Wald zerstören können,

(Zuruf von der FDP: Ihr ward doch in der Regierung! Unfassbar!)

dann ziehe ich mir den Schuh ganz ehrlich an. Aber ich sage Ihnen: Dass Sie jetzt hier in Berlin über den Kohleausstieg verhandeln und dort zulassen, dass auf dem Rücken von Tausenden von Polizisten Fakten geschaffen werden, können Sie den Menschen nicht erklären, und das fliegt Ihnen im Moment gerade gesellschaftlich um die Ohren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. René Röspel [SPD] – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das ist eine Frechheit! Das sind Ihre Anhänger!)

Da haben Sie eine Verantwortung, und vor der drücken Sie sich, indem Sie hier solche peinlichen Anträge stellen und Ihren Ministerpräsidenten so herumlaufen lassen. Das einzige, was Ihnen da einfällt, ist, gegen Bündnis 90/Die Grünen zu wettern. An der Stelle würde ich erwarten, dass Sie den Versuch unternehmen, diesen gesellschaftlichen Konflikt zu lösen. Aber dazu haben Sie weder die Kraft noch den Willen, weil Sie nicht im 21. Jahrhundert stehen,

(Andreas Bleck [AfD]: Zwei Minuten geredet! Keine Antwort auf die Frage! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Können Sie mal eine Frage beantworten, die man Ihnen gestellt hat? Das ist nur Geschwätz, Herr Krischer! Nur Geschwätz!)

wo Klimaschutz und Nachhaltigkeit notwendig sind, sondern weil Sie ganz, ganz tief im fossilen Zeitalter stecken geblieben sind, anders als Sie es immer darstellen. Das ist, ehrlich gesagt, an der Stelle absolut ärmlich. Das muss ich ganz klar und deutlich sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen deshalb, was hier gilt. Da will ich einmal die Worte der Gewerkschaft der Polizei zitieren. Die sagt: Reden statt räumen und roden. – Das müsste die Devise von uns allen sein. Darum sollten Sie sich kümmern, statt hier solch peinliche Vorlagen abzuliefern. Das ist Ihre Verantwortung in Nordrhein-Westfalen, wo Sie in der Landesregierung sind bzw. das wäre Ihre Verantwortung, übrigens auch die von Union und SPD, die an dieser Stelle jetzt ja ganz stiekum sind, die hier über den Kohleausstieg verhandeln, aber zulassen, dass ein gesellschaftlicher Konflikt in Nordrhein-Westfalen nicht gelöst wird. Es kann nicht sein, dass wir am Ende einen Wald zerstören und nicht einmal wissen, ob wir die Kohle, die darunter liegt, überhaupt noch in Anspruch nehmen müssen. Das können Sie den Menschen draußen nicht erklären. Deshalb sage ich: Hambi bleibt!

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Lachen der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD] – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Es ist unfassbar! – Dr. Alice Weidel [AfD]: Der Energieexperte der Grünen! Herr Krischer, der Inbegriff von Fachkompetenz!)