Rede von Jürgen Trittin Waffenexporte Saudi-Arabien
Jürgen
Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die Verletzung parlamentarischer Rechte beklagt, dann muss man sich auch parlamentarisch
beteiligen. Man hätte sich zum Beispiel an dem Konsultationsprozess des Wirtschaftsministeriums beteiligen können, den das Wirtschaftsministerium genau zu
diesen Eckpunkten gemacht hat. Oder man hätte, lieber Kollege Gysi, gestern die Staatsministerin Keul hier wegen dieser Rüstungsexporte grillen können.
Was haben Sie gemacht? Sie haben stattdessen die Anfrage, die Frau Akbulut gestellt hat, schriftlich beantworten lassen. Da wundert es mich nicht,
dass Ihr Plan, dass Sie heute sofort abstimmen lassen wollten, nun auch fallen gelassen wird. Offensichtlich regt Sie das alles doch nicht so doll auf, wie Sie
hier versucht haben uns glauben zu machen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Was passiert denn jetzt auf dem Parteitag?)
Wir haben es mit einem sehr ernsten Vorgang zu tun. Die völkerrechtswidrige Kriegsführung von Saudi-Arabien im Jemen hat zur Folge gehabt, dass wir es
mit der größten humanitären Krise der Welt zu tun haben – so die Vereinten Nationen –, ausgelöst durch eine Seeblockade, durchgeführt mit Schiffen der deutschen
Lürssen Werft. Saudi-Arabien hat im Jemen mit den von Europa gelieferten Kampfflugzeugen zivile Ziele, Schulen, Krankenhäuser bombardiert – mit dabei der
Eurofighter und die Bombenmunition von Rheinmetall. Das ist alles vielfach dokumentiert. Da sage ich: Europa darf keine Waffen für eine völkerrechtswidrige
Kriegsführung bereitstellen. Punkt!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)
Die Bundesregierung beruft sich nun darauf, dass sich unter dem Druck der internationalen Gemeinschaft Saudi-Arabien einer politischen Lösung des
Konflikts angenähert habe und sich in letzter Zeit an die Bedingungen der Waffenruhe gehalten habe. Aber in der gleichen Antwort auf die Frage von Frau Akbulut
erklärt die Bundesregierung ihre Besorgnis, dass ebendiese Waffenruhe zum 2. Oktober ausläuft. Auch wenn man dafür – mit gewissen Gründen – die Verantwortung
den Huthi zuschiebt: Welchen Grund gibt es angesichts der völkerrechtswidrigen saudischen Kriegspraxis, den Saudis am Ende eines Waffenstillstands Waffen zu
liefern? Wenn es einen besonders falschen Zeitpunkt für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien gibt, dann ist das das Ende der Waffenruhe im Jemen.
Gerechtfertigt wird dies mit dem Verweis auf Altverträge. Der Verweis ist übrigens richtig, aber er überzeugt nicht; denn Sie werden in den geheimen
Verträgen keine Bestimmung finden, dass am 28. September nach Großbritannien geliefert werden muss, damit ab 2. Oktober wieder Krieg geführt werden kann. Das
steht in keinem dieser Verträge. Hier stimmt nicht nur der Zeitpunkt nicht. Für solche Verträge, alte wie neue, gilt: Bilaterale Verträge finden ihre Grenze im
Völkerrecht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen war es falsch, zu diesem Zeitpunkt den Druck von den Saudis zurückzunehmen. Welche Sicherheit bietet denn Mohammed bin Salman, nicht auf
seine alte Kriegsführung zurückzugreifen? Seine moralische Integrität etwa?
Nun ist diese Entscheidung gefallen, und sie ist nicht mehr rückgängig zu machen. Blicken wir also nach vorne. Was muss die Bundesregierung machen?
Sie muss nach meiner festen Überzeugung die gesamten Altverträge daraufhin überprüfen, ob sie mit den Grundsätzen des Völkerrechts in Übereinstimmung zu bringen
sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und dann brauchen wir mit dem Rüstungsexportkontrollgesetz verbindliche Regeln, die verhindern, dass Waffen aus Europa völkerrechtswidrig eingesetzt
werden. Das ist der Gedanke, der sich in den Eckpunkten des Wirtschaftsministeriums zu einem solchen Gesetz wiederfindet. Das ist, liebe Kolleginnen und
Kollegen, keine Absage an europäische Rüstungskooperationen – im Gegenteil. Wir brauchen mehr europäische Rüstungskooperationen.
Aber eines muss dann klar sein: Rüstungskooperation ist kein Instrument der Industriepolitik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Rüstungskooperation soll Sicherheit für Europa schaffen. Sie soll unsere Souveränität stärken. Wir wollen damit der Verschwendung von Steuergeldern
vorbeugen. Das ist der Kern.
Aber Rüstungskooperation in Europa hat nicht den Verzicht auf Standards als Voraussetzung. Dieses gemeinsame Europa versteht sich als Raum des Rechts.
Es ist stolz auf seine Werte. Die Beförderung einer Kriegsführung wie die der Saudis im Jemen verstößt gegen das humanitäre Kriegsvölkerrecht. Sie ist mit den
universellen Menschenrechten unvereinbar.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Amira Mohamed Ali [DIE LINKE])
Deshalb braucht europäische Rüstungskooperation europäische Standards.
(Zuruf von der SPD)
– Europäische Standards, ja, die gibt es. Es gibt den Gemeinsamen Standpunkt für Rüstungsexporte mit acht Kriterien. Was hindert uns eigentlich daran,
zur Grundlage von Rüstungskooperationsverträgen genau diese acht Kriterien verbindlich zu machen? Nichts hindert uns daran.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie müssen Grundlage werden, und wir müssen dieses in dem neuen Rüstungsexportkontrollgesetz festschreiben. Das ist übrigens kein nationaler
Sonderweg. Menschenrechte sind universell, und das Völkerrecht gilt für alle.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Und was sagt der Kollege Habeck oder vielleicht Frau
Baerbock? – Zuruf der Abg. Amira Mohamed Ali [DIE LINKE])
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Vielen Dank, Herr Kollege Trittin. – Nächster Redner ist der Kollege Stefan Keuter, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)