Rede von Britta Haßelmann Wahlrecht
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Das, was Union und SPD hier beim Wahlrecht vorhaben, ist grottenschlecht und ungeeignet, den Bundestag wirklich zu verkleinern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)
Was die Koalition hier als Erfolg verkaufen will, ist ein Armutszeugnis. Der Vorschlag wird keine Dämpfungswirkung haben, und das weiß jede und jeder, der sich mit dem Wahlrecht befasst und einen Blick in diesen grottenschlechten Gesetzentwurf getan hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
All unsere Berechnungen auf der Grundlage aktueller Umfragen und auf der Grundlage des alten Bundestagsergebnisses zeigen: Wenn man den Gesetzentwurf darauf überträgt, dann ist klar, dass es keine Dämpfungswirkung geben wird. Ich zeige Ihnen als Beispiel diese Grafik: Wenn wir das Wahlrecht so lassen würden, wie es ist, sähe die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag so wie hier dargestellt aus. Für alle, die es nicht lesen können: 771 Sitze. Wenn wir dem Vorschlag der Koalition folgen würden, sähe nach einer Umfrage von Infratest dimap vom 3. September der Bundestag so wie auf dieser zweiten Grafik dargestellt aus. Für diese paar popeligen Sitze, die man hier einsparen würde, erfolgt diese ganze Aktion. Und dann gaukelt man den Menschen auch noch öffentlich vor, man tue etwas in der Sache und bringe eine Reform auf den Weg. Das ist nicht der Fall!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)
Der Entwurf ist handwerklich schlecht gemacht; einige Beispiele dafür wurden schon genannt. Der Entwurf ist inhaltlich ungeeignet, den Bundestag zu verkleinern. Er dämpft nicht. Nichts als weiße Salbe ist es, meine Damen und Herren, weil man sich öffentlich keine Blöße geben will. Aber niemand wird daran vorbeisehen, dass Sie mit dem, was Sie hier machen, einfach an der Herausforderung gescheitert sind, eine Wahlrechtsreform auf den Weg zu bringen. Sie sind daran kläglich gescheitert, und das weiß jede und jeder.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)
Meine Damen und Herren, das Erste ist: Die Absenkung der Zahl der Wahlkreise um diese paar von 299 auf 280, die hier angesprochen wird, kommt erst 2024. Zur nächsten Wahl passiert in dieser Hinsicht gar nichts. Das muss man einmal laut sagen.
Das Zweite ist: Es ist der absolute Bruch mit den Wahlrechtsgrundsätzen. Und ich frage mal die SPD: Seid ihr eigentlich noch im Hier und Jetzt, dass ihr euch auf diesen Bruch der Grundsätze, den Nichtausgleich von Überhängen, einlasst? Geht es euch so gut, dass ihr das mitmachen könnt?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)
Verrückt, meine Damen und Herren!
Das Dritte und Letzte. Dann verpackt man das, was man noch großartig an unserem Vorschlag und dem der Linken beklagt hat, nämlich dass wir eine Reformkommission zur Parité für diese Legislaturperiode machen wollen. Was habt ihr uns dafür gescholten!
(Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Genau! Und unterstützt haben sie uns auch nicht!)
Das verpackt man jetzt als SPD in eine Kommission bis 2023. Das heißt, das Thema Frauen im Bundestag wird vertagt, und zwar bis 2023!
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Kollegin, Sie müssen bedauerlicherweise zum Schluss kommen.
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Und der Gesetzentwurf enthält eine Absage an das Wahlalter 16. – Also, nichts als weiße Salbe und kläglich gescheitert an der Herausforderung Wahlrecht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Vielen Dank, Frau Kollegin Haßelmann. – Nächster Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Michael Frieser.
(Beifall bei der CDU/CSU)