Rede von Dr. Ingrid Nestle Wasserstoff

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20.10.2023

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern waren die fünf konstruktiven Fraktionen in diesem Parlament gemeinsam auf einem Plenum zum Thema Wasserstoff. Wir haben festgestellt, dass wir bei den Zielen große Gemeinsamkeiten haben: dass wir gemeinsam den Aufbruch in die Wasserstoffwirtschaft wollen, dass wir gemeinsam Planungssicherheit wollen, dass wir gemeinsam Geschwindigkeit bei diesem Thema wollen. Ich glaube, das ist sehr gut so. Es ist sehr gut, dass wir hier eine klare und breite Basis für diese Position haben; denn wir brauchen Planbarkeit. Wir brauchen die Sicherheit, dass es, wenn es einen Regierungswechsel gibt, keine 180-Grad-Wende gibt. Diese Sicherheit haben wir; darüber freue ich mich.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Rasha Nasr [SPD])

Am deutlichsten ist diese Gemeinsamkeit vielleicht bei den Zielen. Wir diskutieren heute hier anlässlich eines Antrags der CDU/CSU-Fraktion. Ehrlich gesagt, ich finde Ihren Antrag leider nicht so hilfreich, um diese Ziele tatsächlich zu erreichen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Bengt Bergt [SPD])

Ja, bei den Zielen sind wir uns einig. Aber erst beschweren Sie sich, dass es alles noch nicht reicht und zu wenig ist. Dabei haben Sie selbst nur die Hälfte der Elektrolyseleistung, die wir anstreben, angestrebt. Das Ziel übernehmen Sie jetzt erfreulicherweise. Dann entziehen Sie sich vor allem auch jeglicher Verantwortung, Entscheidungen zu treffen. Sie wollen Wasserstoff für alle Nachfragebereiche, in sämtlichen Farben, für alle Derivate. Ja, und bei den Leitungen wollen Sie sogar Mehrfachleitungen – ich zitiere aus Ihrem Antrag – für „Methan und Erdgas, Wasserstoff, Ammoniak, CO2 als Rückleitung zum Export“, die eine Wahl der Medien nebeneinander zulassen. Ich glaube, dieses „Ja, wir wollen alles“ ist schön, aber es wird der Verantwortung dieses Hauses nicht gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD und der Abg. Carina Konrad [FDP] – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Es wird der Verantwortung nicht gerecht, nicht alle Waren zu nutzen! – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Welche Verantwortung?)

Ja, wir teilen die Ziele. Aber Regieren bedeutet: Verantwortung übernehmen; Regieren bedeutet: handeln; und Regieren bedeutet: Entscheidungen treffen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Na, dann mal ran!)

Bei den Punkten, bei denen es spannend wird, bei denen Entscheidungen getroffen werden müssen, die nicht immer ganz einfach sind, bleibt Ihr Antrag völlig im Unklaren. Ich zitiere: Bei der Frage zum deutschlandweiten Startnetz fordern Sie einen „klaren regulatorischen Rahmen“. Wow, wie mächtig!

(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Zur Umstellung der bestehenden Erdgasnetzinfrastruktur fordern Sie Anreize „durch geeignete Rahmenbedingungen“. Ja, so kommen wir doch nicht voran. Nein, auch eine Opposition kann Konzepte vorlegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vielleicht muss die Regierung die Details ausarbeiten, aber auch Sie können konzeptionelle Vorstellungen einbringen, und da ist dieser Antrag leider blank.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Haben Sie unseren Antrag denn gelesen?)

Wir haben konkrete Entscheidungen getroffen. Wir haben dafür gesorgt, dass ein konkreter Planungsstand für das Kernnetz vorliegt, dass ein zweiter sogar schon erarbeitet ist. Wir legen jetzt im EnWG die Grundlagen dafür, dass das umgesetzt wird; das geschieht in der nächsten Sitzungswoche. Wir haben ein Konzept zur Finanzierung vorgelegt; die konkreten Verhandlungen laufen. Wir haben das Konzept der CCfDs für die Industrie vorangebracht. Wir haben gleich drei Konzepte für Wasserstoffkraftwerke:

(Andreas Jung [CDU/CSU]: Wo denn? – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo denn?)

für die, die Wasserstoff importieren, die, die ihn vor Ort aus Erneuerbaren produzieren, und die, die in der Kraftwerkstrategie umgestellt werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Welche Kraftwerkstrategie? – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Welche Kraftwerke denn?)

Wir haben ganz viele Dinge im globalen Bereich getan, auf die meine Kollegin Katrin Uhlig gleich eingehen wird. Wir sorgen dafür, dass Elektrolyseure weiter von Netzentgelten befreit werden. Wir haben Erleichterungen bei den Baugenehmigungen für Erneuerbarenparks durchgesetzt.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Also alles prima!)

Wir haben dafür gesorgt – das ist entscheidend –, dass die Genehmigungen und der Zubau bei erneuerbaren Energien wirklich deutlich beschleunigt werden; denn ja, Wasserstoff kommt nicht vom Himmel. Wasserstoff kommt aus erneuerbarem Strom, und dafür muss man auch den Erneuerbarenzubau voranbringen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Wir haben dafür gesorgt, dass es eine Regelung gibt, dass Offshoreelektrolyseure für Spitzen speziell an Orten an der Küste gebaut werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Regierung handelt, und das gehört zum Regieren dazu.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ihr macht doch nichts! – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Es wäre besser, wenn Sie nichts machen!)

Der Bundestag ist nicht dafür da, schöne Worte zu finden. Er ist nicht dafür da, mit großen Worten und wenig Inhalt Empörung zu schüren. Der Bundestag ist dafür da, Entscheidungen zu treffen. Das tun wir.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wann denn? – Dr. Götz Frömming [AfD]: Falsch!)

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Anscheinend haben Sie unseren Antrag nicht gelesen! Da sind nämlich alle Konzepte drin! – Gegenruf der Abg. Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wie ich den gelesen habe! Schon dreimal! – Weiterer Gegenruf der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hat ihn sogar dabei!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Andreas Jung.

(Beifall bei der CDU/CSU)