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07.05.2020

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Theurer, als ich Ihnen eben bei Ihrer Rede zugehört habe, da habe ich mich gefragt: Worüber reden Sie eigentlich gerade? Sie haben sich jetzt hier drei Minuten lang darüber ausgelassen, dass Ihre größte Sorge ist, dass es mit der sozialen Marktwirtschaft in unserem Land bergab geht.

(Reinhard Houben [FDP]: Vier Minuten!)

– Sogar vier Minuten! Das ist ja noch schlimmer, ehrlich gesagt.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte nie gedacht, dass ich der FDP das einmal empfehlen würde: Hören Sie mal auf die Wirtschaft, sprechen Sie mal mit den Unternehmen in diesem Land! Die haben gerade viele Themen auf der Agenda. Aber das Ende der Marktwirtschaft, das ist sicherlich nicht dabei.

(Michael Theurer [FDP]: Das stimmt nicht! Die Unternehmen, mit denen ich rede, die sagen mir das! Ich spreche mit den Unternehmen!)

Unternehmen in diesem Land machen sich Sorgen darüber, ob es das Unternehmen in drei Monaten noch gibt. Unternehmen in diesem Land machen sich Sorgen darüber, wie sie ihre Beschäftigten halten können. Sie sagen die ganze Zeit: Der Staat ist schuld, dass es den Unternehmen so schlecht geht. – Viele Unternehmer, die in diesem Land leben, haben gesagt: Es war richtig,

(Michael Theurer [FDP]: Das habe ich auch gesagt!)

dass der Staat darauf geachtet hat, das Gesundheitssystem zu schützen; wir sind solidarisch und leisten unseren Beitrag; wir unterstützen das,

(Michael Theurer [FDP]: Das habe ich ja auch gesagt!)

was die Bundesregierung, was wir als Parlament hier gemeinsam beschlossen haben. – Nein, Sie haben das nicht gesagt. Sie haben hier die ganze Zeit gesagt: Das alles waren die Fehler der Politik, und deswegen geht es den Unternehmen so schlecht in diesem Land. Dass das eine notwendige Maßnahme war,

(Michael Theurer [FDP]: Das habe ich gesagt!)

das haben Sie nicht gesagt an diesem Rednerpult. Eine Erkenntnis aus dieser Debatte müsste sein, wie wichtig gerade in einer Krise ein handlungsfähiger Staat ist, und das haben Sie in Abrede gestellt in Ihrem Wortbeitrag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Für viele Unternehmen war es wichtig, dass Zuschüsse von staatlicher Seite gezahlt wurden. Für viele Unternehmen war es wichtig, dass der Staat in die Risikoübernahme bei den Darlehen gegangen ist, um Unternehmen zu retten. Und ja, für manche Unternehmen kann es jetzt in der Krise auch wichtig sein, dass man versucht, sie mit direkten Beteiligungen zu retten. Darüber haben Sie jetzt hier sehr lange gesprochen. Da haben Sie anscheinend große Bedenken.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Frau Dröge, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Theurer?

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Klar.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hatte nämlich keine vier Minuten. Das macht es einfacher.

Michael Theurer (FDP):

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich habe wörtlich hier erklärt:

Es bestand in diesem Hause große Einigkeit, dass das drastische Herunterfahren der Wirtschaft und der Gesellschaft erforderlich ist, um die Gesundheit der Menschen zu schützen.

(Beifall bei der FDP)

Ich füge hinzu, dass die Freien Demokraten, nachdem wesentliche Änderungen, zum Beispiel die Befristung der Ermächtigungen im Infektionsschutzgesetz, eingearbeitet wurden, den Gesetzentwürfen zugestimmt haben, auch den Hilfen vom Staat. Das möchte ich an der Stelle noch mal unterstreichen.

Meine Frage an Sie ist: Sind Sie bereit, Ihre Falschaussage über meine Rede hier zu korrigieren? Denn wir waren uns einig, dass diese Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit notwendig sind; aber wir als Freie Demokraten sind im Interesse der Menschen, der Arbeitsplätze, des Wohlstandes in diesem Land in Sorge, wenn die marktwirtschaftlichen Prinzipien auf Dauer außer Kraft gesetzt werden.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer will das denn?)

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Theurer, ich würde Ihnen gerne einfach eine Gegenfrage stellen; denn ich habe vielleicht den Sinn Ihrer gesamten Rede nicht verstanden.

(Reinhard Houben [FDP]: Aber er hat doch seine Rede zitiert!)

Sie haben vorgetragen, dass Ihre größte Sorge ist, dass die Marktwirtschaft den Bach runtergeht und dass die staatlichen Maßnahmen daran einen Anteil haben. Wenn Sie jetzt sagen: „Es war erst mal richtig, was wir gemacht haben“, ist das schön. Dann kommen Sie wieder zurück zum Konsens unserer Debatte.

Aber was ist denn dann Ihre Alternative? Wir haben uns gemeinsam darauf verständigt, dass wir, wenn das Infektionsgeschehen es zulässt, langsam wieder zu Lockerungsmaßnahmen kommen müssen, dass natürlich dann auch das wirtschaftliche Geschehen wieder möglich ist. „Wenn das Infektionsgeschehen es zulässt“, diesen Satz habe ich bei Ihnen in der Vergangenheit echt oft vermisst; das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Das, was ich beschrieben habe, passiert nun gerade. – Nein, Sie müssen stehen bleiben; ich bin noch nicht fertig mit meiner Antwort.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt reden wir gerade über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Sie machen sich Sorgen, dass das der Punkt ist, an dem die Marktwirtschaft zu Ende ist.

Jetzt frage ich Sie einfach: Was ist die Alternative?

(Reinhard Houben [FDP]: Die Frage war, ob Sie das zurücknehmen, was Sie gesagt haben!)

Soll man Unternehmen, die jetzt um staatliche Hilfe bitten, sagen: „Sorry, wir lassen Sie einfach pleitegehen“?

(Michael Theurer [FDP]: Antworten Sie auf meine Frage!)

Ist das jetzt die Alternative, indem Sie den Beschäftigten der Lufthansa sagen: „Sorry, da haben wir jetzt grundsätzliche ordnungspolitische Bedenken. Leider können wir nicht helfen“? Ist das Ihre Antwort? Unsere ist es nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Michael Theurer [FDP]: Ich habe Sie gefragt!)

Wir sind als Grüne auch nicht der Auffassung, dass sich der Staat dauerhaft an Unternehmen beteiligen sollen, aber temporär, befristet ist das in der Krise aus meiner Sicht notwendig. Was ich dann aber nicht verstehe – Sie machen doch hier auch Wirtschafts- und Haushaltspolitik –: Wäre es nicht vernünftig, dass man, wenn man als Staat mit Milliarden in die Rettung eines Unternehmens geht, dann sagt: „Dann will ich auch ein Mitspracherecht haben. Ich will nämlich gucken, dass die Steuergelder, die ich in die Hand genommen habe, auch vernünftig eingesetzt werden“?

(Michael Theurer [FDP]: Das war nicht meine Frage! Ich habe eine Frage an Sie gestellt!)

Sie wollen nur stille Beteiligungen haben und sich dann raushalten, weil Sie denken, dass da sonst irgendein ordnungspolitisches Prinzip verletzt ist. Ich verstehe das an dieser Stelle nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN – Reinhard Houben [FDP]: Beantworten Sie doch einfach die Frage!)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Jetzt ist die Frage aber beantwortet. Herr Theurer, Sie können sich setzen.

(Michael Theurer [FDP]: Sie ist nicht beantwortet!)

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Eigentlich nicht.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Doch, doch.

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Eigentlich müsste ich hier noch etwas mehr erklären.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Sie können sich setzen, Herr Theurer.

(Michael Theurer [FDP]: Ich bleibe stehen, weil die Frage nicht beantwortet ist!)

Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen: Wer eine kurze Frage stellt, kriegt manchmal eine lange Antwort.

(Heiterkeit – Michael Theurer [FDP]: Ich bleibe einfach stehen, bis die Frage beantwortet ist!)

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, bleiben Sie doch einfach stehen, super. Dann möchte ich aber auch, dass die Uhr weiter angehalten wird; denn ich muss ihm noch einiges erklären, nämlich zum Beispiel das ganze Thema Klimaschutz.

(Michael Theurer [FDP]: Aber die Frage ist nicht beantwortet!)

Sie haben auch nicht verstanden – das war auch Teil Ihrer Rede –, warum man, wenn man als Staat in die Rettung eines Unternehmens geht, eben auch Anforderungen stellt. Und dazu gehört aus unserer Sicht tatsächlich auch der Klimaschutz.

(Michael Theurer [FDP]: Sie bringen das Unternehmen erst mal in Schwierigkeiten!)

Denn wenn man eines aus dieser Krise lernen kann, dann doch dies, dass man eine Krise am besten am Anfang bekämpft. Dass wir hier alle gerade so entspannt miteinander diskutieren können,

(Michael Theurer [FDP]: Also wenn das entspannt ist, dann weiß ich auch nicht!)

liegt auch daran, dass in Deutschland frühzeitig gehandelt wurde und nicht erst, als es zu spät war.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Genau das Gleiche gilt auch für die Klimakrise. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Klimakrise werden umso weitreichender, je länger wir damit warten, sie zu bekämpfen. Deswegen braucht es ein wirtschaftliches Gegensteuern. Es braucht ein Investitions- und Konjunkturprogramm nicht nur, um die Wirtschaft aus der schwersten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg zu holen, sondern gleichzeitig auch, um die zweite große Krise, die parallel abläuft, zu bekämpfen und dieser gegenzusteuern.

Was ich bei der FDP nicht verstehe, ist, dass Sie nicht verstehen, dass darin gleichzeitig eine wirtschaftliche Perspektive liegt, eine Innovationsperspektive. Wenn man jetzt den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft vollzieht, wenn man jetzt den Ausbau der Erneuerbaren vorantreibt, wenn man die Grundstoffindustrie bei der Umstellung auf klimaneutrale Technologien unterstützt, dann liegt darin eine große Innovationsperspektive für die deutsche Wirtschaft. Das fehlt in Ihrem Antrag alles. Sie schreiben nur, wogegen Sie sind, und das ist in der schwersten Wirtschaftskrise dieses Landes ehrlich gesagt ein bisschen wenig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE])