Rede von Dr. Robert Habeck Wirtschaft und Klimaschutz

Robert Habeck
01.02.2024

Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz:

Frau Präsidentin! Guten Morgen! Lassen Sie mich einmal zur Zugschlusslaterne zurückkommen. Lieber Kollege Mattfeldt, vielleicht muss man sich einmal ein bisschen überlegen, was man hier sagt. Die Zugschlusslaterne wurde in den 50er-Jahren produziert und mit Petroleum betrieben. Eine Zugschlusslaterne als Symbol für die wirtschaftliche Kompetenz der Union – Wirtschaftspolitik mit Petroleum –: Das ist das, was Sie hier vorgestellt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Aber nun steht die Laterne ja unter Ihrem Schreibtisch im Block der Union. Ich glaube, da gehört sie hin.

In der Tat ist darin eine höhere Wahrheit verborgen. Um die Debatte ein bisschen zusammenzuführen, können Sie vielleicht zugeben, liebe Frau Klöckner, dass ein Großteil der Probleme, die dieses Land gerade drücken, in den letzten Jahren entstanden sind, wie mit der Petroleumleuchte symbolisiert wird:

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Unfassbar!)

kein Ausbau der Infrastruktur, keine Investitionen in die Bahn, keine Digitalisierung, kein Smart Metering, kein Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das stimmt ja gar nicht! Natürlich gab es ein Fachkräftezuwanderungsgesetz! Herrn Heil mal fragen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir hier zusammenkommen wollen und wenn wir versuchen wollen, die Probleme zu lösen, dann rate ich zu Selbstkritik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Jetzt, wo Herr Merz gerade geht, lassen Sie mich in diesem Geiste auf die gestrige Debatte zurückkommen. „Im Grundsatz“ – man muss sich klarmachen, was „im Grundsatz“ bedeutet, nämlich „fundamental“ – sind wir „anderer Meinung“; so hat es der Oppositionsführer gesagt.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ja, zu Recht!)

„Wir diskutieren nicht mit Ihnen“ – wörtliches Zitat –, wir stellen keine Anträge, um keine Debatte zuzulassen. – Das hat er gesagt und die Zusammenarbeit ausgeschlossen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Hat er nicht gesagt!)

Sehr geehrte Damen und Herren, vor allem sehr geehrte Damen und Herren von der demokratischen Opposition, ich glaube, diese Ausführungen sind in vierfacher Hinsicht falsch:

Erstens fragt man sich natürlich, mit wem Sie denn in Zukunft irgendwann mal regieren wollen;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

denn Sie werden bei aller Hybris nicht glauben, dass Sie eine Alleinregierung stellen. Sie werden also irgendwie diskutieren müssen.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Haben Sie die Ampel schon aufgegeben?)

Zweitens ist es materiell falsch. Ich kann Ihnen sagen, dass sich in meinem Haus Bitten aus Ihren Wahlkreisen, auch aus Wahlkreisen von Abgeordneten, die hier gerade für Ihren Oppositionsführer geklatscht haben, stapeln; Bitten, dass wir ihnen helfen, Subventionen an Unternehmen in ihrem Wahlkreis zu geben,

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

und zwar Subventionen aus den Programmen, die Sie hier gerade madigmachen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Drittens kann ich Ihnen sagen, dass ich eine exzellente Zusammenarbeit mit den Ministerpräsidenten und den Wirtschafts- und Energieministern aus Ihren Reihen habe. Wer ist eigentlich dieses „Wir“, von dem Sie reden? Es kann nicht für die ganze Union stehen; denn die Zusammenarbeit mit den Kollegen in den Ländern ist ausgezeichnet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Michael Donth [CDU/CSU])

Viertens – das ist vielleicht das Bedenklichste – haben Sie, glaube ich, verkannt, was dieses Land gerade will und was es braucht. Es sind jetzt seit Wochen zu Hunderttausenden Menschen auf der Straße, um gegen Rassismus, gegen Rechtsradikalismus und gegen Faschismus zu demonstrieren. Es ist ein bisschen schwierig, als Regierungsmitglied dafür die richtige Sprache zu finden,

(Zuruf des Abg. Mike Moncsek [AfD])

weil ich natürlich Teil der politischen Debatte bin. Aber als Bürger und als Mensch dieses Landes will ich sagen – wir haben es gestern bei der bewegenden Trauerfeier gehört –: Das ist das Großartigste, was seit vielen Jahren hier entstanden ist. Es ist großartig, dass die Kraft und die Vielfalt des Landes sich so aus der Mitte der Gesellschaft heraus abbilden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Aus den Demonstrationen gegen Faschismus spricht für mich aber noch etwas anderes, nämlich der Wunsch, dass dieses Land zusammenkommt, dass man miteinander redet, dass man als Demokraten nicht den Hauptgegner untereinander sucht, sondern gemeinsam versucht, Lösungen hinzubekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Das spricht daraus. Und dieser Wunsch steht in fundamentalem Widerspruch zu jedem Wort, was wir gestern hier gehört haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieses Land hat jeden Grund, selbstbewusst zu sein. Wir haben – wir haben es gerade gehört, und mit Blick auf die Redezeit erspare ich mir die Aufzählung – so viele Krisen in den letzten Jahren, auch in den letzten Monaten überstanden – wegen der Kraft und der Vielfalt des Landes, weil so viele mitgemacht haben.

Lassen Sie mich deswegen abschließend in diesem Sinne und weil ich weiß, wie viele Abgeordnete aus Ihren Reihen mich bitten, mehr Subventionen in ihre Wahlkreise, in ihre Unternehmen zu vergeben, einen Vorschlag machen zum Elefanten, der im Raum steht. Alle diskutieren über eine Reform der Schuldenbremse: Die Wirtschaftsunternehmen fordern sie ein; die Zentralbank spricht darüber, dass Deutschland ein Problem hat; die Banken wollen sie, der Sachverständigenrat der Bundesregierung auch.

Wir halten uns an den Koalitionsvertrag. Ich weiß natürlich, dass eine Diskussion über die Schuldenbremse bei den derzeitigen Möglichkeiten nicht richtig ist. Aber es gibt vielleicht einen Weg, in diesem Sinne zusammenzukommen: Was wäre, wenn wir ein Sondervermögen einführen würden, um die strukturellen Probleme zu lösen?

(Zurufe von der CDU/CSU und der AfD: Oah!)

Das dann über das ausgezahlt wird, was die Unternehmen zu Recht wollen, nämlich über Tax Credits, um Steuervergünstigungen, steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten zu schaffen? Das ist das, was ich aus der Wirtschaft, von der Opposition, von den Liberalen höre. Ein Wachstumschancengesetz mal 10, vielleicht mal 50, um dieses Land nach vorne zu bringen. Was wir dazu brauchen, ist ein gemeinsames Gespräch. Um das bitte ich, und zu dem lade ich ein.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Enrico Komning.

(Beifall bei der AfD)