Rede von Deborah Düring Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Deborah Düring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Union, ich bin, ehrlich gesagt, ein wenig verwundert über Ihre Worte, nicht nur in dieser Debatte, sondern auch in den letzten Wochen. Sie fordern hier lautstark das eine, haben aber im Haushaltsausschuss und in Ihren Anträgen dort genau das Gegenteil gemacht.
(Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Wenn Ihnen die Entwicklungspolitik so wichtig ist – das glaube ich Ihnen ja – und auch der Kampf gegen den Hunger, wie Sie in den letzten Wochen immer wieder betont haben, dann frage ich mich schon, warum Sie im September im Haushaltsausschuss der Freigabe von 70 Millionen Euro für die Bekämpfung des Hungers in Somalia und der Sahelregion nicht zugestimmt haben.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Das waren sogar 150 Millionen, Deborah!)
Die Begründung Ihrer Kolleginnen und Kollegen dazu war: Wir brauchen das Geld in Deutschland. – Wir halten also fest: Wenn es wirklich darauf ankommt, stellt sich die Union eben nicht auf die Seite der Ärmsten der Armen.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)
Wissen Sie, was Ihre Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss außerdem abgelehnt haben? Ich sage es Ihnen: die Bereitstellung von 50 Millionen Euro für Kreditfonds in Osteuropa, mit denen kleine und mittlere Unternehmen aus der Ukraine in der Getreideproduktion unterstützt werden sollten.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Ach so!)
Dabei wollten Sie doch in Ihren Anträgen zum Haushalt im Ausschuss 73 Millionen Euro zusätzlich für die Privatwirtschaft ausgeben. Hier wollen Sie also die meisten Entwicklungsgelder reinstecken: in Initiativen von Konzernen wie Allianz, Porsche oder Deutsche Bank.
Lieber Herr Stefinger, mehrere Studien zeigen, dass durch die jetzige Zusammenarbeit mit der Wirtschaft kaum positive Effekte erreicht werden. Wenn überhaupt, erreichen diese nur unmittelbar beteiligte Partner und die Zielgruppen. Das sind also Projekte, die eben keine breite oder langfristige entwicklungspolitische Wirkung haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das Märchen von der Hebelwirkung wird in Ihrer Fraktion offensichtlich noch geglaubt. Und ich sage Ihnen: Statt mal neue Lösungen zu präsentieren, bleibt die Union also, wie gehabt, bei der alten Formel: Das haben wir schon immer so gemacht, und genau so machen wir weiter. – Aber so verhindert man die sogenannte Entwicklung, und zwar nachhaltig. Das, liebe Union, ist keine präventive Politik. Das ist Politik aus dem letzten Jahrzehnt, und ich bin froh, dass wir als Ampel das anders machen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir machen eine feministische Entwicklungspolitik.
(Dr. Wolfgang Stefinger [CDU/CSU]: Und die schafft es dann! – Zuruf von der AfD: Die schafft alles!)
– Ich höre es schon. – Da es in diesem Haus immer noch einige Kolleginnen und Kollegen gibt, die noch nicht genau wissen, was sie darunter verstehen sollen, möchte ich Ihnen das jetzt anhand des Haushaltes mal ein bisschen darlegen:
Ziel einer feministischen Entwicklungspolitik ist, dass alle Menschen weltweit dieselben Rechte und denselben Zugang zu Ressourcen haben und in gleichem Maße in ihrer Diversität repräsentiert sind. Genau deswegen haben wir im Haushaltsverfahren dafür gesorgt, dass der Beitrag Deutschlands für UN Women stabil bleibt und wir mit dem Aufwuchs von UNFPA die sexuelle und reproduktive Gesundheit stärken. Eine feministische Entwicklungspolitik bedeutet, dass wir eben auch die Zivilgesellschaft als aktive feministische Akteurinnen und Akteure stärken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Genau deswegen haben wir als Ampel die Mittel zur Förderung langfristiger Vorhaben der Zivilgesellschaft und für Zivilen Friedensdienst aufgestockt. Das ist der richtige Weg, um für Stabilität, Resilienz und Frieden zu sorgen und dabei die Bedürfnisse von Frauen und marginalisierten Gruppen zu berücksichtigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die Klimakrise – das wurde heute schon einige Male gesagt – hat jetzt schon verheerende Auswirkungen, insbesondere im Globalen Süden, die wir als Globaler Norden maßgeblich verursacht haben: Dürren, Unwetter, steigende Meeresspiegel. Frauen und Mädchen werden von der Klimakrise besonders hart getroffen. Sie sterben bei einer Katastrophe mit 14‑mal höherer Wahrscheinlichkeit als Männer, weil sie beispielsweise seltener schwimmen können oder sich auf der Flucht um ihre Angehörigen kümmern. Die Klimakrise gefährdet bereits erreichte und auch zukünftige Fortschritte und belastet insbesondere vulnerable Gruppen, weshalb gerade auch hier feministische Ansätze wichtig sind.
Lieber Herr Stefinger, da Sie gerade nachgefragt haben: Ja, die Ampel hat gezeigt, dass uns Klimapolitik und gerade der Schutz der vulnerablen Gruppen auf der COP 27 wichtig waren.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!)
Was Sie eben nicht geschafft haben, ist, das Thema „Loss and Damage“ auf die Tagesordnung zu setzen.
(Dr. Wolfgang Stefinger [CDU/CSU]: Dann schauen Sie sich mal die Reden von Ihren Kollegen Krischer und Trittin an! Ich bringe sie Ihnen auch! Die lese ich Ihnen mal vor, die Reden!)
Genau das haben wir gemacht im Hinblick auf Schäden, Verluste und den Klimawandel: Wir haben eben für die ärmsten Länder was beschlossen.
Ich bin bei Ihnen, wenn Sie sagen, dass es wichtig ist, dass wir als Parlament jetzt daran arbeiten und gucken, wie wir das Ganze ausgestalten und wie wir das auch finanziell hinterlegen. Aber dass dieses Thema überhaupt erst mal auf der Tagesordnung stand, das haben Sie einfach nie geschafft. Es ist jetzt überlebenswichtig, den Klima- und Biodiversitätsschutz zu stärken. Genau deswegen haben wir die Mittel im Klima- und Umweltschutz erhöht, auch wenn die Bedarfe weiterhin enorm sind; da bin ich bei Ihnen.
80 Prozent der besterhaltenen Ökosysteme der Welt befinden sich auf indigenem Land, und das, obwohl Indigene nur 2 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen. Ein besonderer Erfolg ist daher die Neueinbringung der Initiative CLARIFI zur Stärkung indigener Landrechte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Denn auch die Stärkung indigener Rechte gehört zu einer intersektionalen feministischen Entwicklungspolitik, in der überlappende Ungleichheiten gemeinsam angegangen werden. Das tun wir als Ampel mit diesem Haushaltsentwurf.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Ja, ich bin erleichtert, dass wir als Parlament in diesem Haushalt gezeigt haben, dass globale Gerechtigkeit für uns wichtig ist. Aber es gehört natürlich auch zur Wahrheit, dass wir alle wissen: Strukturelle Änderungen brauchen Planungssicherheit und langfristige Finanzierung. Der BMZ-Kernetat muss in den nächsten Jahren signifikant ansteigen, um langfristige Ziele erreichen zu können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Thomas Rachel [CDU/CSU]: So ist es!)
Auch die Lösung des Problems der rasant ansteigenden globalen Verschuldung müssen wir ambitioniert angehen. Wir wissen, dass Sicherheit weit mehr ist als militärische Sicherheit. Das Ganze bedeutet auch Sicherheit vor Pandemien sowie vor den Auswirkungen der Klimakrise. Sicherheit ganz im Sinne einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik umfasst Menschenrechte, verantwortungsvolle Regierungsführung, Zugang zu Bildung und Gesundheit sowie die Gewährleistung, dass jeder Mensch die Freiheit und die Möglichkeiten hat, sein Potenzial zu entfalten. Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass das auch in Zukunft mit unserer Hilfe möglich ist. Wir nehmen unsere globale Verantwortung ernst.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)