Wirtschafts- und Währungsunion in Europa

13.12.2017

Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Liebe Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr gut, dass wir über die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion reden. Das hätte im Rahmen einer Regierungserklärung erfolgen sollen.

(Zurufe von der SPD: Ja! Ja!)

Dieses Thema ist nicht nur extrem wichtig für die Zukunft des Wirtschaftsraums, sondern auch extrem dringlich; denn das Zeitfenster in Europa ist aufgrund bevorstehender Wahlen klein. Es ist jetzt ganz entscheidend, wie auf die Vorschläge reagiert wird, die nun auf dem Tisch liegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es gibt zwar im Moment keine allgemeine Debatte. Aber nach längerer Zeit, wo sich in vielen Fragen die europäischen Staaten und die Akteure verhakt haben, ist nun der Punkt gekommen, wo konkrete Vorschläge von der Europäischen Kommission und vom französischen Präsidenten auf dem Tisch liegen. Die entscheidende Frage lautet: Wie reagiert dieses Haus darauf? Nun gibt es einen Vorschlag der FDP-Fraktion; Kollege Toncar hat dazu ausgeführt. Den Zielen stimme ich zu. Es geht darum, die Euro-Zone wetterfest zu machen; denn nach acht Jahren konjunkturellen Rückenwinds ist zu befürchten, dass das nicht auf Dauer so weitergeht. Wir sind aber auf die nächste Krise nicht vorbereitet. Es ist richtig, darauf hinzuweisen, dass eine Situation, in der eine extreme geldpolitische Intervention zum Dauerzustand wird, gefährliche Nebenwirkungen hat. Etwas muss sich verändern, wenn man diesen Zustand nicht fortführen will. So weit besteht Konsens.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Wenn der Deutsche Bundestag nun dem folgen würde, was Sie, meine Damen und Herren von der FDP, vorschlagen, würden wir zunächst einmal die Reform des ESM im Sinne eines Backstop ablehnen. Ihr Argument lautet: Wir wollen nicht, dass mit Steuergeldern Banken gerettet werden. – Dieses Argument ist richtig. Aber es hat mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission nichts zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es soll eine Kreditlinie für den Bankenabwicklungsfonds geben, an den Kredite zurückgezahlt werden müssen, genauso wie es in den USA während der Krise der Fall war. Dort gab es damals einen Kredit an die amerikanische Einlagensicherung. Diesen haben die Banken über eine erhöhte Bankenabgabe zurückgezahlt. Diesem Modell wollen wir folgen. Aus Steuerzahlersicht spricht überhaupt nichts dagegen, das abzulehnen. Warum tun Sie es dann?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gabriele Hiller-Ohm [SPD])

Sie lehnen auch eine Stabilisierungsfunktion ab. Aber wie soll die Union wetterfest werden, wenn es nicht die Möglichkeit gibt, auf Schocks zu reagieren und dort, wo Schwierigkeiten bestehen, mit einem bestehenden Instrumentarium – ohne große Krisenszenarien – einzugreifen? Zu dem Vorschlag des französischen Präsidenten, nun eine große Investitionsoffensive zu starten – das steckt hinter der Idee eines Euro-Zonen-Budgets –, lässt sich in Ihrem Antrag nur der dürre Satz finden: „Öffentliche Investitionen sind dabei ein wichtiger Baustein.“ Mehr nicht! Für den Finanzminister schreiben Sie alle möglichen Bedingungen auf, die in Europa keine Chance haben. Unter dem Strich bedeutet Ihr Antrag de facto: Der Deutsche Bundestag sagt zu den vorliegenden Vorschlägen Nein. – Genau das ist falsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir brauchen ein Ja des Deutschen Bundestages zu den Vorschlägen. Natürlich haben auch wir einige Bedingungen. Aber im Grundsatz wollen wir das, was vorliegt, unterstützen. Unser wichtigstes Kriterium ist: Die parlamentarische Kontrolle muss gewährleistet sein. Deswegen soll es die Gemeinschaftsmethode sein. Wir wollen das auf Basis des europäischen Rechts. Wir wollen zudem, dass die Euro-Zone kein exklusiver Club wird, sondern dass Europa gemeinsam vorangeht. Entscheidend ist jetzt jedoch, genau das zu machen, was progressive und konservative Ökonomen aus Frankreich und Deutschland vorgeschlagen haben, nämlich die Idee der Marktdisziplin durchzusetzen, Risiken in den Bankbilanzen abzubauen und gleichzeitig stabilisierende Elemente, wie sie die französische Seite vorschlägt, aufzugreifen und mit dieser Kombination Europa voranzubringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wer sich auf einen solchen Kompromiss nicht einlässt, sagt de facto Nein und riskiert, dass nichts passiert. So wird Europa nicht wetterfest.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Parlamentarischen Gesellschaft oder in der baden-württembergischen Landesvertretung konnten Sie einfach aufstehen und sagen: Sollen es doch die anderen machen! – So kann Deutschland in Europa nicht agieren. Wir müssen Verantwortung übernehmen, für Kompromisse arbeiten, damit Europa wetterfest wird. Wir Grüne sind dabei, und wir hoffen, dass sich auch genug andere finden, damit wir das gemeinsam voranbringen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)