Rede von Laura Kraft Wissenschaftszeitvertragsgesetz

Laura Kraft
29.11.2023

Laura Kraft (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ja, wir debattieren mal wieder das Wissenschaftszeitvertragsgesetz.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Sie bieten aber keine Lösungen an!)

Das ist das Gesetz, das in seiner Konstruktion letzten Endes eher ein schlechter Kompromiss für verschiedene Zielkonflikte ist. Und seien wir mal ehrlich: Nicht mal Chuck Norris reformiert das WissZeitVG so, dass alle zufrieden sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es auch sehr interessant, dass Sie bei der Union mit Ihrer Kritik eigentlich ziemlich zurückhaltend sind. Das liegt vielleicht auch daran, dass Sie selbst kaum Vorschläge machen, die inhaltlicher Natur sind. Sie wollen einfach nur wissen, wie es jetzt vorangeht. Aber dazu, wie man das Ganze so gestalten kann, dass wir prekäre Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft wirklich konzeptionell bekämpfen, haben Sie keine Vorschläge gemacht; da sind Sie relativ ruhig. Sie sind auch mit Ihrer öffentlichen Kritik relativ ruhig; das ist ungewöhnlich für Sie in der Union. Und das liegt vielleicht auch daran, dass Sie das selber nicht – –

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Wieso? Wir haben doch angeboten, da zusammenzuarbeiten!)

– Ja, Lars Rohwer, das haben wir schon gesehen. Sie hatten ja genug Zeit, aber Sie haben das in den Jahren zuvor nicht adäquat reformieren können. Wir wissen alle: Dieses Gesetzesvorhaben ist extrem komplex. Und seien wir mal ehrlich: Niemand, der es anfasst, kann damit irgendeinen Blumentopf gewinnen; das zeigt einfach, wie kompliziert es ist. Und wenn es einfach wäre, dann hätten Sie es in der Union schon gemacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Stephan Albani [CDU/CSU]: Aber Sie machen gar nichts, und das ist das Problem!)

Wissenschaft braucht Freiheit, und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler brauchen Ressourcen. Sie brauchen den Freiraum, um forschen zu können. Sie dürfen keine Angst vor Kettenbefristungen haben und davor, ständig wieder in diesem Karussell festzuhängen; Angst davor, noch mehr publizieren zu müssen, und hoffen, dass dann eventuell irgendwann vielleicht mal die passende Stelle frei wird. So wie unser Wissenschaftssystem derzeit funktioniert, gehört da ziemlich wenig Planbarkeit dazu, sondern eher prekäre Arbeitsverhältnisse, Verluste und letzten Endes soziale Härten. Das wollen wir verändern, das haben wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen. Sie wissen alle, wie viel Engagement dafür nötig ist.

Es ist – ich habe es schon gesagt – sehr schwierig, sämtliche Beteiligten zufriedenzustellen.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Es ist still geworden!)

Dass es da Schwierigkeiten gibt, das sieht man schon allein daran, dass selbst diejenigen, die hinter der #IchBinHanna-Bewegung stehen, sich relativ uneinig sind. Nach dem ersten Eckpunktepapier zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz gab es #profsfürhanna, die auch ein Papier geschrieben haben. Es war auch sehr gut, dass die sich eingebracht haben. Ich glaube, das brachte Aufwind für die Beschäftigten, dass sich jetzt auch die Profs hinter Hanna und alle Beschäftigten im Mittelbau gestellt haben. Aber schaut man sich die Vorschläge dann im Detail an, dann sieht man, dass die sehr weit auseinandergehen. Und das zeigt einfach, dass wir in unserem vielfältigen und komplexen Wissenschaftssystem mit den unterschiedlichen Bedarfen und mit den unterschiedlichen Fachdisziplinen sehr unterschiedliche Vorschläge haben. Das reicht von „keine Befristung nach der Promotion“ bis hin zu „überhaupt keine Höchstbefristung mehr“. Von „sofort entfristen“ bis „wer weiß wann entfristen“ ist da so ziemlich alles dabei. Es gibt in dieser Sache keine einfachen Lösungsvorschläge.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Sie haben noch mehr Fragen als wir! Das ist eigentlich ganz interessant!)

Die Union hat jetzt mit ihrer Großen Anfrage, die letzten Endes aus einer Zusammenfassung des Koalitionsvertrags und nur fünf Fragen besteht – also eine sehr große Anfrage; Achtung: Ironie! –, irgendwie versucht, hervorzuheben,

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Wir wollen mal Klarheit!)

dass wir uns mal wieder uneinig seien in der Koalition.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Sieht ganz so aus!)

Entschuldigung! Wenn wir uns bei diesem Gesetz nicht uneinig wären, dann wäre das ja geradezu verdächtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und woher kommt das eigentlich? Natürlich sind wir uns uneinig. Wir haben nämlich unterschiedliche Ansätze. Wir haben Dinge, auf die wir uns einigen können, aber es gibt auch andere Punkte. Wir sind drei unterschiedliche Parteien. Es gibt – ich habe es schon hergeleitet – selbst in der Wissenschaftscommunity unterschiedliche Ansätze. Wir haben da einen unterschiedlichen Fokus, und wir haben unterschiedliche Ansätze. Ja, Sie waren da jetzt einer ganz großen Sache auf der Spur, Sie haben herausgefunden: Die Koalition ist sich mal wieder uneins. – Was soll ich da denn sagen?

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Ja!)

Ich sage es mal ganz frei mit den Worten von Prinzessin Diana: „Wir waren zu dritt in dieser Ehe.“ Es ist nicht leicht.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Kommen wir wieder zurück zur Sache; das ist nämlich ein ernstes Thema.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Alleine dafür hat sich die Anfrage gelohnt!)

Seien wir mal ehrlich: Es geht nämlich um die Beschäftigten.

(Zuruf des Abg. Stephan Albani [CDU/CSU)

– Entschuldigung! Hallo Stephan!

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Also, alle, die jetzt Informationen über das Königshaus brauchen, wenden sich an Frau Kraft oder Frau Künast.

Laura Kraft (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, wirklich, es ist ein ernstes Thema. Es geht darum, dass wir Lösungen finden müssen. Ja, wir haben gesagt: Wir sind uns nicht einig beim Referentenentwurf. Aber meine Kollegin Carolin Wagner hat schon gezeigt: Es gibt auch viele Punkte im Referentenentwurf, auf die wir uns einigen konnten, und das sind gute Punkte, das sind wichtige Punkte: von den Mindestvertragslaufzeiten über die familienpolitische Komponente. Es gibt jedoch einen Knackpunkt, wo noch niemand die absolut gute Lösung gefunden hat, und das ist die Postdoc-Phase.

Ich habe es schon immer gesagt – wir waren zusammen schon auf diversen Podien –: Wir brauchen mehr als eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Wir brauchen nämlich eine Reform der Strukturen; denn wir können nicht nur an einem Symptom rumdoktern, und das machen wir mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Wir müssen an die strukturellen Probleme, und deswegen bin ich froh, dass es diesen Maßgabebeschluss im Haushalt gibt. Denn wir brauchen einen großen Instrumentenkoffer.

Es haben sich jetzt auch schon einige Hochschulen und einige Länder auf den Weg gemacht, um selbst gute Konzepte vorzulegen, wie man prekäre Beschäftigungsverhältnisse ändern und zu mehr Entfristung kommen kann.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Richtig! Beispielgebend!)

Das ist doch der Weg. Wir müssen eine Brücke bauen, nämlich zu den Kompetenzen der Länder und zu den Hochschulen. Deswegen hoffe ich, dass wir das weiterverfolgen können, dass es konzeptionell hinterlegt wird, ein Bund-Länder-Programm für moderne Governance- und Personalstrukturen zu machen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin, Sie kommen zum Ende, bitte.

Laura Kraft (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Diesen Weg müssen wir gehen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin.

Laura Kraft (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Und natürlich werden wir auch das WissZeitVG reformieren.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin.

Laura Kraft (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das ist ganz klar.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin!

Laura Kraft (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir werden die ein oder andere Diskussion und Debatte führen müssen. Aber wir müssen ins parlamentarische Verfahren kommen.

Ich danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Danke schön. – Nicole Gohlke hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)