Foto von Harald Ebner MdB
29.09.2022

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stecken mitten im größten Artensterben seit Menschengedenken. Die Wissenschaft warnt vor einem Point of no Return. Und die Union will Wölfe abschießen. Um zu kaschieren, was Sie in Wahrheit wollen, nämlich den Wolf wieder ausrotten,

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das ist überhaupt nicht wahr!)

reden Sie im Titel Ihres Antrags nicht nur von einer Balance, sondern sogar von einer

(Henning Otte [CDU/CSU]: Bodenlose Frechheit, was Sie hier behaupten! Sie wissen überhaupt nicht, wie es den Schafshaltern geht!)

– hören Sie doch mal zu – „ausgewogenen Balance“. Also, ich habe jetzt lange nachgedacht: Ich bin nicht darauf gekommen, was eine nicht ausgewogene Balance wäre. Also, da wäre vielleicht eine Beratung durch das Institut für Deutsche Sprache gar nicht schlecht gewesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Und die Beratungen zu Schweden, die wir alle geführt haben!)

Aber nicht mal die Überschrift Ihres Antrags ergibt Sinn, liebe Union, genauso wenig der Inhalt. Hier geht der blanke Populismus mit Ihnen durch. Wer in Ihrem Text nach Hilfen für den Herdenschutz sucht, der „sucht sich einen Wolf“. Aber genau die brauchen wir doch für die Weidetierhalter, und die werden wir auch auf den Weg bringen. Stattdessen schüren Sie Ängste – Kollege Mack mit Rotkäppchen –,

(Klaus Mack [CDU/CSU]: Das Rotkäppchen kam von Ihrer Staatssekretärin!)

tischen Scheinlösungen auf und liefern keine konstruktiven Beiträge.

Unser wissenschaftlich vorbildliches Bestandsmonitoring, das passt Ihnen nicht, weil Sie lieber mit aufgeblähten Bestandszahlen Panik verbreiten wollen.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Aber was macht ihr denn mit den Erkenntnissen aus dem Monitoring?)

Sie fordern etwas Gutes, Sie fordern die Erfassung von Rissschäden und Kosten für den Herdenschutz – wunderbar, das ist schön. Aber das gibt es doch schon. Also, vielleicht sollten Sie sich einfach mal die Berichte durchlesen; für Ihre Anträge müssten Sie früher aufstehen.

Ihr ewiges Mantra „Der Wolf ins Jagdrecht“ wird doch durch ständige Wiederholung nicht praktikabler; vielmehr würden bei Umsetzung durch das Kompetenzwirrwarr schnelle Entnahmen erschwert.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Was würden Sie denn machen?)

Unsere Jäger, die haben doch wahrhaft Besseres zu tun, als von Ihnen noch den Abschuss von Wölfen übergeholfen zu bekommen. Ich bin froh, wenn sie die Wildbestände so regulieren können, dass unser Wald vernünftig aufwachsen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie berufen sich mit Ihren Forderungen nach wolfsfreien Zonen und Bestandsregulierungen auf Schweden. Was passiert denn in Schweden? Die kleingehaltene Population ist durch Inzucht gefährdet. Genau deshalb sage ich: Was Sie da wollen, ist eine Ausrottung; denn eine durch Inzucht gefährdete Population ist auf Dauer nicht lebensfähig.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Mein Gott! Mein Gott!)

Außerdem hilft das auch nicht. Sie kriegen doch die ziehenden Jungwölfe gar nicht aus der Welt. Und das, was Sie versprechen, funktioniert nur insofern, wenn Sie den Wolf flächendeckend wieder ausrotten.

Das Wort „Artenschutz“ in Ihrem Antrag, das schämt sich ja fast schon selber. Ja, ich wünsche mir von Ihnen tatsächlich mal eine konstruktive Oppositionsarbeit.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben ja noch drei Jahre Zeit!)

Statt eines Balanceakts, wie Sie ihn eigentlich in Ihrer Überschrift versprechen, haben Sie leider schon wieder das Gleichgewicht verloren.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Der Antrag ist sehr konstruktiv! Aber wenn man den Antrag nicht liest! Ihr macht überhaupt nichts mit eurem Monitoring!)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Das Wort erhält Ina Latendorf für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)