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23.06.2021

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute im Kern über die Wohnungsgemeinnützigkeit. Das ist erst mal ein sperriger Begriff, und viele Menschen wissen eigentlich nichts damit wirklich anzufangen.

Die Wohnungsgemeinnützigkeit ist bis 1990 ein Baustein der sozialen Marktwirtschaft beim Wohnen gewesen. Sie galt sozusagen die ganze Bundesrepublik hindurch, und der Aufbau der Wohnungsbestände, die wir in Deutschland haben, geht auf diese steuerliche Privilegierung von Wohnungsunternehmen zurück. 1990 hatte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung diese Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft, dadurch die Privatisierung der Wohnungsbestände in Deutschland ausgelöst und damit eines der Grundprobleme, das wir heute auf den Wohnungsmärkten haben, geschaffen.

Ich bin der Meinung, dass die Menschen im Sommer dieses Jahres das wissen müssen. Denn es geht um die Frage: Wo wollen wir in den nächsten Jahren hin? Ich glaube, diesen Fehler zu korrigieren, wäre Aufgabe der Union in diesen Tagen gewesen, aber leider haben Sie nicht die Kraft dafür.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])

Es hat dazu geführt, dass wir in eine Negativspirale beim sozialen Wohnungsbau gekommen sind. Wir haben heute ungefähr noch 1 Million Sozialwohnungen; wir haben 3 Millionen seit Ende der 80er-Jahre verloren.

Das Prinzip der Gemeinnützigkeit wollen nun wir Grüne, Linke und auch Sozialdemokraten – ich habe es jetzt so verstanden, dass ihr das auch machen wollt – wieder in die Wohnungsmärkte einführen. Wir wollen, dass Wohnungsunternehmen, die Wohnraum dauerhaft sozial gebunden bereitstellen, privilegiert werden gegenüber denjenigen, die eine fette Rendite machen. Ich finde, diesem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft, das unter Adenauer und Erhard galt, müssen wir wieder Geltung verschaffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Jetzt schaut man mal, was im CDU-Wahlprogramm drinsteht, ob sich diese Idee der sozialen Marktwirtschaft darin wiederfindet. Leider nicht! Aber man findet zum Thema „Steuern und Wohnen“ was anderes: Die Union will nämlich die Sonderabschreibung von 5 Prozent bei den Anschaffungs- und Herstellungskosten beim Wohnungsbau verlängern. Das ist ein reines Investorengeschenk, das Sie machen. Die Wohnungsgemeinnützigkeit steht nicht drin.

Aber wissen Sie, was auch nicht drinsteht? Wie viel Geld Sie in der nächsten Wahlperiode für den sozialen Wohnungsbau ausgeben wollen. Sie haben im Kern keine Antwort auf die Negativspirale beim sozialen Wohnungsbau; darauf geben Sie als Union keine Antwort, und das halte ich angesichts der Zahlen auf den Wohnungsmärkten wirklich für skandalös. Sie versagen an dieser Stelle komplett.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Die Sonderabschreibung, die Sie fordern, ist innovationsfeindlich. Das ist Geld, das man in den Markt schüttet, das aber nichts bringt. Es ist ökonomischer Bullshit, und es ist sozial ungerecht, weil Sie damit Investoren gegenüber kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen begünstigen; das ist jetzt schon so. Ich kenne kein kommunales Unternehmen in Deutschland, das sagt, dass das eine gute Idee ist. Deswegen sage ich Ihnen eins: Es ist ein Riesenfehler, das zu machen. Ich rate Ihnen davon ab, das wirklich weiterzuverfolgen. Das Programm, das Sie vorgelegt haben, zeigt einfach: Die CDU – –

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der SPD-Fraktion?

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, gerne.

Klaus Mindrup (SPD):

Lieber Chris Kühn, Sie haben eben das Wort „Genossenschaften“ in den Mund genommen. Das war der Punkt, auf den ich zurückkommen wollte. Sie haben zu Recht gesagt, dass die Gesellschaften begünstigt werden sollen, die sich dauerhaft dem Gemeinwohl verpflichtet erklären. Als die Gemeinnützigkeit damals, 1988, abgeschafft wurde, haben wir dagegengestimmt; Sie haben dagegengestimmt. Wir haben die Situation, dass es seitdem noch die sogenannten steuerbefreiten Vermietungsgenossenschaften gibt. Ich wollte Sie darauf aufmerksam machen bzw. fragen, ob Sie wissen, dass die heute ein Problem haben. Denn wenn man eine Genossenschaft und nicht steuerbefreit ist und in das steuerbefreite Segment gehen will, muss man quasi seine stillen Reserven nachversteuern. Wir als SPD wollen, dass diejenigen, die sich zukünftig gemeinnützig verhalten, steuerliche Vorteile haben. Im Augenblick ist das genau andersrum.

Meine Frage ist: Kennen Sie das Problem, und stehen Sie an unserer Seite, wenn es darum geht, dass diejenigen, die sich gemeinnützig verhalten, zukünftig bessergestellt werden und es an dieser Stelle zu einer Änderung kommt?

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke, werter Kollege, dass Sie das fragen. – Erst mal ist uns das Problem bekannt. Deswegen haben wir die Gemeinnützigkeit, so wie wir die Vorlage in der letzten Sitzungswoche in den Deutschen Bundestag eingebracht haben – die Große Koalition hat ja leider dagegengestimmt –, auch als freiwillige Option gewählt. Also: Ein Unternehmen kann optional zu einem gemeinnützigen Unternehmen werden und behält dann die steuerliche Privilegierung, zum Beispiel beim Erwerb von Grund und Boden. Wenn darauf in Zukunft sozial gebundener Wohnungsbau entsteht, dann gilt da zum Beispiel keine Grunderwerbsteuer, oder es gibt andere steuerliche Vorteile. Die Genossenschaften können natürlich entscheiden, ob sie das möchten.

Ich glaube, die Grundfrage, die Sie gestellt haben, ist eine steuerrechtliche Frage. Dazu haben wir – das muss ich sagen – in dieser Wahlperiode ja immer wieder Vorschläge gemacht und auch nachgefragt. Ich hätte mir da einen Finanzminister in Deutschland gewünscht, der sich dieser Fragen – der Finanzfragen und der steuerlichen Fragen – stärker angenommen hätte,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und ich hätte mir gewünscht, dass mehr Vorschläge aus dem Finanzministerium gekommen wären. Ich habe da relativ wenig gesehen.

Ich habe jetzt erfahren, dass Olaf Scholz ein glühender Verfechter der Wohnungsgemeinnützigkeit ist. Wir werden in diesem Wahlkampf sehen, ob das der Fall ist. Ich finde es gut, dass sich die SPD nach acht Jahren nun auch aufgemacht hat, die Wohnungsgemeinnützigkeit in ihr Programm aufzunehmen. Deswegen bin ich sehr hoffnungsvoll, dass wir dieses Projekt, die Gemeinnützigkeit in Deutschland wieder einzuführen, gemeinsam stemmen können. Ich glaube, es ist dringend notwendig angesichts dessen, dass wir beim sozialen Wohnungsbau in einer Negativspirale sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

So, Frage beantwortet. Und jetzt zügig zum Ende kommen.

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, lassen Sie mich den letzten Satz sagen. – Die Union will also die steuerliche Privilegierung von Investoren. Ich sage Ihnen eines: Das hat was mit ihrer Nähe zu Investoren zu tun und nichts mit einer guten Wohnungspolitik.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Der nächste Redner ist der Abgeordnete Karsten Möring, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)