Rede von Dr. Anja Reinalter Zu Protokoll: Anerkennung von Berufsqualifikationen

22.02.2024

Dr. Anja Reinalter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Lassen Sie mich mit dem Politischen Aschermittwoch in Biberach beginnen. Mein Wahlkreis erreichte letzte Woche traurige Berühmtheit. Unser traditioneller grüner Politischer Aschermittwoch musste abgesagt werden, weil eine Gruppe wütender Störer nichts anderes zu tun hatte, als aggressiv gegen unsere Demokratie auf die Straße zu gehen. Und klar ist: Dass derzeit besonders die Grünen im Fokus der Angriffe stehen, entlässt die anderen demokratischen Parteien nicht aus der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sich das Debattenklima nicht noch weiter aufheizt. Denn das ist kein Problem der Grünen, das ist ein Problem für unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat und betrifft uns alle. Es geht ums Ganze!

So, und was hat das jetzt mit dem Anerkennungsgesetz zu tun? – Sehr viel! Sie können sich hier gern beklagen, dass die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse viel zu langsam geht und zu kompliziert ist. Aber selbst ein Verfahren in Echtzeit, also wenn jeder Antrag stante pede bearbeitet werden würde, macht uns nicht zu einem attraktiven Einwanderungsland, solange sich solche Szenen wie in Biberach auf unseren Straßen abspielen. Denn wenn Rechtsextreme das Ende des Rechtsstaates ausrufen, werden wir den Kampf gegen den Fachkräftemangel verlieren. Das ist ein echtes Problem, und das können wir uns nicht leisten.

Darum brauchen wir ein neues Wir! Dieses neue Wir ist ein Deutschland mit einem freundlichen Gesicht. Mit einer echten Willkommenskultur. Das brauchen wir, um die Fach- und Arbeitskräfte zu gewinnen, die mit uns in der Zukunft arbeiten – und ich sage bewusst „mit uns“ und nicht „für uns“. Den Motor Deutschlands können wir nur gemeinsam auf Touren halten. Dazu gehört auch, dass wir die Kompetenzen, Erfahrungen und Abschlüsse anerkennen. Wir müssen besser werden, freundlicher werden, schneller werden, die Hand reichen.

Und wir sind auf dem richtigen Weg: Die Zahl der Anträge ist auf einem Rekordhoch. Insgesamt wurden bereits über 365 000 Anträge registriert, knapp 50 000 davon allein im Jahr 2022. Auch die Verfahrensdauer ist nun deutlich kürzer. Das kann sich sehen lassen.

Besonders erfreulich ist die Anerkennungsquote: 2022 endeten 98 Prozent der Verfahren für bundesrechtlich geregelte Berufe mit der Möglichkeit, die volle Gleichwertigkeit direkt oder nach einer Nachqualifizierung zu erlangen. Das zeigt doch, dass was geht! Und so machen wir weiter! Denn wir brauchen in vielen Branchen dringend Unterstützung. Deutlich wird das am Beispiel der Heilberufe, die bereits 75 Prozent aller Anerkennungen nach Bundesrecht ausmachen.

Diese Entwicklungen waren möglich, weil an vielen Stellschrauben gedreht wurde. Ich denke an die Einführung der digitalen Antragstellung, Erleichterungen bei der Antragstellung auf Englisch, den Ausbau der Plattform „Anerkennung in Deutschland“ und die so wichtigen Förderprogramme wie zum Beispiel die IQ-Netzwerke.

Doch wir sind noch lange nicht am Ziel: Jahr für Jahr brauchen wir für unsere Unternehmen und in der Wissenschaft 400 000 Fachkräfte aus dem Ausland, um die Lücke zu schließen. „Mind the Gap!“ Wichtige Bausteine dafür sind: Mehr Sprachförderung im In- und Ausland, eine stärkere Zentralisierung der zuständigen Stellen und finanzielle Unterstützung für Anträge, die aus dem Ausland gestellt werden. Vor allem aber müssen die zuständigen Behörden und Beratungsstellen über ausreichend Personal verfügen, um den steigenden Antragszahlen gerecht zu werden.

Aber noch einmal: Das alles hilft uns nur weiter, wenn wir es mit der Willkommenskultur ernst meinen. Und dass wir es ernst meinen, zeigt sich dadurch, was wir bisher auf den Weg gebracht haben: mit einem modernen Staatsangehörigkeitsgesetz, mit einem modernen Chancen-Aufenthaltsgesetz und mit einem modernen Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

So wird Deutschland ein attraktives Einwanderungsland für die Fach- und Arbeitskräfte, die wir so dringend benötigen.