Rede von Dr. Till Steffen Zu Protokoll: Digitale Mitgliederversammlung

01.12.2022

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir werden das Vereinsrecht flexibilisieren: Wenn ein Verein seinen Mitgliedern die digitale Teilnahme an einer Mitgliederversammlung ermöglichen will, soll dazu keine Änderung der Vereinssatzung mehr nötig sein. Eine solche Option schließt niemanden aus: Wer in Präsenz teilnehmen will, geht hin, und wer sich per Computer, Handy oder Tablet digital dazuschalten will, soll das auch tun können, sofern – typischerweise – der Vereinsvorstand ein entsprechendes Angebot macht. So können Techniken und Praktiken, die in den letzten Jahren angewandt wurden, dort, wo sie sich bewährt haben, sinnvoll weiter genutzt werden, ohne dass das Machtgefüge in einem Verein dauerhaft verschoben wird.

Vereine, die über die bloße Anwendung der Coronaregeln hinausgegangen sind und sich selbst eigene Regeln für rein digitale oder hybride Mitgliederversammlungen gegeben haben, können weiter nach diesen Regelungen verfahren. Die beabsichtigte Neuregelung wird es allen Vereinen auch erleichtern, zukünftig entsprechende Regelungen erstmals zu schaffen oder zu ändern; denn durch die beabsichtigte Neuregelung werden Zugangshürden gesenkt, was erfahrungsgemäß zu einer höheren Beteiligungsquote bei Abstimmungen führt, wodurch auch das für Satzungsänderungen notwendige Quorum leichter erreicht wird. Daher werden wir einen entsprechenden Änderungsantrag im Rechtsausschuss vorlegen, der den vorliegenden Vorschlag aus dem Bundesrat aufgreift und im eingangs beschriebenen Sinne weiterentwickelt.

Insbesondere soll dabei die Alternative zur physischen Teilnahme nicht auf den Einsatz von Videokonferenztechnik beschränkt werden, die gerade im Vereinskontext auch nicht immer verfügbar sein wird. Vielmehr soll die Ausübung der Mitgliederrechte im Wege jedweder geeigneten elektronischen Kommunikation zugelassen werden. So können Vereine am besten interessengerechte Lösungen finden und beispielsweise in geeigneten Situationen auch den Meinungsaustausch per Telefonkonferenz oder Chat anbieten und eine Stimmabgabe per E‑Mail zulassen. Das ist auch notwendig und geboten; denn die Vereinslandschaft in Deutschland ist vielfältig. Insbesondere gibt es große Unterschiede hinsichtlich der Mitgliederzahl, der Ausstattung, und es gibt auch erhebliche Unterschiede im Hinblick auf die Themen, die in den jeweiligen Mitgliederversammlungen bewegt und entschieden werden müssen.

All das spielt bei der Frage einer guten Vorbereitung der Mitgliederversammlung aber natürlich eine Rolle. Daher muss auch das Recht, diese Unterschiede im Blick zu haben, zur Geltung kommen. Schließlich ist es gerade das Tolle am Vereinsrecht, dass es Menschen in ganz vielen Bereichen einen guten Rahmen bereitet, gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten. Das wollen wir erhalten und fördern, und daher wollen wir das parlamentarische Verfahren nutzen, die beste Lösung für die circa 620 000 Vereine mit über 50 Millionen Vereinsmitgliedern in Deutschland zu finden.