Rede von Dr. Ingrid Nestle Zu Protokoll: Energiewirtschaft

18.01.2024

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Um 2045 klimaneutral zu sein, machen wir jetzt Tempo beim Wasserstoffhochlauf. Denn Wasserstoff wird ein wichtiger Baustein sein, um eine Energieversorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien zu realisieren. Dieser Energieträger ist nicht nur zentral, um zukünftig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Versorgung durch die erneuerbaren Energien zu ergänzen. Er ermöglicht vor allem die Dekarbonisierung derjenigen Industrieprozesse, die bisher besonders viele klimaschädliche Emissionen verursachen, wie zum Beispiel die Stahlproduktion. Diese allein verursacht momentan knapp 30 Prozent der Industrieemissionen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir hier den Umstieg auf klimaschonende Prozesse fördern und mit den richtigen Rahmenbedingungen unterstützen.

Nach der Überarbeitung der Nationalen Wasserstoffstrategie gehen wir heute einen wichtigen Schritt weiter. Mit dieser Gesetzesnovelle stellen wir die Weichen für ein deutschlandweites Wasserstoffnetz. Bereits ab dem Jahr 2025 soll ein erster integrierter Netzentwicklungsplan für Gas und Wasserstoff vorliegen. Dieser wird laut Gesetzentwurf alle zwei Jahre von den Fernnetzbetreibern und anderen Wasserstoffnetzbetreibern erstellt und abschließend von der Bundesnetzagentur nach einem Konsultationsverfahren genehmigt. Ziel ist es, Wasserstoffproduzenten, Verbraucher und Wasserstoffspeicher miteinander zu verbinden und ein flächendeckendes Kernnetz aufzubauen. Dieses soll, orientiert am tatsächlichen Bedarf, erweitert werden. Auch die Verbindung mit einem zukünftigen europäischen Wasserstoffnetz und Deutschlands Rolle als Transitland müssen wir dabei von vornherein im Blick behalten. Dieser Prozess wird zudem von einer neugegründeten Koordinierungsstelle begleitet, die vor allem als Datenbank und als Schnittstelle zwischen Bundesnetzagentur und den Betreibern des Wasserstoffnetzes dienen soll.

Vor wenigen Monaten haben die Betreiber bereits einen ersten Entwurf vorgelegt, der sich nun im Konsultationsverfahren der Bundesnetzagentur befindet. Dieser sieht bereits ein knapp 10 000 Kilometer langes Netz durch die Bundesrepublik vor. Der größte Teil dieses Kernnetzes wird aus umgewidmeten Erdgasleitungen realisiert; nur knapp 40 Prozent werden neu gebaut. So wollen wir garantieren, dass schnellstmöglich die Planung vorliegt und der Bauprozess starten kann.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Finanzierung des Wasserstoffnetzes. Bekanntlich ist aller Anfang schwer. Die erste Phase eines Hochlaufs benötigt die größten finanziellen Anstrengungen, von denen später dann allerdings alle Nutzerinnen und Nutzer profitieren. Deshalb soll die Finanzierung zwar von den Kunden des Netzes über die Netzentgelte finanziert werden. Die finanzielle Gesamtlast soll fair aufgeteilt von allen Kunden – nicht nur den allerersten – getragen werden. Über ein Amortisationskonto halten wir die Netzentgelte zuerst niedrig und verteilen die Kosten über die Jahre. Ausgeglichen muss dieses Konto laut bisherigem Entwurf dann erst 2055 sein. Der Bund sichert dieses Konto ab für den Fall, dass die Kosten nicht vollständig über die Netzentgelte getragen werden können oder der Wasserhochlauf scheitern sollte. So erleichtern wir über die Jahre privatwirtschaftliche Investitionen in das Wasserstoffnetz.

Es muss uns allen bewusst sein, was für eine enorme Herausforderung uns bevorsteht. Das Gelingen dieses gewaltigen Projektes hängt auch von den von uns vorgegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen ab. Ich freue mich auf die kommenden parlamentarischen Verhandlungen. Lassen Sie uns dem Wasserstoffhochlauf den notwendigen Anschub geben.