Rede von Jürgen Trittin Die deutsche G7-Präsidentschaft nutzen (zu Protokoll)

07.04.2022

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erstens. Ihr Antrag ist überholt. Er wurde noch von Ralph Brinkhaus unterzeichnet. Nie und nimmer hätte Friedrich Merz den folgenden Satz unterschrieben: „Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat sich in den vergangenen 16 Jahren eine enorme Reputation und Glaubwürdigkeit auf der gesamten Welt erworben. Sie hinterlässt ein großes Vakuum, das es möglichst schnell zu füllen gilt.“ Doch mit diesem Antrag werden Sie dieses Vakuum nicht füllen können.

Zweitens. Krieg. Die G 7 stehen seit dem 24. Februar vor einer neuen Realität – der Rückkehr des Eroberungskrieges nach Europa. Doch dies ist nicht die einzige ungelöste globale Krise.

Die Coronapandemie ist nicht vorbei: nicht bei uns und noch weniger in vielen Ländern des sogenannten globalen Südens. Für sie ist immer noch nicht ausreichend Impfstoff vorhanden.

Auch die Klimakrise drängt uns zum sofortigen Handeln. Das wissen wir, das ist nicht neu. Aber es ist immer noch dringend, wie der jüngste IPCC-Bericht mahnt. Hinzu kommt durch Putins Krieg in der Ukraine die Gefahr einer globalen Ernährungskrise wie einer globalen Energiekrise. Diesen enormen Herausforderungen müssen sich die G 7 stellen.

Drittens: Energiekrise. Da hilft kein nostalgischer Blick zurück. Da muss man die Fehler der Vergangenheit beheben. Wir dürfen uns nicht weiter von Öl-, Gas- und Kohleimporten aus Russland abhängig machen – etwa durch den Bau von Nord Stream 2.

Man muss aufhören, das Wachstum erneuerbarer Energien mit bayerischen Abstandsregeln und bürokratischen Schikanen zu blockieren. Es reicht nicht, die Importrisiken zu verteilen – also Schurkendiversifizierung zwischen Putin und Maduro, zwischen Russland und Saudi-Arabien zu betreiben. Unsere Abhängigkeit von fossilen Importen insgesamt muss runter – durch den Ausbau erneuerbarer Energien, durch das Verbot von Gasheizungen, durch den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft.

Dafür haben wir hier das Osterpaket auf den Weg gebracht. Dazu dient der Green Deal in Europa. Dafür nutzen wir unsere G‑7-Präsidentschaft. Wir stimmen uns ab. Auch bei den Sanktionen gegen Russland haben die G 7 eine zentrale Rolle gespielt. Alle G‑7-Staaten haben gemeinsam die russischen Forderungen zurückgewiesen, Gaslieferungen fortan in Rubel zu bezahlen. Diese Gemeinsamkeit war und ist richtig!

Die Handlungsmacht der G 7 muss effektiv genutzt werden. Wir alle wollen ein Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine. An EU, USA und Großbritannien zusammen gehen 55 Prozent aller russischen Ölexporte! Jetzt gibt es ein EU-Kohleembargo. Ein gemeinsames Ölembargo zu verhängen, wäre für die G 7 verhältnismäßig schnell umzusetzen. Lassen Sie uns damit beginnen. Legen wir die Pipeline nach Schwedt trocken.

Viertens. Mehr als G 7. Es ist richtig und wichtig, dass die G 7 ihre Handlungsmacht nutzt, wo sie es kann. Doch auch die G 7 brauchen Partner. Globale Krisen lassen sich nur multilateral und mit dem globalen Süden lösen. Wer allein auf die alten Industrienationen setzt, wird den Herausforderungen unserer globalen Welt nicht gerecht. Wollen wir die Koalition der 141 Staaten gegen Putin zusammenhalten, müssen die G 7 eine Antwort auf die drohende Weizenkrise geben.

Wenn wir Russland von der Weltwirtschaft abkoppeln wollen, müssen wir eine Explosion der Energiepreise in Entwicklungs- und Schwellenländern vermeiden. Für all das werden die G 7 einen entscheidenden Beitrag leisten müssen. Aber sie müssen sich mit anderen wichtigen Akteuren absprechen.

Das wichtigere Format dafür sind die G 20. Dort sind Demokratien wie Brasilien, Indien, Südafrika vertreten, aber auch Autokratien wie China und eben auch Russland. Das wird schwierig, das ist unbequem. Das ist unbestritten. Aber die G 7 kommen um eine Stärkung der G 20 nicht herum.

Fünftens. Wir leben in einer neuen Realität mit drängenden weltpolitischen Herausforderungen. Um der Pandemie, dem Krieg, der Klimakrise zu begegnen, müssen die G 7 ihrer Verantwortung gerecht werden. Und sie müssen wissen, dass sie alleine nicht genug sind. Das macht eine kluge Außenpolitik aus.