Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung von Finanzmarktgesetzen an die Verordnung (EU) 2017/2402 und an die durch die Verordnung (EU) 2017/2401 geänderte Verordnung
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nachdem wir jetzt schon viel darüber gehört haben, wie gut und wichtig diese neuen vermeintlich sicheren und transparenten Verbriefungen sind, möchte ich nochmal in Erinnerung rufen, dass Verbriefungen eine der Hauptursachen für die Kernschmelze an den Finanzmärkten vor zehn Jahren waren. Banken waren willens, zu viele großzügige Kredite zu vergeben, weil sie mit dem Verbriefen das Risiko aus diesen Darlehen weiterverkaufen und daran dann zweimal verdienen konnten. Die Investoren, wie zum Beispiel auch unsere Landesbanken, haben sich blind auf die viel zu guten Ratings dieser verbrieften Produkte verlassen und hatten keine Ahnung, welche Risiken sie sich einkauften. Als die Kredite dann reihenweise ausfielen, mussten die Investoren durch den Steuerzahler gerettet werden.
Ich wiederhole hier kurz, was ich vorhin schon gesagt habe: Diese Rettungen haben direkte Kosten von rund 68 Milliarden Euro verursacht – eine erschreckende Zahl. Und ich will nicht erneut die noch viel höheren indirekten Kosten aufführen.
In diesem Gesetzgebungsprozess zeigt die EU sich leider von ihrer schlechten Seite. Die Krise ist noch nicht überwunden. Trotzdem geht die Kommission zur alten Tagesordnung über und kommt reflexhaft den Forderungen der Finanzlobby nach. Komplexe und gefährliche Produkte werden mit einem öffentlichen EU-Siegel versehen, obwohl sie den Großbanken, aber nicht der Realwirtschaft und schon gar nicht den KMUs nützen. Das zeigt das zentrale Problem: Nach wenigen Jahren der Einsicht und vermeintlichen Überzeugung der ehemaligen Volksparteien, die Finanzmärkte wieder in den Dienst der Realwirtschaft stellen zu wollen, geht es jetzt schon wieder in die falsche Richtung – dem Deckmantel der Kapitalmarktunion sei Dank.
Das Argument, das in dieser Diskussion immer wieder vorgebracht wird, lautet: Die Unternehmen haben nicht ausreichend Finanzierungsmöglichkeiten. Der Finanzmarkt muss breiter aufgestellt werden. – Das ist aber einfach falsch. Aus einer Umfrage, die die Europäische Zentralbank im vergangenen Winter bis in den März durchgeführt hat, wird ganz deutlich: Der Zugang zu Krediten ist das geringste Problem, das insbesondere KMUs haben. Arbeitskräfte und Kunden sind für sie viel schwerer zu finden. Und genau darauf liegt ihr Hauptaugenmerk.
Das Gleiche gilt für Start-ups. Sie bekommen in der Regel sowieso keine Kredite und finanzieren sich über Venture Capital. Hier Kredite zu verbriefen, macht also wenig Sinn bzw. ist unmöglich, da es sie nicht gibt. Auch Untersuchungen aus den USA ergeben, dass Verbriefung solcher Kredite dort nicht praktiziert wird. Für die Banken, die die Kredite in einen gemeinsamen Umschlag verpacken, ist dieser Vorgang bei Krediten für Start-ups wegen der komplizierten Risikoberechnung viel zu aufwendig und wegen des hohen Aufwands auch nicht rentabel. Es wird schlicht nicht gemacht.
Noch ein paar konkrete Kritikpunkte an dieser EU-Vorgabe: Die Banken hätten viel mehr in die Pflicht genommen werden müssen, ihre eigenen Verbriefungen auch selbst zu halten. Nur 5 Prozent ist viel zu wenig. Es ist sogar so wenig, dass ein Ausfallverlust eingepreist werden kann. Aus unserer Sicht hätten es 25 Prozent sein müssen, und zwar horizontal von allen Tranchen. Nur dann sind die Interessen der Banken und ihrer Kunden, den Investoren, gleich.
Um die Verflechtung der Finanzinstitute untereinander zu minimieren, hätte viel mehr Fokus darauf gelegt werden müssen, dass die Produkte einfach gestrickt sind und bleiben. Verbriefungen von Derivaten und von Wetten auf schlechte Kredite – quasi Ausfallsversicherungen – schaffen keine neue Finanzierung und nützen also niemandem außer den Finanzjongleuren, die an den Gebühren verdienen und gleichzeitig die Risiken im System erhöhen.
Die Transparenz über die Verbriefungen hätte höher sein müssen, sodass Investoren ausreichend Auskunft darüber erhalten, inwiefern die Produkte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.
Durch das neue STS-Label – simple, transparent and standardised – soll toxischen Instrumenten neues Leben eingehaucht werden, die nicht der Realwirtschaft, sondern nur den Interessen der Großbanken dienen. Nicht mit uns!