Rede von Markus Kurth Zu Protokoll: Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Altersrenten

20.10.2022

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der vorliegende Gesetzentwurf regelt eine Fülle verschiedener sozialpolitischer Sachverhalte, die zum Teil von den Vorgängerregierungen lange verschlafen wurden. Viele davon sind technisch anmutende Kleinigkeiten, einige sind aber von hoher Bedeutung.

Ein wichtiges Anliegen ist die Digitalisierung des Sozialsystems. Sie wurde von den Vorgängerregierungen sträflich vernachlässigt. Auch diese waren natürlich nicht untätig, haben aber nur das auf den Weg gebracht, was wirklich notwendig war. So wurden zum Beispiel die Schnittstellen verbessert und das Onlinezugangsgesetz verabschiedet, das Bund, Länder und Kommunen verpflichtet, den Bürger/-innen bis 2022 die Möglichkeit zu geben, Anträge online einzureichen.

Die eigentlichen Aufgaben, die Prozesse im Hintergrund zu digitalisieren und die Infrastruktur an eine Automatisierung der Leistungserbringung anzupassen, wurden nur halbherzig in Angriff genommen. Zum Beispiel sind die Einkommensbegriffe im Sozial- und Steuerrecht noch nicht harmonisiert, die Semantik der Gesetze wurde noch nicht an die digitalen Erfordernisse angepasst. Diese Themen werden wir in dieser Legislaturperiode angehen.

Mit dem SGB IV-Änderungsgesetz wird die Ampelkoalition einen Teil der im Koalitionsvertrag gesteckten Ziele zur Digitalisierung des Sozialleistungssystems umsetzen. Damit verbessern wir die Verwaltungsverfahren zwischen den Arbeitgebern und den Trägern der sozialen Sicherung, aber auch zwischen den Trägern. Dazu gehört auch die Abschaffung des Sozialversicherungsausweises, der in Papierform längst überflüssig ist. Das ist ein erster, wichtiger Schritt zur Digitalisierung des Sozialleistungssystems, den die Ampelkoalition gehen wird. Weitere werden folgen.

Ein weiterer wichtiger Bereich, der mit diesem Gesetz angepasst und endlich verbessert wird, sind die Anlagekriterien für Vermögenswerte der Selbstverwaltungskörperschaften. Dies betrifft unter anderem die Nachhaltigkeitsrücklage der gesetzlichen Rentenversicherung, aber auch Rücklagen der anderen Sozialversicherungsträger. Hier wird aufgeräumt mit überholten Begriffsdefinitionen und alten Systematiken. Es wird ein obligatorisches Risikomanagement eingeführt, und gleichzeitig wird die Möglichkeit renditestärkerer Anlagen in Aktien erweitert. So werden die Möglichkeiten erweitert, ohne unnötige Risiken zu schaffen. Wir stärken die Nachhaltigkeitskriterien der Anlagen, vereinfachen die Verwaltungsvorgänge und erreichen so insgesamt, dass mit geringerem Aufwand bessere Ergebnisse erzielt werden.

Auch für Künstler/-innen, die nach wie vor durch harte Zeiten gehen, verbessern wir einige Aspekte bei der Künstlersozialkasse. Wir verstetigen die Hinzuverdienstmöglichkeiten neben der künstlerischen Tätigkeit aus der Coronaphase in sinnvoller Weise, entwickeln den Krankenversicherungsschutz für Berufsanfänger/-innen im künstlerischen Bereich weiter und vereinfachen Verwaltungsverfahren.

Ein wichtiger sozialpolitischer Schritt ist der auch in einer Vielzahl von Bürger/-innenbriefen geforderte dauerhafte Wegfall der Hinzuverdienstgrenze bei Empfänger/-innen vorgezogener Altersrenten. Sie können nun noch besser als während der pandemiebedingten temporären Anhebung der Grenze unbürokratisch etwas dazuverdienen, wenn ihre Expertise und Arbeitskraft, also sie als Fachkräfte, gefragt sind, sie weiterhin Freude an ihrer Tätigkeit haben und die Gesundheit es zulässt. Dies ist ein in Zeiten des Fachkräftemangels dringend notwendiger Schritt.

Noch wichtiger aus grüner Sicht ist, dass auch für Bezieher/-innen einer Erwerbsminderungsrente die Hinzuverdienstgrenze erheblich angehoben wird. Ihre Hinzuverdienstmöglichkeiten sind durch die Erwerbsminderung ohnehin schon eingeschränkt. Da braucht man ihnen nun wirklich nicht auch noch durch eine enge Höchstgrenze für den Hinzuverdienst unnötig Steine in den Weg legen. Zudem kann ein Hinzuverdienst auch eine Brücke bzw. ein Sich-wieder-an-den-Arbeitsmarkt-Herantasten sein. Es wäre töricht, dies unnötig einzuschränken.

Dies alles bedeutet nicht, dass der Hinzuverdienst zusätzlich zur Rente als notwendiger Teil des Alterseinkommens gesehen wird. Im Gegenteil! Wir werden im nächsten Rentenpaket einen großen Schritt gehen, damit die Renten ein ausreichendes Niveau haben. Es muss sichergestellt sein, dass es sich beim Hinzuverdienst im Alter um eine freiwillige, nicht auf finanziellen Zwängen oder Not basierende Entscheidung handelt, und genau dafür werden wir auch sorgen.