Rede von Marcel Emmerich Zu Protokoll: Schengener Informationssystem

01.12.2022

Marcel Emmerich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Islamistischer und rechtsextremer Terrorismus, Organisierte Kriminalität: Wir haben in der Vergangenheit immer wieder schmerzlich erleben müssen, wie schwerfällig die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung schwerster Kriminalität in Europa sein kann, welche massiven Probleme und ja auch welche Schäden hier für das Sicherheitsempfinden der Menschen in Europa entstehen können – trotz der vielen Positivbeispiele wie die Erfolge bei der Operation „Pollino“ mit 90 verhafteten Mitgliedern der italienischen Mafia und sichergestellten Beträgen in Millionenhöhe. Zusammenarbeit zu stärken, schwerste Kriminalität möglichst zu verhindern, ist das Kernanliegen dieses Gesetzentwurfs, den auch alle demokratischen Fraktionen in diesem Haus unterstützen sollten.

Es gehört zur perfiden Strategie rechtspopulistischer und rechtsextremer Erzählungen in ganz Europa, das europäische Haus als vermeintlich unsicher und von Kriminalität überzogen zu brandmarken. Wir müssen uns deshalb immer wieder daran erinnern, dass wir in ebendiesem Europa und gerade hier in Deutschland grundsätzlich sehr sicher leben. Der destruktiven und perfiden Erzählung, gerade auch hier von der rechten Seite, müssen wir uns gemeinsam und entschlossen entgegenstellen.

Natürlich, die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz in Europa muss weiter vorangebracht werden, und das, ohne pauschal die Befugnisse der Sicherheitsbehörden zu erweitern. Das entspricht unserem guten Anspruch als Fortschrittskoalition: weg von fortwährenden, impulsiven Rufen nach weiteren Gesetzesverschärfungen, hin zu einer evidenzbasierten und vor allem grundrechtsorientierten Innenpolitik. Das nützt uns und den Sicherheitsbehörden am Ende viel mehr.

Wenn wir uns anschauen, welche lange Liste von Gesetzen durch diesen Entwurf berührt sind, dann wird deutlich, dass wir hier sehr schnell zu sehr grundsätzlichen Fragen gekommen sind: Auf welche und wie viele Daten kann zugegriffen werden? Wer kann in welchem Umfang wann und wo zugreifen? Was wird von wem an wen übermittelt? Das sind Fragen, die zu Recht hochsensibel und mit größtmöglicher Abwägung von den Gesetzgebern beantwortet werden müssen. Ich bin sehr froh, dass der Entwurf hier möglichst sparsam und möglichst entlang der EU-Verordnung aufgesetzt wurde. Denn hier – das zeigt die Nichtigkeitsklage des Europäischen Datenschutzbeauftragten in Sachen Europol-Verordnung – ist weniger oft viel mehr.

Da haben die beiden Ministerien einen guten Kompromiss gefunden: Nur diejenigen Straftaten dürfen an andere übermittelt werden, deren Übermittlung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit dringend geboten ist. Und: Nichtpolizeibehörden gelangen nur an die für sie dringend notwendigen Daten. – Das ist rechtssichere und verhältnismäßige Sicherheitspolitik.

Wir hätten uns hier als Fraktion aber auch mehr vorstellen können, und da ist der parlamentarische Prozess sicherlich nicht abgeschlossen beim Ausländerzentralregister und bei der Volltextspeicherung von Asylbescheiden und aufenthaltsrechtlichen Gerichtsentscheiden. Denn von diesen Personen geht grundsätzlich keine Gefahr aus, und eine allgemeine Speicherung birgt eben immer erhebliche Risiken. In dieser Analyse waren wir uns als Koalitionsfraktionen auch einig, und ich bin zuversichtlich, dass wir hier als Fraktionen im Haus uns das noch mal gründlich anschauen werden. Denn das ist es doch, was gute parlamentarische Arbeit ausmacht: gemeinsam Verbesserungsbedarf zu identifizieren und ihn gemeinsam anzugehen.

Uns liegt hier die Umsetzung einer EU-Verordnung vor, die die Zusammenarbeit in Europa verbessert. Das ist ein wichtiges Kernanliegen, gerade wenn es darum geht, schwerste Kriminalität zu bekämpfen, die vor Grenzen nicht haltmacht. Es ist aber wichtig, dass wir hier evaluieren und uns zur gegebenen Zeit noch einmal alles gut anschauen, gerade wenn es um solche hochsensiblen Daten geht.