Rede von Lukas Benner Zu Protokoll: Whistleblowerschutz

29.09.2022

Lukas Benner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hinweisgeberschutzgesetz: Im Gegensatz zu anderen Gesetzen, die wir hier beschließen, trägt dieses Gesetz einen Namen, der die Stoßrichtung sehr deutlich macht: Hinweisgeber schützen!

Der vorgelegte Entwurf stellt in seiner Problemdarstellung richtigerweise fest, wie wichtig die Zivilcourage von Hinweisgeberinnen und ‑gebern ist, wie unerlässlich ihre Beiträge zur Aufdeckung von Missständen und Unrecht sind und wie schützenswert daher ihre Belange sind. Diesen Feststellungen werden die darauf folgenden Regelungen aber nicht gerecht.

Beim Lesen des Entwurfes habe ich mich immer wieder gefragt: Was würde Brigitte Heinisch dazu sagen? – Die Berliner Whistleblowerin, die auf Missstände im Pflegeheim aufmerksam machte und danach gegen ihre Kündigung bis vor den Europäischen Gerichtshof zog, um Recht zu bekommen, würde nicht unter das Whistleblowerschutzgesetz fallen.

Die Polizistin, die mitbekommt, wie Kolleginnen und Kollegen in Chats rechtsextremes Gedankengut teilen, würde nicht unter dieses Gesetz fallen.

Der Mitarbeiter, der diskriminierendes und gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßendes Verhalten seines Arbeitgebers melden will, kann dies nicht unter dem Schutze dieses Gesetzes tun.

Und die Liste geht weiter. Der Anwendungsbereich dieses Entwurfs ist zu eng. Es bringt niemandem etwas, wenn Verhalten, das offensichtlich im öffentlichen Interesse liegt, nicht gemeldet werden kann, nur weil es nicht straf- oder bußgeldbewehrt ist.

Wenn man sich schon für einen selbst für Juristinnen und Juristen schwer zu durchdringenden Regelungskatalog entscheidet, sollte dieser wenigstens vollständig sein und Meldungen wie die eben genannten ermöglichen. Wir wollten doch Rechtssicherheit für Hinweisgeber/-innen! Ganz nebenbei kann es auch nicht im Interesse rechtstreuer Unternehmen sein, wenn verwerfliche Praktiken unentdeckt bleiben.

Wo wir beim nächsten Punkt wären. Ein guter und flächendeckender Hinweisgeberschutz muss anonyme Hinweise verfolgen. Die Nachbesserung im Gesetzentwurf, dass bei Bearbeitungskapazität nachrangig auch anonyme Hinweise verfolgt werden „sollten“, reicht nicht aus.

Gucken wir uns die größten deutschen Wirtschaftsskandale der nahen Vergangenheit an: Cum-ex oder Wirecard wurden durch anonyme Hinweise aufgedeckt. Für die allermeisten der potenziellen Hinweisgeber/-innen ist das eine Voraussetzung für eine Meldung.

Und noch aktueller: die Causa Schlesinger. Eine öffentliche Debatte entstand nur durch die Weitergabe interner Informationen von Mitarbeitenden. Eine zuvor aufgebaute Drohkulisse durch eine interne Nachricht des RBB-Chefredakteurs, der seine Mitarbeiter vor einer Weitergabe von Informationen an Journalisten warnte und mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohte, illustriert die unhaltbare Situation für hinweisgebende Personen in diesem Land.

Anonyme Hinweise nicht regulär zu ermöglichen und zu bearbeiten, steht nicht einmal im Einklang mit der Einheitlichkeit unserer Rechtsordnung. Dies ist eine rein politische Entscheidung und bedeutet in der Konsequenz weniger Hinweisgeberschutz. Denn bestehende externe Meldeverfahren in Deutschland ermöglichen die anonyme Meldung bereits, zum Beispiel bei der BaFin (§ 4d Absatz 1 Satz 2 FinDAG) oder bei der IHK gemäß der Gewerbeordnung (§ 34d Absatz 12 Satz 2 GewO).

So wie die Anonymität spielen auch potenzielle Schäden eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, den Mut zu fassen, eine Meldung zu tätigen. Wo findet sich in dem Entwurf etwas zu der vereinbarten Prüfung der Entschädigungsmöglichkeiten?

Wenn wir die Polizistinnen und Polizisten, die Pfleger/-innen und Mitarbeiter/-innen dieses Landes dazu motivieren wollen, Fehlverhalten ans Tageslicht zu bringen, dann müssen diese Voraussetzungen im Gesetz der Realität angemessen sein. Hier besteht Nachbesserungsbedarf. Ich freue mich auf die Verhandlungen.