Rede von Dr. Anna Lührmann Zukunft Europas

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27.01.2022

Dr. Anna Lührmann, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Demokratie ist diese Pandemie eine enorme Herausforderung. Das merken die Bürgerinnen und Bürger, das merken wir Abgeordnete im Parlamentsalltag. Umso bemerkenswerter ist es, dass Europa mitten in der Pandemie das größte Experiment aller Zeiten zur besseren Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger gestartet hat, die Zukunftskonferenz. Damit beweist die EU, dass die europäische Demokratie sehr wohl funktioniert und sehr wohl lebendig ist, dass sie mit immer neuen Ideen Bürgerinnen und Bürger besser beteiligen will. Die Zukunftskonferenz ist ein Booster für die europäische Demokratie.

(Lachen bei der AfD)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist doch wirklich ein Grund, stolz zu sein auf Europa und Vertrauen in die Demokratie zu haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Die EU hat erstmals alle Europäerinnen und Europäer um konkrete Ideen zur Zukunft Europas gebeten, zum Beispiel über eine Website in den europäischen und in den nationalen Bürgerdialogen im Rahmen der Zukunftskonferenz. Im Auswärtigen Amt haben wir kürzlich ein Nationales Bürgerforum mit über 100 gelosten Teilnehmerinnen und Teilnehmern organisiert. Ganz besonders beeindruckt hat mich der Enthusiasmus der Teilnehmenden; die Ideen sprudelten nur so.

Am letzten Wochenende haben wir in Straßburg – einige von Ihnen waren dabei – begonnen, uns in der Zukunftskonferenz mit den Vorschlägen auseinanderzusetzen. Das war insgesamt eine sehr konstruktive Debatte mit Politikerinnen und Politikern aus dem Europäischen Parlament, aus den nationalen Parlamenten und Regierungen. Aber es gab zwei Arten von Wortmeldungen, die mich sehr nachdenklich gemacht haben. Manche Rednerinnen und Redner waren extrem ablehnend gegenüber den Vorschlägen der Bürgerinnen und Bürger: Das geht so nicht. Das haben wir doch noch nie so gemacht. Die EU ist gut, so wie sie ist. – Andere haben versucht, die Bürgerinnen und Bürger zu vereinnahmen, entweder für ihre eigenen Zwecke oder indem sie einfach das Blaue vom Himmel versprochen haben. „Wir setzen das jetzt alles sofort um“, wurde da gesagt. Beides ist nicht die Antwort der Bundesregierung. Wir werden uns ernsthaft mit den Vorschlägen der Bürgerinnen und Bürger auseinandersetzen.

Es gibt Ideen, wo ich mich frage, warum wir das nicht schon längst so machen. Mit einem Onboarding-Paket soll jedem und jeder Informationen über europäische Werte zur Verfügung gestellt werden. Viele andere konkrete Ideen für mehr Beteiligung und für eine europäische Öffentlichkeit, ein EU-TV, wurden vorgelegt. Dann gibt es großartige Ideen, die aber sehr viel Geld kosten. Ich war ja schon einmal Mitglied im Haushaltsausschuss und weiß: Darüber werden wir sicherlich sehr genau reden müssen, und wir werden gemeinsam dafür kämpfen müssen, um so etwas im Haushalt unterzubringen, zum Beispiel EU-Förderungen für Schüleraustausche. Es gibt auch Vorschläge, die so ähnlich sind wie Vorhaben, die wir gerade in Brüssel oder auch hier im Bundestag sehr intensiv diskutieren. Dazu gehören zum Beispiel die Grenzabgabe beim Import klimaschädlicher Produkte, eine garantierte Lebensdauer und ein bestimmter Lebenszyklus von Produkten, Mindestlohn. Hier müssen die Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger wirklich konkret in den Prozess einfließen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zu einer ernsthaften Debatte gehört aber auch, klar zu sagen: Es gibt Vorschläge, die vermutlich schwer umzusetzen sein werden, zum Beispiel aus technischen Gründen. So ist das eben bei einem Brainstorming-Prozess. Es kommen viele Ideen dabei heraus; einige davon muss man aber wieder verwerfen. Bei anderen Vorschlägen kommt die EU an die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit, zum Beispiel wenn es darum geht, für ihre Werte nach innen, aber auch nach außen entschieden einzutreten. Deshalb lautet ein Vorschlag, die Regel der Einstimmigkeit zu überprüfen.

Solche Debatten müssen wir jetzt gemeinsam ambitioniert und entschlossen angehen; denn ein starkes Europa ist ein Europa, das die Empfehlungen seiner Bürgerinnen und Bürger wirklich ernst nimmt, das die Anregungen nicht in einer Schublade verschwinden lässt, sondern Wege findet, wie die besten unter diesen Realität werden können. Dabei setze ich auf Ihre Unterstützung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Nächster Redner ist der Kollege Gunther Krichbaum, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)