Katharina Beck MdB
21.09.2023

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Kurz vorab: Im Programm der AfD kommt das Wort „Start-up“ überhaupt nicht vor, und das Wort „Gründung“ kommt, wenn man ein bisschen nett ist und weitersucht, nur im landwirtschaftlichen Bereich einmal vor; sonst liegt der Fokus auf Familiengründung. Das ist zwar auch schön, habe ich selber auch gemacht, aber das geht an einer wachstums- und zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik natürlich knapp vorbei, wenn man Gründungen alleine darauf bezieht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte heute über das Zukunftsfinanzierungsgesetz sprechen. Ich sage danke, Herr Dr. Buschmann, dass Sie es eingebracht haben. Das ist wirklich mal ein tolles Gesetz – gute Besserung auch an Christian Lindner! – denn es geht hier wirklich um Zukunftsstärkung. Diesen Gesetzestitel könnte man womöglich noch schöner formulieren. Es geht insgesamt um einen besseren Start-up-Standort, Finanzstandort, aber auch um Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher und um Digitalisierung. Im Endeffekt führen wir damit den Finanzplatz Deutschland endlich ins 21. Jahrhundert, wo er hingehört, machen ihn zukunftsfähig und noch stärker.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Unter all den Veränderungen, die wir mit diesem Gesetz bewirken wollen, sticht für mich die Verbesserung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung heraus. Und da gibt es eine spannende Problematik, die heißt „dry income“. Das war ganz oft so eine Art Showstopper – wir sind ja hier im Start-up-Bereich; da kann man ein paar englische Begriffe verwenden –, wenn es darum geht, international und auch in Deutschland Talente zu gewinnen. Es ist einfach so: Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung ermöglicht es, zu dem normalen sozialversicherungspflichtigen Gehalt noch einmal etwas Attraktives obendrauf zu geben. Und jeder, der schon mal einen Developer gesucht hat, weiß, dass wir da wirklich in einem krassen Wettbewerb stehen und es wichtig ist, hier auch finanziell attraktive Konditionen zu schaffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte Sie einmal mitnehmen und ein Beispiel, eine kleine User Experience nennen; denn „dry income“ hört sich wirklich etwas komplex an: Nehmen wir einen Beschäftigten, der von seinem Start-up-Arbeitgeber Unternehmensanteile als Gehaltsergänzung bekommen hat. Diese haben im Moment der Übertragung nur einen fiktiven Wert; man bekommt also das Geld nicht überwiesen, da er oder sie weder an einem Kapitalmarkt verkaufen kann noch eine regelmäßige Dividende dafür bekommt. Für den Beschäftigten oder die Beschäftigte ergibt sich erst dann ein Wert, wenn das Start-up von einem Investor oder anderen Unternehmen gekauft wird, also zu dem sogenannten Exit Event, und die Anteile für reale Zahlungen abgegeben werden. Vorher entstehen keine Einkünfte.

Es gibt zwar im Steuerrecht auch schon jetzt die Regelung für Angestellte bei Start-ups, dass sie diese erhaltenen Anteile, welche als Lohnersatz dienen, erst zu einem späteren Zeitpunkt als Lohn versteuern müssen; aber diese Regelung hat heute noch viele Schwächen. Wechselt der Beschäftigte zum Beispiel vor diesem Exit Event das Unternehmen – hohe Fluktuation ist in der Start-up-Welt nicht ungewöhnlich und erzeugt ja auch eine gewisse Dynamik –, dann müssen bislang Steuern auf die Anteile gezahlt werden, also noch bevor man überhaupt Geld erhalten hat. Und es ist natürlich blöd – das kann sich jeder vorstellen –, wenn man Geld zahlen muss, bevor man es erhalten hat, vor allen Dingen, wenn man Steuern zahlen muss, bevor man überhaupt einen Cent gesehen hat. Wir geben den Start-ups nun das Instrument, das aufzulösen, und haben damit endlich diesen gordischen Knoten gelöst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Union, ich finde es sehr schade, dass das Thema so lange gebraucht hat. Aber ich freue mich sehr, dass diese Ampelregierung jetzt ein bisschen zukunftsfähiger ist und on top schon im letzten Jahr endlich auch noch eine tolle Start-up-Strategie vorgelegt hat. Wie wichtig dieser Schritt ist, zeigt ein Blick auf die Relevanz und Herausforderungen der deutschen Start-ups. In 2020 waren circa 415 000 Menschen bei Start-ups beschäftigt; viele davon kommen eben aus dem Ausland. Wir hoffen, dass bis 2030 – wir machen ja auch noch ein Wachstumschancengesetz – die Zahl der Beschäftigten auf knapp 1 Million ansteigt. Fast alle bestehenden Start-ups planen mit ganz vielen Neueinstellungen, aber brauchen ebendieses Instrument, damit sie diese Menschen auch attrahieren können, anziehen können. Das größte Thema – das wird nicht nur in allen Handwerksbetrieben, mit denen wir reden, nicht nur in der Pflege und in der Erziehung, sondern auch bei Start-ups immer betont – ist: Wir brauchen Fachkräfte. – Das erleichtern wir nun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Neben der Lösung der Dry-Income-Problematik gehen wir mit dem Gesetz noch andere wichtige Themen an. Wussten Sie, dass man Aktien bisher immer noch physisch als Papier besitzen musste? Mir war das gar nicht klar; aber es ist so. Wir digitalisieren das jetzt. Willkommen im 21. Jahrhundert! Wir stärken auch Sicherheit und Verbraucherschutz, indem wir unter anderem den Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden verbessern und, liebe Bürgerinnen und Bürger, eine kostenlose Vergleichswebsite für Kontoentgelte durch die Finanzaufsicht einführen. Da können Sie sich darauf verlassen, dass Sie transparente Informationen bekommen, müssen sich das nicht mehr selbst zusammensuchen und haben da eine Zeitersparnis und eine vertrauensvolle Datenbasis.

Dieses Gesetz ist ein Beispiel für positive, zukunftsorientierte Ampelpolitik, und ich freue mich total, dass wir das zusammen machen. Wir haben schon in diversen Berichterstattergesprächen über ein paar Verbesserungen, die wir natürlich im Parlament noch machen wollen, gesprochen.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ist ja interessant! Wird denn die Opposition in die Gespräche eingebunden?)

Aber ich wollte mich heute mal auf die positive Zukunftsgerichtetheit dieses Gesetzes der Ampelkoalition konzentrieren und freue mich auf die weiteren Beratungen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Janine Wissler.

(Beifall bei der LINKEN)