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Pflege braucht Substanz, kein Stückwerk
Die Bundesregierung hat im Kabinett das Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (vor der Namensänderung: Pflegekompetenzgesetz) und das Pflegefachassistenzgesetz beschlossen. Dazu erklärt Simone Fischer, Sprecherin für Pflegepolitik:
Was als Aufbruch verkauft wird, ist in Wahrheit ein Rückschritt in zentralen Punkten. Statt konsequenter Stärkung von Pflegekompetenz, Entlastung und Teilhabe erleben wir Streichungen, Kürzungen und verpasste Chancen. Es fehlt der Mut zur echten Veränderung. Auch in der Pflege zeigt sich: Diese Koalition bleibt eine Koalition des Rückschritts.
Wir Grüne begrüßen es ausdrücklich, wenn Pflegekräfte mehr Verantwortung übernehmen dürfen. Doch die Regierungskoalition hat den ursprünglichen Gesetzentwurf zur Pflegekompetenz massiv entkernt: Die gesetzliche Verankerung der Pflegebeauftragten fällt weg. Entlastungsleistungen im Alltag werden gestrichen oder zurückgefahren. Die Förderung ehrenamtlicher Strukturen wird zusammengestrichen, obwohl sie vielerorts unverzichtbar ist. Eigenständige heilkundliche Tätigkeiten sollen über Modellprojekte erprobt und nur über Delegation von Pflegekräften übernommen werden.
Wer Pflege zukunftsfest machen will, muss Verantwortung neu verteilen – auf Augenhöhe. Die Regierung dagegen verpasst ihre eigene Chance, Pflegefachpersonen wirklich den Rücken zu stärken, stattdessen bleibt Pflege ärztliche Assistenz.
Auch das Pflegefachassistenzgesetz bleibt hinter den Erwartungen zurück. Es fehlen verbindliche Standards für Ausbildung und Aufgabenprofile – das schafft Unsicherheit statt Verlässlichkeit. Ohne tarifliche Absicherung und klaren Qualifikationsrahmen droht eine neue Grauzone im System.
Mit unserem Antrag zu den Sofortmaßnahmen in der Pflege haben wir konkrete Vorschläge gemacht – von der Stabilisierung der Pflegeversicherung bis zur verbindlichen Einbindung von Betroffenenvertretungen in die Kommission zur Pflege. Im Haushalt ist dafür kein Platz vorgesehen.
Die Soziale Pflegeversicherung steht kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Gesundheitsministerin Warken hatte angekündigt, die Corona-Mehrkosten in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zu erstatten. Der Haushaltsentwurf sieht aber nur ein Darlehen von 500 Millionen Euro in 2025 und 1,5 Milliarden in 2026 vor – das ist keine Lösung, sondern eine Verschiebung des Problems.
Auch Bundesfamilienministerin Prien hat angekündigt, pflegende Angehörige besser zu unterstützen. Die Einführung einer Lohnersatzleistung wäre folgerichtig und dringend notwendig. Doch auch hier: Fehlanzeige – im Haushalt ist kein Geld vorgesehen. Offenbar finden beide Ministerinnen beim Finanzminister kein Gehör. Dabei braucht es mehr denn je politischen Willen, um pflegende Angehörige und Pflegekräfte spürbar zu entlasten – und die Pflegeversicherung zu stabilisieren.