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Fraktionssitzung der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen
Anlässlich der Fraktionssitzung der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen erklären die Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann:
Katharina Dröge:
Wir haben gerade eine Klausur unserer Bundestagsfraktion, auf der wir jetzt auch in die Arbeit starten wollen. Gestern hat die Grüne Bundestagsfraktion vollständig ihren Fraktionsvorstand gewählt. Wir freuen uns total, dass es ein starkes Team geworden ist aus Kolleginnen und Kollegen, die Sie schon aus der letzten Legislaturperiode kennen und viel Erfahrung mitbringen im parlamentarischen Arbeiten. Aber auch neue Kolleginnen verstärken unser Team, etwa Misbah Khan im Bereich der Gesellschaftspolitik, die Stellvertretende Fraktionsvorsitzende wird, aber auch Claudia Müller als Parlamentarische Geschäftsführerin, die insbesondere auch die Zuständigkeit für die Vernetzung der ostdeutschen Bundesländer im Fraktionsvorstand übernehmen wird. Omid Nouripour als Bundestagsvizepräsidenten haben wir schon vor einigen Wochen im Fraktionsvorstand neu begrüßt.
Damit starten wir jetzt in diese Legislaturperiode. Nächste Woche wird sich der Bundeskanzler, wenn er denn einlädt, einer Wahl im Deutschen Bundestag stellen. Und deswegen erwarten wir auch, dass wir von der künftigen Regierung jetzt eine Klarheit darüber kriegen, wie sie dieses Land regieren will. Wir haben als Grüne Bundestagsfraktion noch mit der letzten Entscheidung des alten Bundestages eine Grundlage gelegt für die künftige Koalition, dass sie erfolgreich arbeiten könnte, wenn sie wollte. Der finanzielle Spielraum ist da. Niemand kann von CDU/CSU und SPD behaupten, dass eine gute Politik für Deutschland am Geld scheitern würde. Es gibt ein großes Sondervermögen in Höhe von insgesamt 500 Milliarden Euro für Klimaschutz, Infrastruktur und die Bundesländer. Und es gibt die Ausnahme der Schuldenbremse für die Verteidigung. Das heißt, diese Koalition könnte das Richtige tun, wenn sie es wollte. Allein der Wille, daran haben wir Zweifel. Denn das, was wir in den letzten Tagen gesehen haben – der Koalitionsvertrag wird ja gerade noch abgestimmt, –, ist, dass der Text, der geschrieben ist, offensichtlich keine Einigung bedeutet zwischen CDU/CSU und SPD, weil an vielen Stellen über den Wortlaut dessen, was dort steht, schon wieder zwischen den Koalitionspartnern gestritten wird.
Beispielsweise die Schuldenbremse. Wir haben auch mit CDU/CSU und SPD gemeinsam verabredet, dass es eine Reform zur Schuldenbremse gibt, und nehmen wahr, dass Thorsten Frei für die CDU/CSU das schon wieder in Frage stellt. Deswegen die Frage an Lars Klingbeil: Herr Klingbeil, was haben Sie mit Herrn Frei eigentlich verabredet? Und wie gedenken Sie, diese Verabredung durchzusetzen?
Aber auch in anderen Fragen gibt es offensichtlich eine hohe Uneinigkeit zwischen CDU und SPD. Sei es bei der Frage, wie kommt man zu 15 Euro Mindestlohn, sei es bei der Frage, was meint man eigentlich wirklich bei der Reform des Bürgergeldes. Und der größte offene Streitpunkt ist ganz offensichtlich die Migrationspolitik. Die Worte des Koalitionsvertrages werden von Union und SPD bei der Frage, ob Herr Dobrindt in Zukunft an den deutschen Grenzen Zurückweisungen vornehmen soll oder nicht, komplett unterschiedlich interpretiert.
Wir können nur sagen als diejenigen, die ja auch Teil einer Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode waren und oft bedauert haben, dass diese Koalition aus SPD, FDP und Grünen so viel gestritten hat: Sie machen denselben Fehler, an dem die letzte Koalition gescheitert ist, wenn Sie sich nicht im Grundsatz von Anfang an auf zentrale Fragen verständigen. Dann fangen Sie da an, woran die letzte Koalition gescheitert ist. Wir wollen für dieses Land, dass die künftige Koalition eine vernünftige, funktionierende Regierung wird. Sie muss sich über zentrale Fragen klar sein, sonst wird das Ganze nicht funktionieren.
Britta Haßelmann:
Mit dem heutigen Tag schließen wir dann die Konstituierung der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen ab. Und wir sind damit mit Fraktionsvorstand und der Zuteilung der Funktionen und Aufgaben, der Arbeitsgruppensprecher*innen, der Obleute für die Ausschüsse voll arbeitsfähig. Wir sind bereit. Und es ist auch notwendig, dass jetzt wirklich konkrete Arbeit hier im Parlament geleistet wird.
Der Anspruch, den die CDU für sich formuliert, „Einfach mal machen!“, der entspricht nun wirklich nicht der Realität, die wir seit dem 23. Februar erleben. Die Koalition wirkt komplett unsortiert. Es gibt keine Einladung für die Wahl zum Kanzler. Es gibt noch keine Informationen darüber und auch keine Terminierung, wann denn Ausschüsse dieses Parlaments eingesetzt werden. Wahrscheinlich Mitte Mai, hört man jetzt, aber Genaues weiß man nicht. Da gehen Anspruch und Wirklichkeit komplett auseinander mit dieser ständigen Betonung, man müsse jetzt ins Machen kommen. Und gleichzeitig ist das, was wir vor der Sommerpause noch machen müssen, alles unsortiert und auch ohne Plan.
Niemand weiß, wann die Haushaltsplanberatungen abgeschlossen sein sollen. Wir hören, dass es Sitzungen bis in den Juli hineingeben soll, entgegen bisheriger Planungen der Bundestagsverwaltung, der Ministerien und auch der Fraktionen. Wir können nur an CDU/CSU und SPD appellieren, sich jetzt nicht länger mit sich selbst zu beschäftigen, sondern mit den konkreten Herausforderungen für unser Land, für die Bürgerinnen und Bürger.
Dazu gehört zuallererst die Umsetzung der beiden Sondervermögen: Investitionen in Infrastruktur, in unsere Sicherheit, Investitionen in unsere Bundeswehr, in die Friedenssicherung und auch in die Ertüchtigung der Nachrichtendienste sowie in den, Schutz vor Sabotageangriffen sind zwingend notwendig. Und bisher weiß niemand genau, wie das alles funktionieren soll. Es gibt nicht ansatzweise eine Überlegung gemeinsam mit den Ländern, wie die zur Verfügung stehenden Mittel auch für die Länder eingesetzt werden sollen und damit auch für die Kommunen.
Das alles wirkt unsortiert und ohne Plan. Wir hoffen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und des Landes, dass hier jetzt endlich Klarheit geschaffen wird. Die aktuelle Situation bestätigt unsere Vermutung, dass durch die 18 Kommissionen und Arbeitsgruppen, die die künftige Regierungskoalition in den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag eingesetzt hat, wirklich sehr viel Streit oder Vertagung von wichtigen Aufgaben anstehen. Also unser dringender Appell: Das Parlament ist in der Lage zu arbeiten. Die Ausschüsse müssen jetzt eingesetzt werden, damit wir im Parlament wirklich auch wichtige Entscheidungen treffen können, die anstehen. Das erwarten wir von CDU/CSU und SPD in den nächsten Tagen.