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Radikalisierungspotenziale erkennen und mit einem Miteinander begegnen
Zur heute vorgestellten Studie des Forschungsprojekts „Ressentiment als affektive Grundlage von Radikalisierung“ der Universität Münster erklärt Lamya Kaddor, Religionsbeauftragte:
In einer heute vorgestellten Studie stellt das Forschungsteam um Prof. Dr. Khorchide von der Universität Münster fest, dass ca. 20 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime Ressentiments entwickelt haben, die Radikalisierung in Kombination mit anderen Faktoren befördern können. Damit liegen Muslime unter den Zahlen zu Ressentiments in der Gesamtbevölkerung. So hatte etwa die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung im Jahr 2023 in der Gesamtbevölkerung verschwörungsgläubige (38 %), populistische (33 %) und völkisch-autoritär-rebellische (29 %) Positionen erkannt.
Dennoch gilt es, die Radikalisierungspotenziale, die sich auch jüngst im Verfassungsschutzbericht 2024 niederschlugen, ernst zu nehmen. Gerade der 7. Oktober und seine Folgen wirken als Brandbeschleuniger. Viele Muslime legen hierauf ein besonderes Augenmerk, vor allem auf die humanitäre Katastrophe in Gaza. Gerade deswegen gilt es, verstärkt eine Ansprache zu finden, Verständigung zu suchen und einer weiteren Polarisierung und Radikalisierung entgegenzuwirken.
Insbesondere die Radikalisierung junger Menschen ist besorgniserregend. Hier spielen die verschiedensten Faktoren zusammen: Die zunehmende Online-Radikalisierung, Einsamkeit und psychische Beeinträchtigungen nach Corona und im Konkreten bei vielen jungen Muslimen die Frage nach Identität und Dazugehören – all das kann Radikalisierung begünstigen. Außerdem gibt es eine Wechselwirkung zwischen Islamfeindlichkeit und Islamismus. Auch diese Zusammenhänge gilt es zu bedenken. Daher braucht es eine konsequentere Plattformregulierung und vor allem mehr Prävention und Deradikalisierungsarbeit.
Auch insgesamt sorgen wir für demokratische Resilienz und gesellschaftlichen Zusammenhalt, indem wir eine transparente religiöse Infrastruktur schaffen und das Gefühl des Dazugehörens stärken. Viele Muslime fühlen sich nach wie vor, zumindest religiös, nicht in Deutschland beheimatet. Es ist auch Aufgabe der Politik, dem mit pragmatischen Lösungen wie niedrigschwelligem Religionsunterricht in Schulen oder modernen Modellen für die rechtliche Anerkennung von Gemeinden entgegenzuwirken.
Der gesamtgesellschaftlichen Radikalisierung werden wir nicht durch ein Gegeneinander begegnen können. Wir müssen ein Miteinander schaffen. Ein funktionierender gesellschaftlicher Zusammenhalt über Herkunft, Hautfarbe und Religion hinweg führt zu Resilienz und Vertrauen.