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Veröffentlichung des Jahresberichts des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS)

Anlässlich der Veröffentlichung des Jahresberichts des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) erklären Lamya Kaddor, Beauftragte für Religionspolitik, und Marlene Schönberger, Zuständige für die Bekämpfung von Antisemitismus und die Förderung Jüdischen Lebens:  

Die antisemitische Mobilisierung eskaliert. Wir fordern die Bundesregierung auf, zu handeln und überzeugende Konzepte im Kampf gegen Antisemitismus vorzulegen. Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) verzeichnet in seinem heute veröffentlichten Jahresbericht durchschnittlich 24 antisemitische Vorfälle – pro Tag! Das entspricht einem Anstieg in Höhe von 77 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 

Wir erleben eine zunehmende Normalisierung antisemitischen Denkens und Handelns. Die Anschläge in den USA in Washington und Boulder zeigen das Gewaltpotential, das in jedem Antisemitismus steckt. Die Bundesregierung muss endlich verstehen, dass die Bekämpfung von Antisemitismus jetzt konkrete Taten erfordert – kernige Ansagen reichen nicht.  

Insbesondere seit dem terroristischen Anschlag der Hamas auf Israel, den Massakern an Zivilist*innen und der systematisch verübten sexualisierten Gewalt vom 7. Oktober 2023 erreichen antisemitische Radikalisierung und Agitation ein Rekordniveau. Verschiedenste Akteure im rechts- und linksextremen sowie im islamistischen Spektrum mobilisieren bis weit in die gesellschaftliche Mitte hinein, reaktivieren Antisemitismus und hetzen gegen Jüdinnen und Juden sowie jüdische Einrichtungen und Organisationen. Daraus entwickeln sich im Konkreten tätliche und verbale Angriffe im Netz und im öffentlichen Leben. 

Wir fordern eine langfristige Unterstützung für Beratungsstellen für Antisemitismusbetroffene sowie eine umfassende Bildungsoffensive. Es ist an der Zeit, die Arbeit gegen Antisemitismus von der Projektförderung auf sichere Beine zu stellen – etwa durch ein Demokratiefördergesetz. Dabei müssen wir auch gezielt diejenigen adressieren, deren Familien nach 1945 nach Deutschland eingewandert sind, und für unsere historische deutsche Verantwortung für jüdisches Leben sowie Empathie und Akzeptanz sensibilisieren. Ebenso muss es darum gehen, das Anwendungsdefizit in der Strafverfolgung endlich abzustellen. Denn um Antisemitismus konsequent zu verfolgen, mangelt es nicht an Gesetzen, sondern an Polizist*innen, Staatsanwaltschaften und Richter*innen, die Antisemitismus als solchen erkennen.

Darüber hinaus gilt es, die Bekämpfung des Antisemitismus und der Radikalisierung im digitalen Raum entschlossen anzugehen. Gerade dort bricht sich der Antisemitismus bis in die Mitte der Gesellschaft hinein Bahn und es findet mannigfaltige Radikalisierung und Mobilisierung statt. Es braucht hier eine konsequente Umsetzung des Digital Services Act (DSA) in nationales Recht und die Stärkung der zuständigen Aufsichtsbehörden.