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Ukraine, Nord Stream 2, AfD-Verbotsverfahren und Situation der Beschäftigen in Deutschland

Anlässlich der heutigen Fraktionssitzung der Grünen Bundestagsfraktion nachfolgend Statements der Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge zu den Themen Ukraine, Nord Stream 2, AfD-Verbotsverfahren und zur Situation der Beschäftigen in Deutschland.

Ukraine: 
Mein Blick geht als Erstes in die Ukraine, und auch nach einem erneuten Telefonat zwischen Donald Trump und Wladimir Putin ist klar: Putin spielt weiterhin auf Zeit, zieht die Verhandlungen in die Länge, pokert maximal und lässt sich eben nicht ein auf konkrete, verlässliche und verbindliche Verhandlungen, die echten Frieden in der Ukraine bringen. Deswegen ist es so wichtig, dass die Europäische Union klar, gemeinsam und geschlossen ist mit Blick darauf, dass Herr Selenskyj selbstverständlich recht hat, dass man keine Bedingungen akzeptieren kann, die Putin formuliert gegenüber ukrainischen Gebieten, dass es richtig ist, dass die Ukraine dort natürlich nicht ihre Soldaten abzieht. Das käme einer Kapitulation der Ukraine gleich und nicht einem Waffenstillstand, einem bedingungslosen Waffenstillstand, den tatsächlich die europäischen Regierungschefs an dieser Stelle gefordert haben. Als Friedrich Merz gemeinsam mit anderen europäischen Regierungschefs in die Ukraine gereist ist, war das ein wichtiges Signal der Unterstützung. Aber in der Umsetzung dessen, was er angekündigt hat, gibt es Fragezeichen. Friedrich Merz hat Herrn Putin ein Ultimatum gesetzt und mit Sanktionen gedroht, wenn dieses Ultimatum verstreicht. Dieses Ultimatum ist verstrichen. Und es wirkte dann einigermaßen unkoordiniert, dass am Ende nicht zeitnah gemeinsame Sanktionen folgten, sondern Herr Merz sich auf das Sanktionspaket von Ursula von der Leyen beziehen musste. Und auch hier gibt es ja weiterhin offene Fragen dahingehend, dass diese Sanktionen deutlicher, schärfer und weitreichender sein könnten, wenn die Europäische Union an dieser Stelle entschlossen ist. Ich erwarte von Friedrich Merz, dass er das in die europäischen Gespräche mit einbringt. Die Ukraine braucht die ganz klare Aussage Deutschlands, der Europäischen Union und auch der Vereinigten Staaten von Amerika, dass sie dauerhaft und verlässlich mit ausreichend Waffen unterstützt wird, damit es wirklich Frieden gibt in der Ukraine und nicht eine Situation, die von den Bedingungen Russlands diktiert wird. 

Deswegen gibt es weitere Fragen an Friedrich Merz zum Umgang der deutschen Bundesregierung mit Waffenlieferungen an die Ukraine. Die Union hat zu Recht immer wieder einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, wo sie den damaligen Kanzler Olaf Scholz aufgefordert hat, Taurus an die Ukraine zu liefern. Und seit er Kanzler ist, sagt Friedrich Merz plötzlich, er möchte die öffentliche Diskussion um Waffensysteme beenden. Den Punkt verstehe ich, aber man muss seine Aussagen auch als inhaltlichen Rückzug verstehen in der Frage, jetzt zeitnah die Ukraine mit Taurus zu unterstützen. Hier darf es aus meiner Sicht kein Wackeln des deutschen Bundeskanzlers geben. 

Nord Stream 2: 
Ein Wackeln des deutschen Bundeskanzlers darf es auch nicht im Umgang mit Nord Stream 2 geben. Wir wissen, immer dann, wenn Union und SPD miteinander regieren, meldet sich die alte Russland-Connection in beiden Fraktionen zu Wort. Wir haben das 2015 erlebt, als Union und SPD miteinander regiert haben, dass es auf einmal Puzzleteile gab, die aus unserer Sicht auch damals schon ein Gesamtbild ergeben haben: Wichtige Infrastruktur, Energieinfrastruktur von Deutschland wurde an Russland verkauft. Die Grünen haben damals gewarnt und gesagt: Das ist der Weg in eine zu hohe Abhängigkeit Deutschlands von russischer Energie. Als die Pipeline Nord Stream 2 geplant wurde, hat man uns damals gesagt, das ist ein rein wirtschaftliches Projekt, das hat keine sicherheitspolitische Dimension. Wir wissen, wie falsch diese Entscheidungen waren.Wir wissen, wie teuer diese Entscheidungen waren. Allein 200 Milliarden Euro musste die Bundesrepublik Deutschland für Sicherungsmaßnahmen im Rahmen der Energiekrise ausgeben. 

Und jetzt, wo Union und SPD wieder miteinander regieren, tauchen wieder Puzzleteile auf. Eine Energieministerin, Katharina Reiche, die in großem Umfang fossile Gaskraftwerke ausschreiben will und damit natürlich den Bedarf erhöht, Gas auch wieder nach Deutschland zu importieren. Eine Insolvenz von Nord Stream 2, die parallel zum Regierungswechsel abgewendet wurde, und erste Politiker in der Koalition, die wieder anfangen, darüber nachzudenken, ob man nicht doch mittelfristig auch mit Blick auf Energieimporte wieder wirtschaftliche Beziehungen zu Russland aufbauen sollte. Das wäre naiv. Das wäre gefährlich für die Sicherheit Europas. Und das wäre auch wirtschaftspolitisch verantwortungslos. Deswegen braucht es eine klare Aussage von Friedrich Merz, dass Nord Stream 2 als Projekt dauerhaft beendet wird, dass Deutschland dauerhaft nicht plant, Gas aus Russland zu importieren.Hier darf er sich keine Unklarheit erlauben. 

AfD-Verbotsverfahren:
Der Bundesinnenminister hat heute die Statistik über den hohen Anstieg politisch motivierter Straftaten vorgestellt. Insbesondere der starke Anstieg rechtsextremer Straftaten ist besorgniserregend. Die AfD trägt mit der Art und Weise, wie sie dieses Land spaltet, wie sie die gesellschaftlichen Debatten polarisiert, eine Verantwortung für die Vergiftung des politischen Klimas in diesem Land. Wir als Gesellschaft müssen darauf eine starke gemeinsame Antwort geben. Es ist richtig, wenn Alexander Dobrindt über eine Sicherheitsoffensive von Bund und Ländern nachdenkt. Aber polizeiliche Arbeit allein löst dieses Problem nicht, sondern es braucht  auch eine starke Zivilgesellschaft, die auf Prävention setzt, die auf Deradikalisierung setzt, die Demokratiearbeit macht. Deswegen fordere ich die Bundesregierung auf, ein Demokratiefördergesetz auf den Weg zu bringen, was wir Grünen schon in der letzten Legislaturperiode im Deutschen Bundestag beraten haben. Ein Demokratiefördergesetz, das Sicherheit, finanzielle Sicherheit für all diejenigen Menschen in diesem Land bieten würde, die sich in Vereinen, in der Zivilgesellschaft dafür engagieren, dass Demokratie als etwas Wertvolles angesehen wird, und die gegen Radikalisierung und gegen Rechtsextremismus arbeiten. Es sollte gar nicht erst zu diesen Straftaten kommen. Deswegen hat Alexander Dobrindt auf der Seite der Prävention und Deradikalisierung einen blinden Fleck.
Alexander Dobrindt hat sich auch zum Gutachten des Verfassungsschutzes geäußert und zu seiner Einschätzung dazu, dass es aktuell noch nicht ausreichen würde für ein Verbotsverfahren. Ich erwarte von Alexander Dobrindt, dass er seine Einschätzung den Abgeordneten des Deutschen Bundestages persönlich erklärt, dass er in den Innenausschuss kommt und sich den Fragen unserer Abgeordneten stellt. Und ich erwarte von der Union, dass sie das gesamte Thema nicht weiter bagatellisiert, nicht weiter versucht zu verschieben und auch die Unions--internen Konflikte nicht einfach mit einer Ansage von oben abmoderiert. Ich erwarte stattdessen von der Union, dass sie dieses Thema ernst nimmt, denn die AfD ist eine gefährliche Partei, eine Partei, die sich gegen unsere Demokratie richtet. Deswegen fordern wir den Innenminister dazu auf, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzusetzen, die Erkenntnisse zusammenträgt und gemeinsame Einschätzungen zur Gefährlichkeit der AfD und auch zu den Chancen eines AfD-Verbotsverfahrens zusammenträgt. Das wäre ein richtiger Schritt. 

Situation der Beschäftigen in Deutschland:
Wenn man die Aussagen verschiedener Kabinettsmitglieder der Bundesregierung in den letzten Tagen hört, hat man manchmal das Gefühl, da spricht eher ein Stuhlkreis der Jungen Union zur Kampagnenplanung gegen politische Gegner als eine Bundesregierung. Eine Wirtschaftsministerin, die von der Abschaffung eines Zwangs zu Wärmepumpen spricht, den es nie gab; eine Wissenschaftsministerin, die sich gegen einen Gender-Zwang richtet, den es nie gab. Und ein Bundeskanzler, der darüber philosophiert, dass wir angeblich eine zu junge, woke, arbeitsfaule Gesellschaft hätten. Wie weit weg von der Realität kann man sein? Und wie respektlos kann man über die Menschen im eigenen Land sprechen? 
Denn die Realität ist, dass die Anzahl an Beschäftigten in Deutschland gestiegen ist. Die Realität ist, dass es Millionen von Menschen in Deutschland gibt, die zwei Jobs machen müssen, um über die Runden zu kommen. Die Realität ist, dass zu viele Menschen von ihrem Vollzeitgehalt nicht leben können. Und die Realität in diesem Land ist, dass viel zu viele Eltern sich jeden Tag fragen: Wie soll ich eigentlich die Betreuung von Kindern mit einem Vollzeitjob vereinbaren, wenn die Schule ein verlässliches Betreuungssystem in den Nachmittag hinein nicht gewährleisten kann, wenn ständig Unterricht und Betreuung ausfällt, wenn es nicht ausreichend Kitas gibt und nicht ausreichend Plätze? Und wie sollen Frauen, insbesondere jene, die auch noch ihre Angehörigen pflegen, wie sollen sie ihre Arbeitsleistung erhöhen, wenn der Staat sie mit solchen wichtigen Fragen allein lässt? Das ist die Realität in diesem Land. Dafür bräuchten wir Antworten eines Bundeskanzlers, der sagt: Ich kümmere mich, ich helfe, ich sehe, wie viel ihr leistet, und der nicht von oben herab die Menschen in diesem Land schlechtredet.