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Verfehlte Mehrheit von Friedrich Merz
Friedrich Merz wurde im ersten Wahlgang nicht zum neuen Bundeskanzler gewählt. Dazu erklären die Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge:
Britta Haßelmann:
Das ist heute eine historische Situation. Friedrich Merz ist im ersten Wahlgang nicht zum Kanzler dieser Republik gewählt worden. Er ist im ersten Wahlgang durchgefallen. Das ist auch ein Signal dieser künftigen Regierungskoalition, dass es offensichtlich keine Mehrheit zu geben scheint. Lars Klingbeil und Friedrich Merz haben nicht die erforderliche Mehrheit erzielt, damit Friedrich Merz im ersten Wahlgang gewählt werden konnte. Das Ergebnis steht fest: Er ist durchgefallen.
Das bedeutet für den Ausblick auf die Regierungszeit dieser neuen Koalition nichts Gutes. Das Vertrauen in die gemeinsame Basis des Koalitionsvertrags, dass nun im ersten Schritt durch die geheime Wahl zum Kanzler bestätigt werden sollte, ist offenbar gefährdet. Das ist eine sehr ernstzunehmende Situation für das Parlament, aber nicht nur für das Parlament, sondern für unser Land. Verunsicherung, die Frage, wie geht es weiter mit der künftigen Regierung, das ist jetzt gerade die Ausgangssituation am Mittag der Wahl des Kanzlers.
Katharina Dröge:
Deutschland braucht eine stabile Regierung. Wir kommen aus sehr wechselhaften politischen Zeiten in den letzten Wochen und Monaten. Die Menschen in diesem Land erwarten zu Recht, dass eine künftige Koalition, die sich auf den Weg gemacht hat, dann auch eine Arbeitsgrundlage hat, die trägt. Auch in Europa und international braucht es eine stabile deutsche Bundesregierung. Wir haben einen Krieg auf dem europäischen Kontinent. Wir haben einen amerikanischen Präsidenten Donald Trump, der die internationale Ordnung infrage stellt. Und gerade jetzt bräuchte es eine starke deutsche Regierung, die mit einem klaren Mandat der Abgeordneten des Deutschen Bundestages ausgestattet ist, um ihre Arbeit aufzunehmen.
Wenn wir jetzt unter den demokratischen Fraktionen beraten – und wir als Bündnis 90/Die Grünen tun das, wir stellen uns der Verantwortung, jetzt mit den anderen demokratischen Fraktionen, auch mit CDU/CSU und SPD darüber zu beraten, wie wir auch schnellstmöglich zu einem zweiten Wahlgang im Deutschen Bundestag kommen –, dann übernehmen wir deshalb Verantwortung für die parlamentarischen Verfahren an dieser Stelle, weil Deutschland nicht noch mehr Unsicherheit gebrauchen kann. Auf der anderen Seite ist es allerdings die Aufgabe von Lars Klingbeil und Friedrich Merz, eine Mehrheit für ihre Koalition im Deutschen Bundestag zu organisieren. Wir sagen ganz klar, Bündnis 90/Die Grünen werden Friedrich Merz nicht wählen. Selbstverständlich werden wir einem Kanzler nicht unser Vertrauen aussprechen, von dem wir denken, dass er mit dem, was er jetzt in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren plant, in eine falsche Richtung für unser Land geht. Friedrich Merz und Lars Klingbeil werden selber eine Mehrheit für ihre Koalition organisieren müssen.
Deswegen geht es bei dieser Abstimmung heute im Deutschen Bundestag nicht nur darum, ob sie noch ausreichend Abgeordnete überzeugen können, für Friedrich Merz zu stimmen, sondern es geht jetzt darum, für diese künftige Koalition zu klären, ob sie eigentlich eine Arbeitsgrundlage hat. Was wir nicht erleben dürfen, ist, dass bei allen zukünftigen Entscheidungen im Deutschen Bundestag immer wieder ein Fragezeichen über dieser Koalition steht, immer wieder ein Ringen darum, ob eigentlich genug Abgeordnete dem Kurs von Friedrich Merz und Lars Klingbeil folgen. Das ist das Gegenteil von Stabilität. Das ist Unsicherheit und eine Zitterpartie, die dieses Land nicht gebrauchen kann. Und deswegen ist es so wichtig, dass am Anfang einer Regierungsbildung die Wahl eines Kanzlers steht, weil damit die Abgeordneten nicht nur dieser Person, sondern auch der gesamten Regierung ihr Vertrauen aussprechen und man damit im Parlament testet, dass diejenigen, die am Ende der Souverän in diesem Land sind, das auch tragen, was die Spitzen einer Koalition miteinander verabredet haben. Das heißt für uns, Bündnis 90/Die Grünen, wir werden Verantwortung übernehmen für parlamentarische Verfahren. Wir können Friedrich Merz und Lars Klingbeil nicht die Aufgabe abnehmen, eine stabile Mehrheit zu bekommen. Das ist deren Job.