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Die Bundesregierung muss weitere Eskalationen in Syrien verhindern
Zur aktuellen Lage in Syrien erklärt Luise Amtsberg, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss:
Nach tagelangen Kämpfen und weiter andauernden brutalen Angriffen auf die drusische Minderheit schwindet die Hoffnung auf Frieden in Syrien. Die Bundesregierung muss mehr Anstrengungen unternehmen, um weitere Eskalationen zu verhindern.
Al-Sharaa und seine Übergangsregierung werden sich an Taten und nicht an Worten messen lassen müssen. Mit Blick auf die Gewalt in as-Suweida bestehen berechtigte Zweifel daran, ob die Übergangsregierung willens und in der Lage ist, die Minderheiten im Land zu schützen. Verschärfend kommt hinzu, dass es nach wie vor keinen glaubhaften politischen Prozess gibt, der die legitimen Interessen aller Minderheiten sichert und die Gewaltspirale durchbricht. Auch jüngst verübte Gewalt, wie das Massaker an der alawitischen Minderheit im Westen Syriens rund um die Stadt Latakia im vergangenen März, bleiben unaufgearbeitet.
Gleichzeitig untergraben die anhaltenden israelischen Luftangriffe auf syrisches Territorium in eklatanter Weise die Souveränität Syriens. Sie leisten keinen Beitrag zum Schutz von Minderheiten, sondern verschärfen Instabilität und Fragmentierung im Land. Auch dies gefährdet die Perspektive auf langfristigen Frieden und Stabilität.
Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung jetzt den politischen Druck auf die syrische Übergangsregierung erhöht. Außenminister Wadephul hat zu seinem Amtsantritt betont, dass er einen Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Region legen will. Davon ist leider bisher nichts zu sehen. Es ist wichtig, dass jetzt alle Akteure vor Ort auf Deeskalation setzen.
Die Bundesregierung muss mit der syrischen Übergangsregierung ernsthafte Verhandlungen führen, die an klare Bedingungen gekoppelt sind. Sie muss darüber hinaus die syrische Exilgemeinschaft in Deutschland einbinden. Priorität hat der Schutz von Minderheiten und die Aufklärung der jüngsten und vergangenen Gräueltaten, damit Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden können. Aufarbeitung ist der erste Schritt zur Versöhnung und diese ist, um den Aufbau eines inklusiven Staatswesens zu ermöglichen.
Die humanitäre Lage in as-Suweida verschärft sich stündlich. Mittlerweile gibt es keinen Strom und kein Internet mehr und die Versorgung mit überlebenswichtigen Gütern ist erschwert. Außenminister Wadephul sollte zusätzlich mit seinen jordanischen Kollegen darüber verhandeln, wie eine humanitäre Versorgung über die jordanische Grenze nach as-Suweida möglich gemacht werden kann.
Neben all diesen Entwicklungen vor Ort zeigt sich erneut, wie absurd und fahrlässig jegliche Debatten über Rückführungen und Abschiebungen aus Deutschland nach Syrien sind. Solange eine sichere Zukunft in Syrien nicht möglich ist, verbieten sich Forderungen wie diese.