Hybrides Fachgespräch Flüsse schützen, Trinkwasserversorgung sichern – Für eine zeitgemäße Wasserpolitik in der Klimakrise
- Niedrigwasser, Hitzerekorde und Waldbrände. Die vergangenen Sommer haben gezeigt: Die Klimakrise ist längst Realität. Dabei stehen gerade unsere Wasserressourcen stark unter Druck.
- Sinkende Grundwasserspiegel werden zum Problem für die Landwirtschaft und unsere Trinkwasserversorgung. Niedrige Wasserpegel gefährden zahlreiche Industriezweige. Hinzu kommt die Belastung unseres Wassers mit Schadstoffen.
- Im Rahmen eines Fachgesprächs haben wir mit Expert*innen diskutiert wie den Herausforderungen der Wasserknappheit begegnet werden kann, welche Maßnahmen es zum Schutz unserer Wasserressourcen braucht und welche Rolle der natürliche Klimaschutz spielt.
Begrüßt wurden die anwesenden und digital zugeschalteten Teilnehmer*innen durch den Umweltpolitischen Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, Jan-Niclas Gesenhues MdB. Er betonte die Dringlichkeit des Themas, da es auch in diesem Sommer bereits Niedrigpegel in deutschen Gewässern gebe und erste Landkreise schon jetzt Maßnahmen zur Einschränkung der Wasserentnahme erlassen hätten. Deshalb sei es wichtig, dass die Politik und auch das Wasserrecht dringend an die neuen Realitäten angepasst werden. Das gelte auch für den Schadstoffeintrag, der die Wasserqualität zunehmend belaste. Mit der Nationalen Wasserstrategie und dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz habe die Bundesregierung bereits erste wichtige Schritte gemacht. Mit dem Klimaanpassungsgesetz und dem Natur-Flächen-Gesetz würden weitere folgen. Ziel müsse es sein ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, das den natürlichen Wasserhaushalt und die Ökosysteme mitdenkt und Natur- Umwelt- und Wasserschutz verbindet.
Die fachliche Einführung übernahm Dr. Lilian Busse, Vizepräsidentin des Umweltbundesamtes. Eindrücklich verdeutlichte sie die seit Jahren sinkenden Wasserpegel in Deutschland. Gleichzeitig beschrieb sie die steigende Wasserentnahme in bestimmten Bereichen (z.B. in der Landwirtschaft, der Industrie und in privaten Haushalten) und verwies auf zunehmende Wassernutzungskonflikte auch in Deutschland. Bei allen Herausforderungen in Bezug auf die vorhandene Wassermenge dürfe, so Dr. Busse, außerdem die Bedeutung der Wasserqualität nicht vergessen werden, um die Trinkwasserversorgung auf einem hohen Niveau zu halten und das Risiko von beispielsweise krankheitserregenden Keimen minimieren zu können. Frau Dr. Busse beließ es jedoch nicht bei der Problemanalyse, sondern stellte auch entsprechende Gegenmaßnahmen vor, um Wasser in der Landschaft zu halten. Darunter wichtige Vorhaben wie den Umbau unserer Städte und Landschaften in sogenannte „Schwammstädte“ / „Schwammlandschaften“, die Anpassung unserer Flussinfrastruktur durch die Wiederherstellung von Auen und den Wiederanschluss von Altarmen. Sie begrüßte ausdrücklich, dass die Bundesregierung diese und viele weitere Projekte im Rahmen der nationalen Wasserstrategie anpackt. Nun müsse man rasch mit der Umsetzung vorankommen.
Aufbauend auf diese politische Einführung führte Lukas Benner, MdB und stellvertretendes Mitglied im Verkehrsausschuss durch die Paneldiskussion mit den Expert*innen. Seine Moderation begann er mit einem Beispiel aus seiner Heimat, der Eifel. Dort kam es im Sommer 2021 infolge eines Starkregenereignisses zu einer Hochwasserkatastrophe, deren verheerendes Ausmaß auch auf Fehler in der Wasserpolitik zurückzuführen sei. Hier liege ein wichtiger Hebel für mehr Prävention. Als Berichterstatter für Binnenschifffahrt im Verkehrsausschuss zeigte er sich besonders besorgt über die Niedrigwasserperioden im Rhein sowie in vielen weiteren deutschen Flüssen, die ein grundlegendes Umdenken beim Wasserbau hin zu ökologischen und natürlichen Maßnahmen erfordern würden. Dies müsse mit technischen Anpassungen der Schiffe an die neuen, klimawandelbedingten Gegebenheiten im Fluss einhergehen. Es seien demnach gerade die Extreme - Dürren und Starkregenereignisse gleichermaßen - die ein Umdenken in der Politik und der Gesellschaft nötig machen und das große Potenzial der Natur und Landschaft als Natürliche Klimaschützer aufzeigen würden.
Dr. Sibylle Pawlowski, Abteilungsleiterin der Abteilung W (Wasserwirtschaft, Gewässer- und Bodenschutz, Meeresschutz) im Bundesumweltministerium unterstützte die Analysen von Frau Dr. Busse und unterstrich die Tatsache, dass der sinkende Wasserpegel bereits über mehrere Jahrzehnte zu beobachten seien. Seit 2018 habe allerdings noch einmal eine dramatische Beschleunigung stattgefunden, die auch Expert*innen in diesem Ausmaß unterschätzt hätten. Dass die Natur insgesamt zu wenig Wasser habe, sei in den letzten Jahren auch für Bürger*innen immer deutlicher geworden. Dies hätte erstens mit dem sichtbaren, schlechten Zustand unserer Wälder zu tun, zweitens würden langsam auch Verbote und die angesprochenen Wassernutzungskonflikte bei den privaten Haushalten ankommen und drittens sei auch das Thema Abwasser und die Trinkwasserqualität eines, das die Menschen direkt betreffe und die Wasserknappheit erfahrbar mache.
Zudem sei die Wasserwirtschaft über lange Zeit hauptsächlich auf die Nutzung des Menschen ausgerichtet worden, wodurch Fragen der Ökologie und des ökologischen Gleichgewichtes nicht den notwendigen Stellenwert erhalten hätten. Anstatt allerdings ein Gegeneinander von Ökologie und Wassernutzung aufzumachen, müsse es ein Miteinander geben. Dies sei auch notwendig für den Klimaschutz, denn eine Landschaft mit ökologischem Wasserhaushalt, so Dr. Pawlowski, könne auch das ausgestoßene CO2 deutlich besser binden. Die Vorstellung, dass das Wasser aus der Landschaft abgeführt werden müsse, sei schon lange veraltet und hätte in vielen Fällen zur Folge, dass das abgeführte Wasser, z.B. aus Feldern, über Beregnungsmaschinen wieder aufwendig zurückgeführt werden müsste.
Michael Wittemann, Stellvertretender Geschäftsführer und technischer Leiter des Wasserverbands Peine hat mit seinem Verband an der Nationalen Wasserstrategie mitgearbeitet und engagiert sich bei der Erstellung regionaler Wasserversorgungskonzepte. Er bekräftigte die Aussagen der Abgeordneten über die problematischen Extreme: Abnehmende Grundwasserstände und Probleme mit der Beregnung an Orten, die bisher keine Probleme hatten, ständen Starkregen- und Hochwasserereignisse gegenüber. Beides stelle die Wasserversorger vor neue Herausforderungen. Geld für die Umsetzung sei ein wichtiger Faktor insbesondere in den Kommunen, allerdings brauche man auch die entsprechenden Flächen, um z.B. Auen wiederherzustellen und als natürlichen Hochwasserschutz zu nutzen. Insgesamt müsse es eine Sensibilisierung der Bevölkerung und der Nutzer*innen geben. Dies sei, neben den Maßnahmen zur Wasserrückhaltung und einer Effizienzsteigerung beim Wasserverbrauch, eine wichtige Stellschraube.
Anschließend ging Diana Nenz, Referentin für Gewässerpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), auf die Bedeutung der Ökosystemleistung für die Wassersicherheit ein. Wassersicherheit bezieht sich dabei auf die Frage, ob überhaupt ausreichend Trinkwasser in guter Qualität in bestimmten Regionen vorhanden ist oder in der Zukunft vorhanden sein wird. Auch in Deutschland, wo lange Zeit die Überzeugung vorherrschte, dass hochwertiges Trinkwasser ausreichend zur Verfügung stehe, sei die Wassersicherheit zunehmend in Gefahr. Die Nationale Wasserstrategie biete hier allerdings gute Potenziale, um das Risiko von Wasserknappheit zu verringern. Dennoch verwies Frau Nenz auf die bislang zu schleppende Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL): Aktuell seien lediglich 8% unserer Flüsse in einem guten ökologischen Zustand.
Als wichtigen Faktor stellte Frau Nenz die Potenziale der Renaturierung in den Fokus. Die Wiedervernässung der Auen gehe insgesamt nur sehr langsam voran, dabei hätte diese Maßnahme große Auswirkungen für die Stabilisierung des Wasserhaushaltes. Auch die guten Ideen aus dem Bundesprogramm Blaues Band Deutschland müssten deutlich schneller umgesetzt werden – lediglich elf Projekte seien es aktuell. Sie unterstrich die Aussage von Frau Dr. Pawlowski, es mangele nicht an Erkenntnissen. Jetzt müsse man in die Planungs- und Umsetzungsphase kommen.
Abschließend, bevor die Themen noch vertieft mit dem Publikum diskutiert wurden, konnte Dr. Olaf Niepagenkemper vom Fischereiverband NRW noch einmal die bereits beschriebenen Folgen und notwendigen Maßnahmen bekräftigen. Als Gewässerökologe beschrieb er die Folgen der Veränderungen unserer Fließgewässer (Quantität und Qualität) für die Flusslebewesen – insbesondere für Fische. Als anschauliches Beispiel berichtete er, wie Fischgewässertypen und Ökosysteme durch ansteigende Wassertemperaturen durcheinander geraten. Was sich für Laien unwesentlich anhört, sei für Expert*innen auch deshalb ein Problem, weil sich dadurch die Bewertungskriterien der wichtigen WRRL ändern würde.
Auch er berichtete, dass Gewässerökolog*innen bereits lange wüssten, wo eigentlich Handlungsdruck herrscht und welche Maßnahmen umgesetzt werden müssten. Dies fordere auch die WRRL seit 20 Jahren – geschehen sei jedoch zu wenig. Warum noch immer nicht genug für die Natur gemacht werde, erklärte Herr Niepagenkemper auch mit fehlender Bildung an den Schulen und fehlender Sensibilisierung für diese Themen.
Nach anderthalb Stunden Fachveranstaltung und einer spannenden Diskussion mit Fragen aus dem analogen und digitalen Raum, konnte Jan-Niclas Gesenhues MdB die Veranstaltung zusammenfassen. Wichtige Anhaltspunkte für die nationale Wasserstrategie wurde ausgetauscht, er unterstrich die wissenschaftliche Erkenntnis, dass wir die ökologischen Grenzen des Wasserhaushaltes seit Jahren überschreiten und die Einigkeit unter den Anwesenden, dass hierauf politisch reagiert werden müsse. Er stellte das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) noch einmal heraus und betonte die neue ANK-Förderrichtlinie für Kommunen, auf die eine weitere Förderrichtlinie für die Landwirtschaft und Unternehmen folgen werde.
Abschließend betonte er die Notwendigkeit, Themen vernetzt zu denken, gemeinsam naturnahe Lösungen zu entwickeln und die Rolle der Biodiversität in den Böden und die Rolle der Natur für den Wasserhaushalt mitzudenken. Er rief alle Anwesenden dazu auf, die Fördermöglichkeiten auszunutzen und nahm auch die Politik in die Pflicht, das veraltete Wasserrecht zu modernisieren.
Uhrzeit | Programm |
16.00 | Begrüßung Dr. Jan-Niclas Gesenhues MdB |
16.10 | Politische Einführung Dr. Lilian Busse |
16.20 | Panel Dr. Sibylle Pawlowski Diana Nenz Michael Wittemann Dr. Olaf Niepagenkemper Moderation: |
17.00 | Diskussion mit Gästen, MdBs und Teilnehmer*innen Moderation: Lukas Benner MdB |
17.20 | Zusammenfassung und Ausblick Jan-Niclas Gesenhues MdB |
17.30 | Ende der Veranstaltung |