Hybride Veranstaltung Heute Abfall, morgen Baumaterial: Kreisläufe schließen!
- Remain & Reduce: Der Gebäudebestand ist ein Schlüssel zur Erreichung von Klima- und Ressourcenschutz. Er muss so lange wie möglich erhalten und bei Bedarf saniert oder umgebaut werden.
- Re-Use: Bei Abbruch gilt es, Bauprodukte selektiv rückzubauen, um sie in anderen Projekten wiederverwenden zu können. So schließen wir Kreisläufe.
- Die Kreislaufwirtschaft kann das Ungleichgewicht aus immensem Abfallaufkommen und Ressourcenverbrauch im Baubereich auflösen. Sie ist nebenbei essenziell für den Biodiversitätsschutz und hilft uns, unabhängiger von Rohstoffen aus autokratischen Regimen zu werden.
Gemeinsam mit vier Expert*innen und rund 200 Gäst*innen vor Ort und digital haben sich Kassem Taher Saleh und Dr. Jan-Niclas Gesenhues der Frage gewidmet, wie Kreislaufwirtschaft vom Gebäudebestand ausgehend zu denken ist. Wie können all die bereits verbauten Materialien in Kreisläufen geführt werden?
Da es in der Diskussion um Kreislaufwirtschaft im Baubereich oft darum geht, was alles nicht funktioniert, begann die Veranstaltung mit zwei positiven Praxisbeispielen.
Rückbau, Vermittlung und Wiederaufbau
Anne-Sophie Müller hat als Mitgründerin des Leipziger Start-up Trash Galore von ihrer täglichen Arbeit berichtet. Trash Galore baut in der Kulturbranche Material zurück und vermittelt dieses direkt an gemeinnützige Initiativen. Außerdem haben sie einen Second-Hand Baumarkt eröffnet, das Materialbuffet. Die Circular Rate aus 2023 von nur 7,3 Prozent zeigt, wie weit der Weg noch ist. Dieses Projekt soll andere ermutigen, Kreisläufe in ihrer Branche zu schließen.
Mikala Holme Samsøe zeigt als Architektin Beispiele für gelungene Projekte der Wieder- und Weiterverwendung. So konnten beim Rückbau der alten Stadtbücherei in Augsburg beispielsweise alle Toiletten demontiert und in anderen Projekten wieder eingebaut werden. Außerdem wurden Fassadenelemente aus gebrauchten Rolltreppen oder alten Ziegelpaneelen hergestellt. Diese Projekte tragen dazu bei, das Bewusstsein der Menschen zu verändern und gebrauchte Bauteile aus ihrem negativen Image zu befreien. Samsøe ist aber sicher, dass Wiederverwendung alleine Klima- und Ressourcenkrise nicht lösen wird. Dazu brauche es Suffizienz. Das meint in erster Linie den Bestandserhalt und die Vermeidung von Abbruch.
Remain, reduce und re-use
Daran schloss sich Eike Roswag-Klinge, Leiter des ZRS Architekten Ingenieure Berlin und des Natural Building Lab an der TU Berlin, mit seinem Statement zum Start der folgenden Diskussion an. Das erste Ziel müsse "Reduce" lauten. Dazu gehört weniger Neubau, weniger pro Kopf Wohnfläche und weniger Abriss. Erst dann folge die Wiederverwendung. Dafür biete das anthropogene Materiallager von rund 53 Milliarden Tonnen Material eine riesige urbane Miene. In der politischen Debatte seien Rohstoffe bisher vernachlässigt worden, der Blick wurde zu stark auf die Energieeffizienz gelegt.
Einen Kulturwandel im Bausektor forderte Stephan Bartke, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Umweltbundesamt. Er stellte die Studie “Umwelt und Klima schützen – Wohnraum schaffen – Lebensqualität verbessern“ vor. Als eine der Forderungen aus der Studie benannte er die Schaffung bundesweiter Rückgabemöglichkeiten. Eine weitere Stellschraube sei die Vergabe der öffentlichen Hand, in der künftig andere Kriterien zur Vergabe gelten müssten.
Schluss mit dem Abfall-Begriff
Die anschließende Diskussion beschäftigte sich mit dem Abfallbegriff. Die Kreislaufwirtschaft müsse in den Köpfen raus aus der „Abfall-Ecke“. Auch rechtlich brauche es dazu Regelungen. Abfall dürfe kein identitätsloses Material mehr sein, den Materialien müsse eine Identität gegeben werden. Dazu bieten digitale Materialkataster eine gute Möglichkeit, die gleichzeitig Grundlage für die zukünftige Kreislaufwirtschaft im Bauen sind.
Zum Abschluss wurde das Publikum gebeten, seine Wünsche für die Politik auf dem Weg zu einer echten Kreislaufwirtschaft im Bauen zu äußern. Die meistgenannten Wünsche waren die Einführung verbindlicher Abrissgenehmigungen, die Förderung kreislaufgerechten Produktdesigns und die Änderung der Kriterien bei Beschaffung und Vergabe. Die über 70 verschiedenen Rückmeldungen zeigen deutlich, dass noch viel Arbeit vor uns liegt.
Uhrzeit | Programm |
18.00 | Begrüßung und politische Einführung Kassem Taher Saleh MdB und Dr. Jan-Niclas Gesenhues MdB Grußwort Katharina Dröge MdB Kurzinput Anne-Sophie Müller Prof. Mikala Holme Samsøe Diskussionsrunde Dr. Stephan Bartke Prof. Eike Roswag-Klinge |
19.30 | Ende der Veranstaltung |
Anreise
Mit der S-Bahn bis zur Haltestelle „Brandenburger Tor“ oder mit dem Bus 100 bis zur Haltestelle „Reichstag/Bundestag“ oder mit dem Bus TXL bis Haltestelle „Marschallbrücke“. Über den Eingang Dorotheenstr. 100 gelangen Sie zum Veranstaltungsort.