Hybride Konferenz Shifting the Trillions – Finanzierung der Zukunftswirtschaft
Die Wirtschaft der Zukunft ist klimapositiv und prosperiert innerhalb der planetaren Grenzen. Wir haben die Chance, beim bereits stattfindenden Wandel vorne mit dabei zu sein – und damit unseren künftigen Wohlstand zu sichern. Das erfordert umfassende Investitionen, die für das Industrieland Deutschland riesige Geschäftschancen bieten. Denn die Investitionen von heute bilden die Grundlage für die Erträge von morgen.
Welche Rahmenbedingungen können dem Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen in die Transformation zum Durchbruch verhelfen? Wie können wir Investitionen in CO2-neutrale Produktionsverfahren fördern und anreizen? Wie nehmen wir die besonderen Belange kleiner und mittlerer Unternehmen in den Blick?
Diese und viele weitere Fragen haben wir auf der Grünen Konferenz „Shifting the Trillions – Finanzierung der Zukunftswirtschaft“ am 22. November 2023 mit ca. 600 Teilnehmer*innen diskutiert.
Brücken bauen und Veränderung positiv gestalten
Zum Auftakt begrüßte unsere finanzpolitische Sprecherin Katharina Beck als Moderatorin den vollen Saal im Paul-Löbe-Haus und die digital zugeschalteten Teilnehmer*innen. Dass Investitionen in fossile Energien wie Öl und Gas auch im siebten Jahr nach Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens weiter wachsen, verdeutlicht, welche Herausforderungen bei der Verschiebung privaten Kapitals in eine zukunftsfähige Wirtschaft noch vor uns liegen.
An jede/n einzelne/n der etwa 600 Teilnehmer*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft appellierte sie, ihr Potenzial zu nutzen, um Brücken zu bauen, Bündnisse zu schmieden und Veränderung gemeinsam positiv zu gestalten. Damit legte Beck den Grundstein für den engagierten und konstruktiven Austausch im weiteren Verlauf der Konferenz.
Verlässlichkeit und Planbarkeit im Wandel gewährleisten
In der anschließenden Eröffnungsrede erinnerte unsere Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge daran, wie viele Unternehmen sich bereits auf den Weg in die Zukunftswirtschaft gemacht haben. Ebenso erwähnte sie, dass Deutschland nach China der zweitgrößte Exporteur von Umwelt- und Klimaschutzgütern weltweit ist. Es ist allerdings nicht die Zeit, sich auf dem Erreichten auszuruhen: Weltregionen wie China und die USA haben mit massiven Förderungen von Technologien zur Dekarbonisierung ihrer Wirtschaft den globalen Wettbewerb um die Märkte der Zukunft eröffnet.
Sicherheit, so der Appell von Katharina Dröge an die Unternehmen, kann es nur geben, wenn wir bereit sind uns zu verändern und jetzt in die Zukunft zu investieren. Wir sind entschlossen, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen und den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfähig aufzustellen. Verlässlichkeit und Planbarkeit im Wandel zu gewährleisten ist dabei zentral.
Planetare Grenzen mit einem Preisschild versehen
In einem Keynote-Interview mit der Moderatorin Katharina Beck zeichnete Prof. Dr. Johan Rockström, Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung und Erfinder des Konzepts der ökologischen Belastbarkeitsgrenzen, ein aufrüttelndes Bild vom Zustand unseres Planeten: In sechs von neun für das Ökosystem zentralen und eng miteinander vernetzten Bereichen hat die Menschheit den sicheren Handlungsraum verlassen. Das 1,5-Grad-Ziel droht bereits zwischen 2030 und 2035 zu scheitern. Auch beim Rückgang der biologischen Artenvielfalt haben wir die Grenzen bereits bedrohlich ausgereizt. So besteht die Gefahr unumkehrbarer Schäden an der Umwelt und somit an den Lebensgrundlagen der Menschen.
Die ökonomischen Kosten eines Klima- und Umweltkollapses würden nach Ansicht des renommierten Klimaforschers Rockström Modelle sprengen und sind letztlich unbezifferbar. Anders verhielte es sich mit den planetaren Grenzen, die in Form verbleibender Budgets in unsere ökonomischen Modelle integriert und mit einem Preisschild versehen werden sollten – und das nicht nur für CO2, sondern beispielsweise auch für Phosphor oder die Landnutzung. Damit ließe sich Kapital in die richtige Richtung bewegen.
Mutig in Deutschlands Zukunft investieren
Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Dr. Robert Habeck, hob in seiner digitalen Keynote hervor, dass im privaten Kapital ein entscheidender Hebel liegt. Er stellte klar: Das Klima braucht keinen Schutz. Es geht um den Schutz von Menschenleben, Freiheit und Wohlstand. Viele Banken und Vermögensverwalter haben das erkannt. Sie sind sich der Risiken des Klimawandels bewusst und wissen, dass nachhaltige Investitionen nötig sind. Gleichwohl lockt noch immer die kurzfristige Rendite fossiler Investments.
Aufgabe der Politik ist es, Investitionen in Zukunftstechnologien, die sich erst über Jahrzehnte wirtschaftlich lohnen, staatlich zu unterstützen und damit privates Geld anzureizen. Habecks Appell: In dieser dynamischen Zeit müssen wir mutiger werden. Denn zukünftige Wohlstandsgewinne beruhen darauf, jetzt in den Standort Deutschland zu investieren.
Nachhaltigkeitswende in der Finanzierung
In der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Brigitte Knopf, Generalsekretärin des Klimaforschungsinstitut MCC und stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen, und Jörg Eigendorf, Chief Sustainability Officer der Deutschen Bank über die Hürden und Rahmenbedingungen für eine Nachhaltigkeitswende in der Finanzierung.
Dr. Knopf startete in die Diskussion mit einer positiven Nachricht: In der Theorie ist es noch möglich das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Die Pfade dafür sind bekannt und auch die Technologien stehen bereit. So sind zum Beispiel die Kosten der Solarenergie in den letzten Jahren um 90 Prozent gesunken. Nun fehlt es vor allem am richtigen ökonomischen Rahmen, um die Transformation schnell und konsequent umzusetzen. Neben einem angemessenen CO2-Preis und dem Abbau umweltschädlicher Subventionen sind für sie eine sozial-ökologische Steuerreform und bessere und zukunftsgerichtete Indikatoren zur Erfolgsmessung von Unternehmen zentral. Außerdem mahnte sie an, die soziale Dimension nicht aus dem Blick zu verlieren: Den Menschen müsste klar sein, was sie vom Klimaschutz haben.
Rahmen europäisch setzen und Kapitalmarkt vertiefen
Jörg Eigendorf pflichtete Dr. Knopf bei, dass der CO2-Preis einen entscheidenden Faktor darstellt, um Banken zum Umsteuern zu bewegen. Noch beobachtet er zu oft, wie die Transformation angesichts immer neuer, akuter Krisen nach hinten verschoben wird. Dabei gibt ihm Zuversicht, wie viel Wissen, Expertise und Lösungskompetenz in den vergangenen Jahren in Sachen Transformation entstanden ist.
Wichtig war ihm, zu betonen, dass es gemeinsame europäische Vorgaben braucht, damit die Reduktion der Emissionen im Gleichschritt erfolgt. Auch im nach wie vor fragmentierten europäischen Kapitalmarkt sieht er eine Hürde, die gerade globale Investor*innen davon abhält, im großen Stil in die Transformationsfinanzierung in Europa einzusteigen.
Kleine und mittelständische Unternehmen unterstützen
Michael Kellner führte aus, welche Maßnahmen das Wirtschaftsministerium auf den Weg gebracht hat, um den richtigen Rahmen für private Investitionen in die Zukunftswirtschaft zu setzen. Neben dem beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien und der Wasserstoffinfrastruktur wurden wichtige Fortschritte bei der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren erzielt. Außerdem wird mit Hochdruck daran gearbeitet, den Fach- und Arbeitskräftemangel anzugehen.
Kleine und mittelständische Unternehmen brauchen zudem gezielte Unterstützung bei der Transformationsfinanzierung. Vor allem bei eigenkapitalähnlichen Instrumenten sieht er eine Lücke und betont, wie wichtig nachhaltiges Leasing für den Mittelstand ist.
Negative Narrative überwinden
Nach der Pause ging es mit einer Keynote der beiden Geschäftsführenden des Green and Sustainable Finance Clusters weiter. Kristina Jeromin machte in ihrer Rede klar, welche falschen Narrativen wir überwinden müssen, um bei der Transformation voranzukommen. Nur eine Wirtschaft, die sozial-ökologisch ausgerichtet ist, wird auch ökonomisch erfolgreich sein. Wir müssen uns der Komplexität der Realität stellen, Regulierung nicht als Feind verstehen und uns nicht vom Schuldennarrativ ausbremsen lassen, denn die Transformation ist alternativlos und günstiger wird sie nicht.
Langfristige Ziele stärker in den Blick nehmen
Michael Schmidt erklärte, warum es sich aus Sicht eines ideologiefreien, rationalen Investors lohnt, auf das Thema Nachhaltigkeit zu setzen: Der Klimawandel stellt einen wesentlichen Faktor in dem uns bevorstehenden Strukturwandel dar. Das als Investor zu missachten, wäre ein Riesenfehler. Deswegen müssen langfristige Ziele wie CO2-Reduktionspfade und Science-based-targets stärker in den Blick genommen werden.
Sozial, ökologisch, digital und resilient
Den Abschluss der Konferenz bildete eine Rede der Parlamentarischen Staatssekretärin im BMWK, Dr. Franziska Brantner. Sie legte ihre Vision einer europäischen Zukunftswirtschaft dar: sozial, ökologisch, digital und resilient. Um privates Kapital dafür zu mobilisieren, sieht sie den Staat in der Verantwortung, unbekannte Risiken abzusichern, beispielsweise beim Hochlauf von Wasserstoff. Außerdem muss der Staat in Zeiten knapper Haushalte jeden Euro so einzusetzen, dass er idealerweise mehrere Ziele gleichzeitig erfüllt.
It’s no time to be lazy! – mit diesem Aufruf schloss Franziska Brantner die Konferenz. In diesem Sinne: Lasst/en Sie uns die Zukunftswirtschaft gemeinsam gestalten!
Aufzeichnung der Veranstaltung
Uhrzeit | Programm |
13.00 | Einlass und Anmeldung |
13.30 | Begrüßung Katharina Beck MdB |
13.35 | Eröffnungsrede Katharina Dröge MdB |
13.45 | Keynote Interview "Planetary boundaries - a safe operating space for business and humanity" Prof. Dr. Johan Rockström |
14.00 | Digitale Keynote Politik "Unseren Wohlstand klimapositiv erneuern" Dr. Robert Habeck MdB |
14.15 | Podiumsdiskussion "Von fossiler zu zukunftsfähiger Rendite - wie schaffen wir eine echte Nachhaltigkeitswende in der Finanzierung?" Michael Kellner MdB Dr. Brigitte Knopf Jörg Eigendorf Moderation: Katharina Beck MdB |
15.00 | Pause mit Kaffee und Kuchen |
15.30 | Keynote Wirtschaft "Die Transformation gemeinsam gestalten" Kristina Jeromin und Michael Schmidt |
16.00 | Parallele Foren mit MdBs von Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion und geladenen Expert*innen. Forum 1: "Staat und Markt: auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort" mit Felix Banaszak MdB I Dr. Sandra Detzer MdB I Carolin Boßmeyer, Head of Liaison Office Berlin, Heidelberg Materials I Prof. Dr. Karsten Neuhoff PhD, Abteilungsleiter Klimapolitik am DIW I Lars Baumgürtel, CEO, ZINQ Group
Forum 2: "Von fossilen Subventionen zu grünen Investitionen - Wie schaffen wir ein nachhaltiges Steuersystem?" Zwischen umwelt- und klimaschädlichen Subventionen und Investitionsanreizen für Klimaschutztechnologien – unser Steuer- und Fördersystem steckt voller Widersprüche. Wie gestalten wir den Weg zu einer sozial-ökologischen Steuerpolitik? Wie richten wir fiskalische Instrumente und Anreize zielgerichteter an den Klimaschutzzielen aus? Die Verteilungswirkung der ökologischen Transformation bleibt dabei die Achillesferse der Klimapolitik. Diese Fragen sowie weitere Thesen und Erfahrungen diskutieren wir gemeinsam mit Panelist:innen aus Forschung, NGO und Wirtschaft. mit Bruno Hönel MdB I Sascha Müller MdB und Holger Bär, Wissenschaftlicher Referent, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft I Daniela Jansen, Politische Sekretärin Vorstand, IG Metall I Bastian Neuwirth, Klima- und Energieexperte, Greenpeace I Aysel Osmanoglu, Vorständin und Vorstandssprecherin, GLS Bank
Forum 3: "Update der unternehmerischen Erfolgsmessung: Vom Reporting zur Sozial-Ökologischen Bilanzierung" mit Rasmus Andresen MdEP (digital) I Katharina Beck MdB und Vanessa Bolmer, Senior Policy Advisor Sustainable Finance, WWF Deutschland I Kristina Jeromin, Geschäftsführerin, Green and Sustainable Finance Cluster Germany I Dr. Katharina Reuter, CEO, Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft I Silke Stremlau, Vorsitzende, Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung
Forum 4: "Der Staat als Investor - wie werden Finanzanlagen wirklich nachhaltig?" Der Finanzmarkt hat bei der ökologischen Transformation eine Schlüsselrolle. Als Investor kommt dem Staat eine Vorbildfunktion zu. Deshalb sollten staatliche Kapitalanlagen grundsätzlich an Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet werden. Baden-Württemberg hat mit einem Gesetz für nachhaltige Finanzanlagen die UN-Nachhaltigkeitsziele, die EU-Taxonomie und das 1,5-Grad-Ziel zur Grundlage für seine Anlageentscheidungen gemacht. Kann dies auch als Vorbild für die Anlagen des Bundes dienen? Welche Gestaltungsoptionen gibt es, um Nachhaltigkeit als grundlegendes Anlagekriterium zu etablieren? mit Dr. Sebastian Schäfer MdB und Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance, WWF Deutschland I Claudia Kruse, Managing Director Global Responsible Investment & Governance, APG Asset Management I Gisela Splett, Staatssekretärin, Finanzministerium Baden-Württemberg (digital)
Forum 5: "Hebel der Transformation - Nachhaltige Beschaffung und klimafreundliche Exportförderung" entfällt aus organisatorischen Gründen Forum 6: "Mittelstand auf Zukunftskurs - Finanzierung der Transformation" mit Melis Sekmen MdB I Sandra Schneeloch, Sprecherin der BAG Wirtschaft & Finanzen von Bündnis 90/Die Grünen und Kerstin Hochmüller, Marantec Company Group GmbH & Co. KG. / Initiative "New Mittelstand" I Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor IW Köln I Daniel Rode, Direktor Mittelstandsbank, KfW
Forum 7: "Klima- und energiepolitische Leitplanken als Treiber der Transformation" mit Lisa Badum MdB und Dr. Susanne Dröge, Leiterin Abteilung Klimaschutz und Energie, Umweltbundesamt |
17.30 | Pause |
17.45 | Schlaglichter aus den Foren |
18.45 | Abschluss und Ausblick: Europäische Zukunftswirtschaft - nachhaltig und souverän Dr. Franziska Brantner MdB |
19.00 | Ausklang bei Getränken und Snacks |
20.30 | Ende der Veranstaltung |
Anreise
Zum Paul-Löbe-Haus gelangen Sie mit der U-Bahn bis Haltestelle „Bundestag" oder der U- oder S-Bahn bis Haltestelle „Hauptbahnhof“ oder „Brandenburger Tor“ oder mit dem Bus 100 bis zur Haltestelle „Reichstag/Bundestag“. Über den Eingang West, Konrad-Adenauer-Str. 1 gelangen Sie zum Veranstaltungsort. Um in das Paul-Löbe-Haus zu gelangen, benötigen Sie ein amtliches Personaldokument. Eine namentliche Anmeldung mit Angabe des Geburtsdatums ist im Vorfeld erforderlich.