04 Mai 2023

Fachgespräch Vereinbarkeit von Pflege und Beruf

Eine Gruppe von Menschen sitzt an einem großen runden Tisch.
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Wieland
  • Die meisten Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt, von Angehörigen und Nahestehenden.
  • Diese sind oft zugleich Fachkräfte in Unternehmen und brauchen Möglichkeiten einer guten Vereinbarkeit.
  • Der demografische Wandel und der Bedarf an Fachkräften – beides müssen wir deshalb zur Bewältigung von Pflegebedürftigkeit besser zusammendenken.

Wir leben in einer älter werdenden Gesellschaft. Immer öfter wird es vorkommen, dass Arbeitnehmer*innen sich plötzlich um Angehörige kümmern müssen, weil diese pflegebedürftig werden. Das ist ein Einschnitt im Leben der betroffenen Menschen. Damit stehen auch die Betriebe zunehmend vor der Herausforderung, mit solchen Situationen umzugehen.

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es für sie entscheidend, Mitarbeiter*innen auch durch gute Vereinbarkeitsregelungen im Job zu halten. Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wird somit zu einem immer wichtigeren Faktor für Unternehmen und letztlich für die ganze Wirtschaft, um das vorhandene Arbeitskräftepotenzial auszuschöpfen.

Wir Grüne im Bundestag setzen uns seit Langem für Verbesserungen bei Vereinbarkeit und Zeitpolitik ein und konnten das auch in den Koalitionsvertrag einbringen, betonte die Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann in ihrem Grußwort.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch ging als Moderator der Frage nach, was passieren müsste, um vom Status Quo weg und hin zu Verbesserungen zu kommen. Dr. Natalie Lotzmann von SAP SE berichtete zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf aus Sicht eines großen Unternehmens. Verlassen Mitarbeiter*innen das Unternehmen, entstehen hohe Kosten - das Thema Pflege werde bei SAP daher aus der Tabuzone geholt und für Mitarbeitende in einer offenen Kommunikationskultur gelebt. Sie forderte die Politik auf, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.

Dr. Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin stellte anhand der Datenlage dar, dass die Bedeutung der informellen Pflege steigen wird, um den zunehmenden Pflegebedarf zu decken und dass die informell Pflegenden zunehmend erwerbstätig sind. Er adressierte zugleich auch bestehende Datenlücken in der Forschung, die es in den regelmäßigen Surveys noch zu schließen gelte.

Dr. Sigrun Fuchs, Vorstandsmitglied von „wir pflegen e.V.“, einer Interessenvertretung pflegender Angehöriger, betonte, dass es wichtig sei, mit den pflegenden Angehörigen zu sprechen, oft werde nur über Pflegende Angehörige gesprochen. Pflegende Angehörige wollen überwiegend erwerbstätig sein, sowohl aus finanziellen als auch aus sozialen Gründen. Dies wirke Altersarmut und Vereinsamung entgegen, sie könnten unter Kolleg*innen sein und erhielten Anerkennung, die es zu Hause für ihre Tätigkeit oft nicht (mehr) gebe. Für die bislang geltenden Regelungen, für pflegebedingte Auszeiten ein Darlehen aufnehmen zu müssen, gab es Kritik  – damit blieben Betroffene verschuldet zurück. Berufstätigkeit bei gleichzeitiger häuslicher Pflege benötige dringend Entlastungsangebote.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus bekräftigte, dass eine Erweiterung der bisherigen gesetzlichen Bestimmungen nötig sei, um auch die soziale Wirklichkeit abzubilden und beispielsweise mehr Menschen als nur Angehörige einzubeziehen. Zugleich müssten viele Fragen geprüft werden, wie die Dauer möglicher Freistellungen und die wichtige Frage nach der möglichen Gestaltung von flexiblen Lösungen. Ihr Bundesministerium arbeite jedoch mit Hochdruck an den Themen, die der Koalitionsvertrag hier vorsieht.

Kordula Schulz-Asche, Berichterstatterin für Pflege- und Altenpolitik der grünen Bundestagsfraktion machte deutlich, dass vor allem die Kommunen mit einer besseren Unterstützungsstruktur durch lokalen Ausbau gestärkt werden müssen, da es um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe gehe. Auch die Potenziale des Entlastungsbudgets müssten genutzt werden, um hier unbürokratisch zu Leistungsverbesserungen zu kommen. Gleichzeitig stehe derzeit Vieles unter den Vorzeichen der angespannten Haushaltslage und die Regierungsparteien befänden sich derzeit noch in Verhandlungen.

Dr. Felix Fiedler, Geschäftsführer der SLM GmbH in Berlin berichtete aus Sicht eines kleinen Familienunternehmens von Angeboten für die Beschäftigten, Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen. Für ihn sei dabei durchaus ein Ziel, dass die Mitarbeiter*innen dadurch ihren Kopf für die Arbeit frei haben. Gleichzeitig kritisierte er bürokratische Hürden. Sein Appell an die Politik, nicht nur die großen Unternehmen und „Leuchttürme“ zu beachten, sondern auch „die kleinen Laternen, die den Weg ausleuchteten“, fand viel Zustimmung.

Konsens bestand darüber, dass es eines gemeinsamen Schulterschlusses bedürfe, um die drängenden Aufgaben anzugehen und der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung einer guten Vereinbarkeit von Pflege und Beruf nachzukommen. Wir Grüne im Bundestag werden uns weiterhin dafür stark machen

Uhrzeit Programm
14.00

Begrüßung

Britta Haßelmann MdB
Fraktionsvorsitzende
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

14.15

Vereinbarkeit von Pflege und Beruf aus der Sicht eines Unternehmens

Dr. Natalie Lotzmann
Global VP People & Operations I Future of Work, Chief Medical Officer, Global
Head of Health, Safety & Well-Being, SAP SE

14.30

Die wachsende Bedeutung der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf für pflegende Angehörige und Betriebe

Dr. Johannes Geyer
Stv. Abteilungsleiter
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e. V.

14.45

Podiumsdiskussion: Vereinbarkeit von Pflege und Beruf – politische Bewertung und Handlungsperspektiven 

Lisa Paus
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Kordula Schulz Asche MdB
Berichterstatterin für Pflegepolitik, Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

Dr. Natalie Lotzmann
Global VP People & Operations I Future of Work, Chief Medical Officer, Global
Head of Health, Safety & Well-Being, SAP SE

Dr. Johannes Geyer
Stv. Abteilungsleiter
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e. V. 

Dr. Sigrun Fuchs
Mitglied des Vorstandes
wir pflegen e. V.

Moderation: Dr. Andreas Audretsch MdB
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

16.00 Get-Together
17.00 Ende der Veranstaltung