22 Sep 2023

Hybrides Fachgespräch Vom Skandal zur Reform: Abgeordnetenbestechung im Fokus

  • Vermehrte Skandale um die persönliche Bereicherung Abgeordneter haben das Vertrauen in die Funktionsweise politischer Prozesse erschüttert. Nicht zuletzt durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur so genannten Maskenaffäre hat sich gezeigt: der derzeitige Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung ist ein stumpfes Schwert. Es besteht strafrechtlicher Reformbedarf!
  • Die Ampel hat sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit wirksamer auszugestalten.
  • Die grüne Bundestagsfraktion hat deshalb Prof. Dr. Erol Pohlreich, der an der Viadrina Universität Frankfurt (Oder) die Professur für Strafrecht, Strafprozessrecht, Sanktionenlehre und Menschenrechte innehat, mit der Erstellung eines Gutachtens zur Reform der Abgeordnetenbestechung beauftragt. Dies hat er im Rahmen eines Fachgesprächs am 22.09.2023 im Deutschen Bundestag vorgestellt.

In seiner Begrüßung wies der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dr. Konstantin von Notz auf die hohe Bedeutung der wirksameren Ausgestaltung des Tatbestands der Abgeordnetenbestechung hin. Demokratie lebe vom Vertrauen der Bürger*innen in die Menschen, die sie im Parlament und in Institutionen vertreten. Schon dem bösen Schein gekaufter Politik müsse entgegengewirkt werden.

Canan Bayram, Obfrau im Rechtsausschuss und Berichterstatterin für die Reform der Abgeordnetenbestechung, führte politisch in das Gespräch ein. Sie verwies auf eine Entscheidung des OLG München, das aufgrund der aktuellen Rechtslage in den Fällen der sog. Maskenaffäre einen Freispruch erteilen musste. Das Gericht hatte die Abgeordneten des Deutschen Bundestags für eine fehlende Reform kritisiert. Nunmehr müssten sich die Abgeordneten dem Vorwurf stellen, dass Fälle wie die Masken- oder die Aserbaidschan-Affäre geeignet seien, das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Integrität zu beschädigen und den „Demokratieverdruss zu fördern“.

Prof. Dr. Pohlreich zeigte zunächst die Schwachstellen der aktuellen Norm auf. § 108e StGB erfasst derzeit insbesondere keine außerparlamentarischen Handlungen von Mandatsträger*innen, selbst wenn diese einen Bezug zum Mandat aufweisen. Vorteile ohne konkrete Gegenleistung, also zur Erzeugung von Wohlwollen (sog. „Klimapflege“) oder Vorteile mit dem Zweck, Mandatsträger*innen dazu zu bewegen, zu einem späteren Zeitpunkt zu Gegenleistungen geneigt zu sein (sog. „Anfüttern“) fallen ebenfalls aus dem Anwendungsbereich. Dasselbe gilt für nachträgliche Belohnungen ohne vorherige Vereinbarung.

Sodann legte Prof. Dr. Pohlreich die Erwägungen dar, die seinem eigenen Vorschlag zugrunde liegen. Er schlägt vor, den derzeitigen § 108 e StGB als Verbrechenstatbestand bestehen zu lassen und um zwei weitere Vergehenstatbestände zu ergänzen. § 108 e StGB pönalisiere derzeit die schwerste Form der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträger*innen. Deshalb sei die Ausgestaltung als Verbrechen angemessen. Daneben seien aber auch weitere Handlungen als Vergehen strafwürdig. Dies habe nicht zuletzt der BGH in seiner Entscheidung zur sog. Maskenaffäre angedeutet. Prof. Dr. Pohlreich schlägt die Einführung eines Tatbestands der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung bei Mandatsträger*innen (§ 108f StGB-E) und eines weiteren Tatbestands des Einflusshandels (§ 108g StGB-E) vor.

An die Vorstellung schloss sich eine rege Diskussion zu den einzelnen Aspekten des Vorschlags an. Das Gutachten steht zum Download zur Verfügung.

Uhrzeit Programm
12.00

Begrüßung

Dr. Konstantin von Notz MdB
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

12.10

Politische Einführung

Canan Bayram MdB
Obfrau im Rechtsausschuss
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

12.20

Vorstellung des Gutachtens

Prof. Dr. Erol Pohlreich
Inhaber der Professur für Strafrecht, Strafprozessrecht, Sanktionenlehre und Menschenrechte
Juristische Fakultät Europa-Universität Viadrina

12:50 Diskussion
13:55 Fazit
14.00 Ende der Veranstaltung