14 Sep 2022

Online-Fachgespräch Zukunftsstrategie für Geistes- und Sozialwissenschaften

  • Geistes- und Sozialwissenschaften sind für die Gesellschaft unabdingbar, sie leisten zentrale Lösungsansätze für die Krisen unserer Zeit.
  • Im dritten Teil unserer Gesprächsreihe „Zukunft gestalten“ debattierten Forschende und Expert*innen verschiedene Ansätze, die wir in die „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“ aufnehmen wollen. 
  • Klar ist: Gute geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung braucht verlässliche Finanzierung. Forschende benötigen eine sichere Perspektive, um Forschungsprojekte adäquat umsetzen zu können.

Verlässliche Finanzierung und Diversität

Eingeladen waren Forschende aus verschiedenen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen, um ihre Erwartungen an die neue Zukunftsstrategie der Bundesregierung zu schildern. Prof. Dr. Klaus Dörre (Soziologe, Universität Jena) thematisierte eingangs unter anderem die Problematik der unsicheren Arbeitsbedingungen vieler Forscher*innen. Dadurch wird wissenschaftliches Fachwissen gefährdet und geht teilweise verloren. Um Planbarkeit zu garantieren, sei eine langfristig ausgelegte und verlässliche Finanzierung ein zentraler Baustein einer nachhaltigen Forschungspolitik. Einigkeit herrschte bei allen Teilnehmer*innen des Fachgesprächs bezüglich der Relevanz kleinerer und häufig marginalisierter Forschungsbereiche, wie zum Beispiel Rassismusforschung, Judaistik oder Archäologie.

Prof. Dr. Lorenz Narku Laing, Politikwissenschaftler an der Evangelischen Hochschule Bochum, sprach im weiteren Verlauf des Fachgesprächs die aus seiner Sicht unzureichende Vielfalt an deutschen Hochschulen an. Diversität solle als Förderkriterium miteinbezogen werden. Andernfalls könne die Qualität der Forschung leiden, da unterschiedliche Blickwinkel und Standpunkte zu wenig Berücksichtigung fänden. Auch Prof. Gertraud Stadler, Leiterin der Geschlechterforschung in der Medizin an der Charité, verwies auf die Notwendigkeit expliziter Erforschung von geschlechts-, gender- und diversitätsbezogenen Fragestellungen. Wissenschaftsorganisationen und Forschungsteams sollten dafür geschlechter- und diversitätsgerechter besetzt werden, dies hebe Forschungspotenziale und ermögliche neue Perspektiven und heterogene Ansätze. Gleichzeitig müssten Datengrundlagen zu Diversität durch Forschung ausgebaut werden. Auch Prof. Dr. Dani Kranz (Anthropologin, Ben Gurion Universität, Israel) thematisierte die biographischen Erfahrungen der Wissenschaftler*innen, welche stärker im Forschungskontext verankert sein sollten. 

Stärkung der Transformationsforschung notwendig

Die Geistes- und Sozialwissenschaften seien angesichts der multiplen Krisenlage entscheidend, um interdisziplinäre Lösungsansätze auch im überregionalen Kontext darzustellen, so Kranz weiter. Sie plädierte, wie alle weiteren Expert*innen des Fachgesprächs, für eine Verstetigung und Ausbau von inter- und transdisziplinärer Forschung. Auch an langfristig angelegter Transformationsforschung im sozial-ökologischen oder gesellschaftlichen Bereich fehle es bislang, so die Teilnehmer*innen des Fachgesprächs. Die Verzahnung unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen sei dabei essenziell. Sie schaffe Synergieeffekte, ermögliche neue Perspektiven und heterogene Ansätze beim Erkenntnisgewinn und in der Wissenschaftskommunikation. Die Sozialpsychologin und Gründerin des Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), Pia Lamberty, betonte darüber hinaus die Notwendigkeit eines besseren Austausches zwischen Wissenschaft und anderen Teilen der Gesellschaft. Gerade in Zeiten von Fake News, Desinformation und Anfeindungen gegenüber Forschenden sei eine starke, evidenzbasierte und transdisziplinäre Wissenschaftskommunikation dringend notwendig.

Marlene Schönberger MdB moderierte die Veranstaltung und betonte den wichtigen Beitrag der Geistes- und Sozialwissenschaften zur im Koalitionsvertrag vereinbarten „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“. Im Bereich „Gesellschaftliche Resilienz, Diversität und Zusammenhalt stärken“, einem Teil der Zukunftsstrategie, sind sie als unverzichtbar anzusehen, so waren sich abschließend alle Teilnehmer*innen einig.

Uhrzeit Programm
15.00

Begrüßung und Einführung:

Marlene Schönberger MdB
Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

Impulse von

Prof. Dr. Klaus Dörre
Institut für Soziologie, Universität Jena

Prof. Dr. Lorenz Narku Laing
Professor für Sozialwissenschaften und Rassismusforschung an der Evangelischen Hochschule Bochum

Pia Lamberty
Sozialpsychologin und Gründerin des Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS)

Prof. Dr. Dani Kranz
Fakultät für Soziologie und Anthropologie, Ben Gurion Universität, Israel

Prof. Gertraud Stadler
Leitung Geschlechterforschung in der Medizin (GiM) an der Charité

15.40

Diskussion mit dem Publikum
Moderation: Marlene Schönberger MdB

16.30 Ende der Veranstaltung