Chancengerechtigkeit

Kostenheranziehung in der Kinder- und Jugendhilfe wird abgeschafft

Eine junge Frau zeigt die Anwendung einer Insulininjektion.
Ausbildung, erster Job, erstes selbstverdientes Geld: Wir wollen mehr Chancengerechtigkeit für junge Menschen, die in der stationären Kinder- und Jugendhilfe leben. picture alliance | Britta Pedersen
10.01.2023
  • Wir Grüne im Bundestag wollen junge Menschen, die in der stationären Kinder- und Jugendhilfe aufwachsen, beim Start in ein eigenständiges Leben besser unterstützen.
  • Bisher müssen Sie einen Teil ihres selbstverdienten Einkommens an das Jugendamt abgeben. Diese Kostenheranziehung schaffen wir nun ab. 
  • Damit stärken wir junge Menschen in ihrer Selbstwirksamkeit. Künftig soll es sich auch finanziell mehr lohnen, eine Ausbildung aufzunehmen.

Junge Menschen sollen früh lernen, dass sie durch eigenes Einkommen ihre Zukunft eigenverantwortlich und selbstbestimmt gestalten können. Wer das bei der Ausbildung oder in einem Job selbstverdiente Geld behalten darf, ist motivierter, sich für seine beruflichen Perspektiven zu engagieren.

Eigenverantwortlich und selbstbestimmt

Gleich zu Beginn steht im Sozialgesetzbuch VIII (Kinder- und Jugendhilfe), dass junge Menschen ein Recht auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit haben.

Wer in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe oder in einer Pflegefamilie aufwächst, hat oft zusätzliche Herausforderungen und Entwicklungsaufgaben zu bewältigen, noch dazu meist ohne die emotionale und finanzielle Unterstützung der Herkunftsfamilie. Gleichaltrige, die in ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen, können meist auf die Unterstützung ihrer Familie bauen und dürfen ihr selbst verdientes Geld behalten. Sie können sich erste eigene Lebensziele wie eine Reise oder den Führerschein finanzieren, oder für die Kaution der ersten eigenen Wohnung ansparen.

Abgaben bis zu 25 Prozent

Die aktuell noch geltende Regelung sieht vor, dass junge Menschen, die in der stationären Kinder- und Jugendhilfe aufwachsen, bis zu 25 Prozent ihres selbst verdienten Einkommens an das Jugendamt für die Unterbringung abgeben müssen. Diese Abgabepflicht trifft auch auf alleinerziehende Mütter oder Väter zu, die mit ihrem Kind in einer gemeinsamen Wohnform der Jugendhilfe untergebracht sind; deren Lebenspartner*innen bzw. Ehegatt*innen können ebenfalls zu Kosten herangezogen werden.

Für all diese Menschen ist es durch die bestehende Regelung oft schwer, Geld anzusparen und finanziell unabhängig zu werden, um sich kleine und große Lebensziele zu verwirklichen.

Ohne Hürden ins Leben starten

Der Bundestag hat eine Gesetzesänderung beschlossen, die klar besagt: Junge Menschen, die in der stationären Kinder- und Jugendhilfe aufwachsen, sollen ihre eigenen Einkünfte komplett behalten können. Gleiches gilt für alleinerziehende Mütter oder Väter, die mit ihrem Kind in einer gemeinsamen Wohnform untergebracht sind. Auch Ehegatt*innen sowie Lebenspartner*innen der jungen Menschen und Leistungsberechtigten sollen nicht mehr zu den Kosten herangezogen werden. Der Start in ein selbstbestimmtes Leben wird so für viele Betroffene leichter.

Im parlamentarischen Verfahren konnten wir Verbesserungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs erreichen. Junge Menschen in geförderten Ausbildungen dürfen nun einen Freibetrag behalten, den sie nicht ans Jugendamt abgeben müssen. Das ist ein weiterer Schritt hin zu einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe.

Die Neuregelungen traten zum 1. Januar 2023 in Kraft.