Größte Sozialreform seit 20 Jahren

Das Bürgergeld kommt

Wir schaffen einen Perspektivwechsel in den Jobcentern, mehr Sicherheit und Vertrauen sowie ein neues Miteinander auf Augenhöhe. Leistungsbeziehende werden auf ihrem Weg zu sozialer Teilhabe künftig bestmöglich unterstützt. picture alliance / Sina Schuldt
25.11.2022
  • Bundestag und Bundesrat haben das Bürgergeld beschlossen und damit den im Vermittlungsausschuss erreichten Kompromiss angenommen. Das Gesetz tritt nun zum 1. Januar 2023 in Kraft.
  • Für diese klare Kurskorrektur in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik haben wir Grüne im Bundestag lange gekämpft und viele intensive Gespräche mit unseren Koalitionspartnern sowie der Union geführt.
  • Die Einführung des Bürgergeldes ist die größte Sozialreform der letzten 20 Jahre. Es ist das Ende von Hartz IV und der Beginn einer neuen Sozialpolitik. Wir bauen Hürden ab und Unterstützung aus. Neben einer Erhöhung der Regelsätze stellen wir bestmögliche Beratung und Förderung auf dem Weg in das Berufsleben in den Mittelpunkt.

Mit dem Bürgergeld bringt die Ampelkoalition eines ihrer wichtigsten Vorhaben voran und schafft eine Kurskorrektur, die für Millionen Menschen in Zeiten großer Unruhe Sicherheit und Perspektiven bringt. Nicht nur mit einer Erhöhung des Regelsatzes, auch mit einer geänderten Haltung, die den Leistungsbeziehenden Respekt und Würde entgegenbringt.  

Vorrang für Weiterbildung und Qualifikation

Foto von Britta Haßelmann MdB
Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kaminski

Wir stellen individuelle Förderung und Beratung sowie positive Anreize in den Vordergrund. Der Vermittlungsvorrang in Maßnahmen und kurzfristige Jobs entfällt — und damit auch der Drehtüreffekt, mit dem viele in Arbeit vermittelte Leistungsbeziehende nach kurzer Zeit schon wieder beim Jobcenter landeten.

Stattdessen unterstützen wir Menschen bei einem echten beruflichen Neuanfang, damit sie dauerhaft auf eigenen Füßen stehen können. Wir führen ein Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro pro Monat für die Teilnahme an Berufsausbildungen und einen Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro pro Monat für die Teilnahme an Weiterbildungen oder Sprachkursen ein. Wer sich auf den Weg in einen neuen Beruf macht, wird direkt für die Anstrengungen belohnt, nicht erst am Ende einer mehrjährigen Ausbildungszeit.

Anders als bisher wird nun auch die volle Dauer der Ausbildung gefördert. Und jugendliche Bezieher*innen des Bürgergeldes werden deutlich besser dabei unterstützt, eine Ausbildung zu machen, indem sie einen erheblich größeren Teil ihrer Vergütung behalten können. Damit schaffen wir eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt und bekämpfen gleichzeitig den Fachkräftemangel. Dem zunehmenden Bedarf nach umfassender Beratung kommen wir mit dem neuen Instrument des professionellen Coachings entgegen.

Wir entfristen den Sozialen Arbeitsmarkt – ein erfolgreiches Instrument, um langzeitarbeitslosen Menschen neue und dauerhafte Perspektiven in Festanstellung zu eröffnen. Noch ist das aber nicht genug. Wir wollen den Sozialen Arbeitsmarkt weiterentwickeln, ihn mit neuen und individuell passenden Instrumenten ergänzen.

Vorrang für Kooperation und Vertrauen

Mit dem Bürgergeld wird Vertrauen das Verhältnis zwischen Leistungsbeziehenden und Jobcentern prägen. Beide Seiten vereinbaren künftig gemeinsam einen Kooperationsplan, der die weiteren Schritte auf dem Weg (zurück) in die Arbeitswelt aufzeigt — ohne dass gleich Leistungskürzungen angedroht werden.

Damit die Augenhöhe bestehen bleibt, auch wenn es einmal zu Konflikten kommt, gibt es einen neuen Schlichtungsmechanismus – ähnlich einer Mediation. Bürgergeldbeziehende und Jobcenter entwickeln in diesem Fall mit einer dritten, unparteiischen und nicht weisungsgebundenen Person eine gemeinsame Lösung. Während des Schlichtungsverfahrens gilt: keine Leistungsminderungen oder Androhungen hierzu.

Im Anschluss besteht mit dem Bürgergeld eine neue Form von Verbindlichkeit. Die Sanktionen bleiben, werden im Vergleich zu Hartz IV aber stark zurückgedrängt: Leistungsminderungen sind möglich, wenn die freiwillig vereinbarten Schritte im Kooperationsplan nicht eingehalten werden. Darüber hinaus können Leistungsminderungen nur noch sehr begrenzt erfolgen, und das in jedem Fall unter Berücksichtigung besonderer Problemlagen und Härten. Die alte Praxis, Sanktionen in vollem Umfang nach nur einer Pflichtverletzung, schließen wir aus.

Stattdessen gilt in Zukunft ein neues Stufenmodell: Die erste Pflichtverletzung kann zu einer Minderung von 10 Prozent des Regelsatzes führen, für die Dauer eines Monats. Das ist ein deutlich milderer Einstieg als im alten System – dort galten 30 Prozent Minderung über 3 Monate. Diese Regelung ist sogar zurückhaltender, als es der ursprüngliche Entwurf des Bürgergeldgesetzes vorsah. Erst mit der zweiten Pflichtverletzung ist eine Reduzierung um 20 Prozent möglich, für eine Dauer von zwei Monaten. Bei einer dritten Pflichtverletzung können Leistungsminderungen im Umfang von 30 Prozent für eine Dauer von maximal drei Monaten umgesetzt werden.

Nach mehr als einem Jahr ohne Pflichtverletzung beginnt das Stufenmodell wieder bei der ersten Stufe. Bei allen Sanktionen gilt: Sie werden nach einem Monat aufgehoben, wenn der Grund weggefallen ist – die Teilnahme an einer Weiterbildung beispielsweise fortgesetzt wurde.

Die Einladungen zu den Erstgesprächen kommen immer ohne Sanktionsandrohungen aus. Auch bei weiteren Termineinladungen kann auf komplizierte Rechtstexte verzichtet werden. Unentschuldigtes Nichterscheinen ohne wichtigen Grund, bei dem in der Termineinladung auf die Folgen hingewiesen worden ist, wird jedoch mit einer Leistungskürzung von 10 Prozent des Regelsatzes für einen Monat geahndet.

In Hartz IV bedeutete ein einzelnes Terminversäumnis direkt eine Leistungskürzung um 10 Prozent für die volle Dauer von drei Monaten. Verschärfte Regeln für Unter-25-Jährige sind ebenso wie Kürzungen der Zahlungen für Miete ausgeschlossen. Diese Regeln galten in Hartz IV, bis das Bundesverfassungsgericht diese im Jahr 2019 verbot. Im Bürgergeld fallen alle Regelungen sehr viel maßvoller aus.

Mehr Sicherheit

Künftig wird die Inflation bei der Anpassung der Regelsätze stärker berücksichtigt – eine entscheidende Verbesserung. Als Folgewirkung steigen die Regelbedarfe zum 1. Januar 2023 um 53 Euro an. Das Existenzminimum beträgt somit 502 Euro im Monat für Alleinstehende – gleichzeitig steigt der Grundfreibetrag in der Einkommensteuer auf 10 908 Euro im Jahr.

Wir vermindern Armutsrisiken, indem die bisherige Wohnung und ein deutlich höheres Vermögen als bisher im ersten Jahr des Leistungsbezugs geschützt werden. 40.000 Euro für die erste und 15.000 Euro für jede weitere Person im Haushalt. So können sich die Menschen auf die Jobsuche oder eine Weiterbildung konzentrieren, statt sich auch noch im angespannten Wohnungsmarkt auf die Suche nach einer etwas kleineren Wohnung begeben zu müssen. Erst nach einem Jahr im Leistungsbezug wird die Angemessenheit der Wohnung geprüft – und Erspartes darf nur noch 15.000 Euro pro Person betragen.

Die Idee dieser Karenzzeit wurde im Zuge der Corona-Pandemie eingeführt und hat sich bewährt. Wichtig vor allem für Selbstständige, die nicht in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben: Angespartes für die Altersvorsorge muss nicht angetastet werden. Das Bürgergeld fußt auf Respekt vor der Lebensleistung.

Mehr Hinzuverdienst

Die Regeln für Hinzuverdienst ändern wir so, dass vom eigenen Arbeitseinkommen mehr als bislang behalten werden kann. Wer arbeitet, hat immer mehr in der Tasche – das galt bisher und wird mit dem Bürgergeld erst recht gelten. Wer als Schüler*in, Auszubildende*r, Student*in oder im Bundesfreiwilligendienst das Bürgergeld bezieht, kann in Zukunft endlich mehr vom Verdienst behalten. 

Auch Einkünfte aus Schulferienjobs werden künftig überhaupt nicht mehr angerechnet. Junge Menschen werden so endlich nicht mehr für die finanzielle Situation ihrer Eltern bestraft.