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Binnengrenzen: Zurückweisungen Schutzsuchender rechtswidrig
- Die neue Bundesregierung schafft politisches, rechtliches und organisatorisches Chaos an den Grenzen zu unseren Nachbarstaaten. Nun hat das Verwaltungsgericht Berlin die Zurückweisung von Asylsuchenden für rechtswidrig erklärt.
- Alleingänge bei Binnengrenzkontrollen und Zurückweisung von Schutzsuchenden sind rechtlich wie menschlich fragwürdig und gefährden den Zusammenhalt in der Europäischen Union.
- Die Grüne Bundestagsfraktion verlangt nun in einem Antrag „Europarecht einhalten, Schutzbedürftige schützen, Zurückweisungen an den Binnengrenzen beenden“ diese Praxis zu stoppen. Mit dem Antrag werden wir die parlamentarische Auseinandersetzung mit der großen Schaden verursachenden Grenzpolitik der schwarz-rot Koalition weiter vorantreiben.
Chaos in der neuen Bundesregierung bei Grenzkontrollen und Zurückweisungen
Mit Aufnahme seiner Amtsgeschäfte hat Bundesinnenminister Dobrindt die Bundespolizei angewiesen, die Binnengrenzen zu Deutschlands EU-Nachbarstaaten intensiver zu kontrollieren und auch Schutzsuchende zurückzuweisen. Dabei berief er sich auf einen (angeblichen) Notstand, um EU-Recht nicht anwenden zu müssen. Der Regierungssprecher dementierte jedoch anschließend: Kanzler Friedrich Merz habe keine „nationale Notlage“ ausgerufen, um Zurückweisungen an der Grenze zu rechtfertigen. In der Regierungsbefragung am 14. Mai im Bundestag konnte Vizekanzler Lars Klingbeil nicht beantworten, auf welcher Rechtsgrundlage seine Regierung handelt.
Ganz offenbar setzt die neue Bundesregierung auf Symbolpolitik, egal ob sie der Wirtschaft und der europäischen Integration massiv schadet. Zurückweisungen Schutzsuchender an den Grenzen sind und bleiben europarechtswidrig. Das Vorgehen von Friedrich Merz und Alexander Dobrindt soll Stärke ausstrahlen, ist de facto aber von reinem Chaos geprägt.
Nun hat in ersten Beschlüssen das Verwaltungsgericht Berlin Zurückweisungen von Asylsuchenden für rechtswidrig erklärt. Die Asylsuchenden waren an der Grenze zu Polen von der Bundespolizei zurückgewiesen wurden. Das Gericht berief sich in seiner Begründung zur Europarechtswidrigkeit auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Bundesinnenminister Dobrindt reagierte trotzig auf die Gerichtsentscheidungen mit der Ankündigung, an der bisherigen Praxis festzuhalten. Das erinnert stark an den kaltschnäuzigen Umgang von Donald Trump mit dem Rechtstaat. Ausgerechnet der Innenminister als Verfassungsminister steht mit dem Europarecht auf Kriegsfuß. Man denke nur an Dobrindts viele Millionen schweres Maut-Desaster. Dennoch stellt sich Bundeskanzler Merz voll hinter ihn. Er trägt damit die volle Verantwortung für die Folgen dieser Politik für den Rechtsstaat, den europäischen Zusammenhalt und für die betroffenen Menschen.
Gefahren für Europäische Union
Die Bundestagsfraktion der Grünen befürchtet, dass ein deutscher Alleingang bei Binnengrenzkontrollen und Zurückweisungen von Schutzsuchenden den Zusammenhalt in der Europäische Union und die Freizügigkeit gefährdet. Deshalb haben wir einen Antrag „Europarecht einhalten, Schutzbedürftige schützen, Zurückweisungen an den Binnengrenzen beenden“ in den Bundestag eingebracht.
Grundsätzlich ist die Zurückweisung von Schutzsuchenden an den Binnengrenzen nicht zulässig, da durch das vorrangige EU-Recht geregelt ist, dass zunächst im Inland ein Dublin-Verfahren zur Bestimmung des zuständigen EU-Staats durchgeführt werden muss. Die Bundesregierung argumentiert, dass Deutschland das EU-Recht derzeit nicht anwenden müsse, weil sich Deutschland in einer Notlage befinde. Das Verwaltungsgericht Berlin hat nun sehr eindrucksvoll bemängelt, dass die Bundesregierung diese angebliche Notlage noch nicht einmal dargelegt habe.
Unser Antrag im Bundestag fordert die Bundesregierung auf, diese Praxis der Zurückweisungen von Schutzsuchenden unverzüglich zu unterlassen und stattdessen Schutzsuchenden, insbesondere vulnerablen Personen, ein geordnetes, faires Verfahren zu gewähren. Darüber wird sie aufgefordert, die rechtlichen Möglichkeiten des EU-Rechts über Kooperationen mit den Mitgliedstaaten zu nutzen, um dadurch Schutzbedürftigen Schutz zu gewähren und eine solidarische Verteilung von Geflüchteten in der EU zu erreichen.
Binnengrenzkontrollen verursachen erhebliche Kosten und behindern den freien Warenverkehr
Die Praxis der Zurückweisungen stellt auch für die Bundespolizei enorme Arbeitsanstrengungen und Überlastungen dar, wodurch dringend benötigtes Personal im Landesinneren fehlt. Dadurch drohen direkte Auswirkungen auf die Sicherheit der Menschen im Land.
Nationale Alleingänge an den Binnengrenzen schaden Europa. Binnengrenzkontrollen verursachen erhebliche Kosten und behindern den freien Warenverkehr – ein zentrales Element des europäischen Binnenmarkts. Pro Stunde Wartezeit fallen je Lkw Kosten von rund 100 Euro an (Logistikverband TLN 2024). Betroffen sind insbesondere mittelständische Unternehmen und Unternehmen in Grenzregionen, deren Wettbewerbsfähigkeit durch Verzögerungen und Rechtsunsicherheit sinkt. Die europäische Wirtschaft braucht jetzt Klarheit, Planungssicherheit und mit Blick auf die geopolitische Lage: Zusammenhalt.
Es ist fatal, wie unbeirrt die Bundesregierung trotz der gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit an ihrem Kurs festhält. Schon auf die zahlreichen Fragen der grünen Abgeordneten bei Fragestunden und Regierungsbefragungen in den letzten Wochen hat die Bundesregierung sehr unzureichend geantwortet und konnte ihr Handeln nicht rechtlich begründen.
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