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Bundesteilhabegesetz: Echte Teilhabe statt Rollback
- Durch das Bundesteilhabegesetz soll der Bedarf behinderter Menschen besser erfasst und individueller gedeckt werden.
- Genau diese Verbesserungen werden in den letzten Monaten von konservativen Politiker*innen immer heftiger mit dem Argument, sie seien zu teuer, bekämpft.
- Die Grüne Bundestagsfraktion stellt ein Paket mit Maßnahmen zur Abstimmung, das die Kommunen entlastet, ohne Menschen mit Behinderungen in eine Situation zu bringen, die seit Jahren als überwunden galt.
Im Jahr 2016 protestierten viele Menschen mit Behinderungen und ihre Unterstützer*innen energisch und oft kreativ gegen die Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG). Im September 2025 gab es eine Demonstration vor dem Kanzleramt und zuvor zahlreiche Äußerungen und Aktionen, die unter anderem den Erhalt des Gesetzes zum Ziel haben. Woher kommt ihre Befürchtung jetzt?
Das BTHG – ein Gesetz mit verschiedenen Seiten
Schon 2016 bezog sich die Kritik, auch die der Grünen Bundestagsfraktion, auf bestimmte Teile des Gesetzes. So enthält es Vorschriften, die es den zuständigen Behörden ermöglichen, aus finanziellen Gründen Leistungen zu bewilligen, die sich grundlegend von dem unterscheiden, was beantragt wird und zum Leben der behinderten Menschen passt. Außerdem müssen sie die Leistungen weiterhin aus eigenen Mitteln mitfinanzieren, sobald Einkommen und Vermögen vergleichsweise niedrige Schwellen überschreiten.
Mit dem BTHG wurden allerdings auch eindeutige Verbesserungen eingeführt. So wurde genauer als zuvor ausgeführt, wie festgestellt werden soll, wobei die Menschen wie viel Unterstützung brauchen. Für die Sozialämter in einigen Ländern war das nichts Neues. Andere allerdings, die bisher eher grobe, pauschalisierende Raster genutzt hatten, mussten ihre Arbeit grundlegend umstellen. Eine Änderung führte dazu, dass Wohnheime keine „Pauschal-Pakete“ aus Unterstützung, Unterkunft und Verpflegung mehr anbieten dürfen. Stattdessen müssen verschiedene Teil-Leistungen getrennt erbracht werden. Außerdem ist es seit 2020 möglich, verschiedene Unterstützungs-Leistungen auch dann von verschiedenen Anbietern in Anspruch zu nehmen, wenn man in einem Wohnheim lebt. Beides soll dazu führen, dass Menschen mit Behinderungen mehr Entscheidungsfreiheit und besser zu ihnen passende Leistungen erhalten. Durch Übergangsregelungen werden diese beiden Neuerungen oft erst seit 2023 spürbar.
Ein Gesetz unter Beschuss
Nur kurz danach begannen vor allem konservative Kommunal- und Landespolitiker*innen, die durch das BTHG eingeführten Neuerungen heftig zu kritisieren. Dabei verweisen sie immer auf die in den letzten Jahren unzweifelhaft deutlich gestiegenen Ausgaben für Leistungen der Eingliederungshilfe, teilweise auch auf einen höheren Verwaltungsaufwand. Ziel ist häufig nicht nur die Rücknahme der durch das BTHG eingeführten Neuerungen, sondern eine deutlich restriktivere Politik als in den letzten Jahrzehnten. Vor und seit der letzten Bundestagswahl fanden und finden diese Angriffe auf die die Selbstbestimmung behinderter Menschen immer mehr Gehör, bis hin zum Bundeskanzler.
Schlussfolgerung falsch
Die Untersuchungen, die sich mit dem BTHG befassen, finden jedoch keine oder allenfalls geringe Folgen der Verbesserungen auf die Entwicklung der Ausgaben. Ursächlich dafür sind dagegen die steigende Lebenserwartung behinderter Menschen, die zunehmende Zahl von Menschen mit psychischen Behinderungen und die Tatsache, dass Angehörige immer seltener in der Lage sind, selbst Unterstützung zu leisten. Darüber hinaus sind Preise und Löhne seit 2022 allgemein stark gestiegen sind. Gezeigt werden kann außerdem, dass eine schlechte beziehungsweise nur teilweise Umsetzung der Neuerungen zu höheren Kosten und mehr Aufwand für die Verwaltung führen als deren vollständige Umsetzung.
Echte Lösungen statt Rollback
Darum stellen wir mit unserem Antrag „Selbstbestimmung sichern und Teilhabe stärken – Die Fortschritte des Bundesteilhabegesetzes bewahren“ ein Paket mit Maßnahmen zur Abstimmung, das die Kommunen entlastet, ohne Menschen mit Behinderungen in eine Situation zu bringen, wie zuletzt in den 1980er und 1990er Jahren. Zu unseren Maßnahmen gehört einerseits, die Verbesserungen durch das BTHG zu erhalten und konsequent umzusetzen. An vielen Stellen kann dabei eine flexible, an die Lebensumstände der Menschen mit Behinderungen angepasste Verwaltungspraxis den Aufwand verringern. Andererseits muss der Bund die Kommunen finanziell stärker als bisher unterstützen.
Auch unter den jetzigen Umständen behalten wir im Blick, dass an wichtigen Stellen des BTHG weiterhin Bedarf an einer Weiterentwicklung im Sinne der behinderten Menschen besteht.
Antrag
Selbstbestimmung sichern und Teilhabe stärken – Die Fortschritte des Bundesteilhabegesetzes bewahren
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