Ernährung für alle – Wege aus der Polarisierung

Hybrides Fachgespräch

Veranstaltungsdetails

15:00 - 19:00 Uhr
Deutscher Bundestag, Paul-Löbe-Haus, (Eingang Süd) Europasaal 4.900
Zur Anmeldung
bis

Über die Veranstaltung

Veranstaltungsbericht

Wie schaffen wir eine Ernährungspolitik, die Gesundheitsfragen ernst nimmt, soziale Realität abbildet und gesellschaftliche Gräben überwindet?

Diese Frage stand im Mittelpunkt des Fachgesprächs „Ernährung für alle – Wege aus der Polarisierung“, zu dem die grüne Bundestagsfraktion am Freitag eingeladen hatte. Wissenschaft, Praxis und Politik kamen zusammen, um Wege für ein zukunftsfestes Ernährungssystem zu diskutieren.

Politischer Rahmen: Ernährungspolitik wird zur Gerechtigkeitsfrage

Zum Auftakt machte unsere Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann deutlich, dass der politische Status quo nicht ausreicht, um die Herausforderungen im Landwirtschafts- und Ernährungsbereich zu bewältigen. Sie kritisierte, dass wichtige Reformen wie bessere Haltungsbedingungen, verlässliche Öko-Regelungen oder der Umbau der Ställe ausgebremst würden. Viele Maßnahmen seien „Rückschritte, die weder den Betrieben noch den Verbraucher*innen helfen“. Statt Lösungen werden „alte Konflikte neu befeuert“.

Anschließend hob Zoe Mayer, Leitung der AG Landwirtschaft, Ernährung und Heimat, hervor, dass gesunde Ernährung nicht allein durch individuelle Entscheidungen bestimmt wird: „Viele Menschen wollen sich gesund ernähren – können es aber nicht, weil Preise, Verfügbarkeit oder Kantinenangebote ihnen Grenzen setzen.“ Politik bestimme längst die Rahmenbedingungen, und diese müssten stärker an Gesundheits- und Umweltzielen ausgerichtet werden.

Blick aus der Wissenschaft: Gesellschaft weiter als der politische Streit

Einen anderen Akzent setzte Ernährungspsychologin Britta Renner (DGE). Sie widersprach dem häufig erweckten Eindruck, das Land sei beim Thema Ernährung tief gespalten. Studien und auch der kürzlich tagende Bürgerrat zeigten vielmehr: „Die Menschen kombinieren tierische und pflanzliche Lebensmittel ganz selbstverständlich. Von einer echten Polarisierung können wir im Alltag kaum sprechen.“

Der Ernährungsmediziner Hans Hauner sah dagegen vor allem Überforderung bei vielen Bürger*innen. Bei einer Flut an Ratschlägen und Moralappellen bleibe oft unklar, was überhaupt empfohlen wird. Er sprach sich für klarere Informationsangebote und konsequente politische Maßnahmen aus – etwa gegen Kindermarketing für ungesunde Lebensmittel oder bei der Weiterentwicklung von Kennzeichnungen. Eine Zuckersteuer sei „international längst Standard – Deutschland läuft hinterher“.

Praxis und Beispiele: Transformation ist möglich

Wie Veränderungen gelingen können, zeigten Stimmen aus der Praxis:

Philipp Stierand (Kantine Zukunft) berichtete, wie Großküchen in mehreren Bundesländern mit professioneller Beratung ihren Bio-Anteil erhöhen, den Einsatz tierischer Produkte reduzieren und gleichzeitig Kosten sparen können. Konflikte seien dabei selten ein Thema: „Wenn das Essen gut ist, wird es auch angenommen.“

Landwirtschaftliche Perspektiven

Auch aus der Landwirtschaft kamen aus dem Publikum wegweisende Beispiele:

– Ein Betrieb, der von der Schweinemast zur Pilzproduktion umgestellt hat, zeigte, wie neue Geschäftsmodelle entstehen können – wenn Beratung und Förderung stimmen.

– Ein weiterer Hof berichtete vom erfolgreichen Wechsel zu biozyklisch-veganer Bewirtschaftung, stieß aber auf strukturelle Probleme bei der Weiterverarbeitung: „Der Markt ist noch nicht auf Betriebe wie unseren eingestellt.“

Diese Erfahrungen machten deutlich, dass viele Bäuer*innen bereit sind, neue Wege zu gehen – solange sie nicht allein gelassen werden.

Europäische Perspektive: Faire Rahmenbedingungen

Stephanie Wunder (Agora Agrar) brachte den europäischen Vergleich ein. Schweden mit kostenloser Schulverpflegung oder Spanien mit Null-Prozent-Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse zeigten, wie politische Maßnahmen gesunde Ernährung erleichtern können. Entscheidend seien „faire Ernährungsumgebungen“, also Rahmenbedingungen, die gesunde Produkte leicht zugänglich, bezahlbar und attraktiv machen.

Fazit: Die Gesellschaft ist bereit – die Politik muss nachziehen

Das Fachgespräch machte deutlich: Die Menschen verändern ihr Ernährungsverhalten längst. Wissenschaft, Praxis und Landwirtschaft verfügen über erprobte Lösungen. Was fehlt, sind verlässliche politische Leitplanken, die Gesundheit, Klima, Soziales und Wirtschaft zusammendenken.

Die Diskussion endete mit einem gemeinsamen Eindruck: Der Weg zu einer gerechten, nachhaltigen Ernährung ist machbar – wenn Politik ihn entschlossen eröffnet.

 

Programm

Begrüßung

Britta Haßelmann MdB 
Fraktionsvorsitzende
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

15:00 Uhr

Politische Einführung

Dr. Zoe Mayer MdB 
Leiterin der AG Landwirtschaft, Ernährung und Heimat und Tierschutzbeauftragte
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

15:05 Uhr

Panel: Wie überwinden wir die Polarisierung in der Ernährungsdebatte und schaffen es, wirksame Maßnahmen umzusetzen?

Prof. Dr. Britta Renner
Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) 

Stephanie Wunder
Teamleiterin Nachhaltige Ernährung - Agora Agrar

Prof. Dr. Hans Hauner
Ernährungsmediziner und ehemaliger Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin/Else Kröner-Fresenius-Zentrum an der Technischen Universität München

Dr. Philipp Stierand
Geschäftsführer Speiseräume / Projektleiter Kantine Zukunft

Moderation: Dr. Zoe Mayer MdB

15:15 Uhr

Zusammenfassung und Verabschiedung

Dr. Zoe Mayer MdB

16:15 Uhr

Ausklang & Get-Together

16:30 Uhr

Ende der Veranstaltung

19:00 Uhr

Mit dabei aus der Fraktion

Britta Haßelmann
 

Fraktionsvorsitzende

Dr. Zoe Mayer
 

Sprecherin für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat und Tierschutzbeauftragte

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