Gemeinsame Agrarpolitik nach 2027: zukunftsgerecht aufgestellt?
Veranstaltungsdetails
Über die Veranstaltung
Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) heißt aktuell, dass wir gemeinsam dafür kämpfen müssen.
Mit dem Kommissionsvorschlag vom 16. Juli 2025 steht viel auf dem Spiel – Planungssicherheit, Umwelt-, Biodiversitäts-, Klima- und Tierschutz, der Erhalt unserer Betriebe und lebendigen ländlichen Räume sowie die Grundidee der Europäischen Union, gemeinsame und nicht national verschiedene Standards aufzustellen und einzuhalten.
Daher haben Dr. Ophelia Nick MdB und Martin Häusling MdEP am 4. Dezember zu einer GAP-Veranstaltung in den Bundestag eingeladen. Über 300 Personen aus der gesamten Branche hatten sich dafür angemeldet. Das zeigt uns, wie wichtig dieses Thema und wie groß der Diskussionsbedarf bei der Struktur der neuen GAP-Förderperiode ist! Die vielseitigen Beiträge der Expertinnen und Experten hatten eines gemein: der Kommissionsvorschlag, der aktuell auf dem Tisch liegt, ist völlig unzureichend.
Prof. Dr. Sebastian Lakner von der Universität Rostock machte in seinem Eingangs-Impuls deutlich, dass der Vorschlag den geeinten Zielen breiter gesellschaftlicher Bündnisse unter Einbeziehung der gesamten Branche wie der Zukunftskommission Landwirtschaft oder dem EU-Strategiedialog widerspreche. Die Sicherung der Direktzahlungen als einzigem mit einem Mindestbudget ausgestatteten Element der nächsten GAP widerspreche dem Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“. Lakner machte klar, dass Abbau von Anforderungen nicht per se Vereinfachung bedeute. Vielmehr würde der Vorschlag die grüne Architektur massiv schwächen, da Schutzpraktiken deutlich ambitionsloser seien, ein Mindestbudget für Umweltmaßnahmen fehle und erhöhte Ko-Finanzierungssätze die Anreize für Umweltprogramme empfindlich schwäche. Dies unterlaufe die gesellschaftliche Akzeptanz der GAP-Zahlungen aus Steuergeldern.
Jana Gäbert, Leiterin der Agrargenossenschaft Trebbin in Brandenburg, stellte die Bedeutung der aktuellen GAP für ihren Betrieb dar und erklärte, warum sie für eine Stärkung der grünen Architektur plädiert. Nun, da Ökoregelungen griffen, Kooperationen etabliert seien, Landwirte in Vielfalt von Fruchtfolgen und bodenschonende Maßnahmen investiert hätten, würden Leistungen für Umwelt und Klima sichtbar. Aus Praxissicht bemängelte sie deswegen das fehlende Mindestbudget für Umweltmaßnahmen. Die Konkurrenz um Landwirtschafts-Mittel, weil es keinen eigenen Topf mehr für die GAP geben soll, schwäche den Umbau des Sektors hin zu nachhaltigen Wirtschaftsweisen. Eine deutlich höhere Kofinanzierungsanforderung für Umweltprogramme an die Länder würde für Brandenburg bedeuten, dass die Fortführung von Umweltmaßnahmen und -Kooperationen auf dem Spiel stehen. Statt eines neuen Gerüsts brauche es nun Stabilität – das sei die beste Ökoregelung. Zahlungen für Umweltleistungen können auf den Betrieben ein stabiles Einkommen generieren, während Preise starken Schwankungen unterliegen, wie aktuell die im freien Fall befindlichen Milchpreise. Durch den Vorschlag würden hingegen Planungssicherheit sowie Klima- und Umweltleistungen gefährdet. Die Renationalisierung führe außerdem zu verzerrten Wettbewerbsbedingungen.
Ophelia Nick, Guy Pe’er (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, UFZ) und Tina Andres (Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, BÖLW) diskutierten daraufhin die grundsätzlichen Anforderungen an die GAP. Nick stellte klar, dass Landwirtinnen und Landwirte Planungssicherheit brauchen, dass es Mindeststandards für Umwelt-, Klima und Tierschutz geben müsse und für diese Leistungen möglichst geringe Ko-Finanzierungssätze gelten sollten, um die Anreize hierfür zu erhöhen. Sie ist sich sicher, dass es mit dem aktuellen Vorschlag zu einer Renationalisierung und verzerrten Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt kommen werde. Das verstärke den Strukturwandel, wo wir doch gerade die Vielfalt an Betrieben erhalten wollen. Obwohl der Strategiedialog viel Potential habe, finde sich davon nichts im Kommissionsvorschlag wieder. Tina Andres sprach sich für messbare, ambitionierte Klima-, Umwelt- und Tierschutzziele aus. Sie plädierte für die Honorierung des Systems Ökolandbau, um die Bio-Ausbauziele zu erreichen – hier bliebe der Vorschlag mangelhaft. Guy Pe’er betonte, dass der aktuelle Vorschlag den Landwirtinnen und Landwirten nicht das Leben erleichtere, die mehr Gemeinwohlleistungen erbringen, sondern ihnen sogar neue Hindernisse in den Weg stelle. Eine Abschaffung der Direktzahlungen zugunsten einkommenswirksamer Umweltzahlungen müsse in Zeiten des Artenverlusts Priorität haben. Denn Ernährungssicherheit ließe sich nicht auf erodierten Böden und ohne Bestäuber erreichen.
Anschließend diskutierten Martin Häusling, Martina Englhardt-Kopf (Parl. Staatssekretärin, Bundesministerium Landwirtschaft, Ernährung und Heimat) und Phillip Brändle (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, AbL) die Details des aktuellen Kommissionsvorschlags. Phillip Brändle erklärte, dass Betriebe die Möglichkeit bekommen müssen, gekürzte Fördermittel über eine gestärkte Position auf dem Markt, durch die Gemeinsame Marktordnung (GMO), kompensieren zu können. Die reine Ausrichtung auf Produktionsmaximierung führe zu sinkenden Preisen für landwirtschaftliche Erzeugnisse und übererfüllten Selbstversorgungsgraden außer bei Obst und Gemüse, während die hohen Folgekosten die Allgemeinheit trage. Von der Parlamentarischen Staatssekretärin forderte er, dass sich die Regierung für ein europaweites Mindestbudget für Umwelt- und Klimamaßnahmen einsetzen sollte. Dies müsste zudem stetig wachsen, schließlich stehe im Koalitionsvertrag, dass Anreize für Klima-, Umwelt- und Tierwohlleistungen gesteigert werden sollen. Die Staatssekretärin fragte er, welche Argumente das Ministerium habe, freie Mittel zu bekommen. Mit Blick auf die hohen Selbstversorgungsgrade würde das Argument der Ernährungssicherung seit Jahren nicht mehr ziehen. Die Welt habe sich verändert, die Argumente müssen sich auch verändern.
Martina Englhardt-Kopf betonte, sie werde sich für die Eigenständigkeit der GAP und das Zwei-Säulen-Modell einsetzen. Für das Ministerium sei die Stärkung der ländlichen Räume wichtig, sowie die Sicherstellung der Ernährungssicherheit. Dafür setze sich das Ministerium auf EU-Ebene ein. Aktuell würde der Kommissionsvorschlag mit allen relevanten Beteiligten diskutiert. Eine eigene Position zum aktuellen Zeitpunkt festzulegen, sei aus strategischen Gründen nicht zielführend.
Martin Häusling wies hingegen daraufhin, dass es erstaunlich sei, dass Deutschland nach einem halben Jahr immer noch keine Position zur GAP entwickelt habe und entschlossen nach außen vertrete. Er warnte, dass es bei reduzierten Mitteln nun umso mehr darum gehe, EU-Gelder für die Landwirtschaft effizient an Zukunftsfähigkeit auszurichten. Die Stärkung der ländlichen Räume und der Gemeinsamen Marktordnung seien unerlässlich. Stattdessen falle der aktuelle Vorschlag hinter jegliche Ambition für Klima, Umwelt und Tierschutz zurück. Darüber hinaus sei sie ein demokratischer Rückschritt und ein Transparenzverlust, wenn das EU-Parlament bei der GAP weitgehend außen vor bliebe.
Martin Häusling und Ophelia Nick machten in ihrem Fazit deutlich: „Der Vorschlag der EU-Kommission gefährdet die Zukunftsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft – die Bundesregierung unter Führung von CDU/CSU muss endlich klar Position dagegen beziehen.
Die Bundesregierung muss sich geschlossen gegen diesen Rückschritt für unsere Umwelt, die Planungssicherheit auf unseren Betrieben und einer zukunftsfesten Landwirtschaft stellen. Wir fordern von der Bundesregierung und besonders von Landwirtschaftsminister Rainer, dass er sich für eine starke GAP einsetzt, die an EU-weit geltende Mindeststandards im Umwelt-, Klima- und Tierschutz geknüpft sind. Er muss dafür sorgen, dass lebendige ländliche Räume ausreichend gefördert und Junglandwirtinnen und -landwirte gestärkt werden. Deutschland muss sich für eine starke, gemeinsame, nachhaltige GAP einsetzen. Eine Bundesregierung ohne Position können sich die Betriebe und unsere Umwelt nicht mehr länger leisten!“
Programm
Begrüßung
Dr. Ophelia Nick MdB
Sprecherin für Landwirtschaftspolitik
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion
Impulsvorträge
Einordnung des aktuellen Kommissions-Vorschlags
Prof. Dr. Sebastian Lakner
Universität Rostock
Blick aus der Praxis auf die Praxis
Jana Gäbert
Agrargenossenschaft Trebbin eG
Panel I: Was sind die Anforderungen an eine GAP nach 2027?
Dr. Ophelia Nick MdB
Sprecherin für Landwirtschaftspolitik
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion
Tina Andres
Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW)
Dr. Guy Pe‘er
Helmholtz Zentrum für Umweltforschung und CAP4GI
Moderation: Matthias Schulze Steinmann
Chefredakteur Topagrar
Panel II: Was bietet der Kommissions-Vorschlag und was nicht?
Martin Häusling MdEP
Greens/EFA
Martina Englhardt-Kopf
Staatssekretärin
Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH)
Phillip Brändle
Referent für Agrarpolitik und Pressesprecher
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)
Moderation: Matthias Schulze Steinmann
Diskussion mit dem Publikum
Zusammenfassung & Abschluss
Dr. Ophelia Nick MdB und Martin Häusling MdEP
Get together