Foto von Luise Amtsberg MdB
27.04.2023

Luise Amtsberg, Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe:

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich vor zwei Wochen in Äthiopien war, habe ich von vielen Menschen vor Ort den Satz gehört: „We cannot eat democracy, we need to put food on the table“,

(Jürgen Coße [SPD]: So ist es!)

ein Satz, der sitzt und der angesichts des schieren Überlebenskampfes, mit dem ein großer Teil der Äthiopierinnen und Äthiopier konfrontiert ist, verständlich ist. Aber – auch das wurde in unseren Gesprächen mehr als deutlich – dies schmälert nicht die Relevanz einer politischen Ordnung und die Notwendigkeit einer nationalen Aussöhnung. Im Gegenteil: Der Einsatz für einen nachhaltigen, besonders für Frauen und marginalisierte Gruppen inklusiven Friedensprozess bleibt, wie im vorliegenden Antrag beschrieben, die zentrale Aufgabe. Dafür setzt sich unsere Bundesregierung ein.

Die Kollegin Leikert von der Union hat nach einer Gesamtstrategie gefragt und das Fehlen einer solchen bemängelt. Sehen Sie, der Fokus auf genau diese Gruppen im Sinne einer feministischen Außenpolitik ist Teil einer Gesamtstrategie. Ich werde noch weitere Punkte nennen, die Ihnen das vielleicht noch sichtbarer machen.

Aber vielleicht auch an diesem Punkt noch einmal: Ja, den Fokus in diesem Friedensprozess auf Frauen, auf Kinder, auf marginalisierte Gruppen zu legen, das ist, an die Kollegen der AfD gerichtet, keine Einmischung – wie sollte es auch so sein? –, sondern der legitime Anspruch von Frauen und Kindern, die in diesem Konflikt wahnsinnig viel Gewalt erlebt haben und deren Stimmen gehört werden müssen. Diese Stimmen sichtbar zu machen, ist Teil der Aufgabe dieser Bundesregierung. Es ist nicht nur ignorant, es ist vergessen, aber auch gewollt, wenn hier der Eindruck erweckt wird, dass das irgendwie eine feministische Ideologie sei. Es geht um die Gruppe, die am meisten unter diesem Konflikt gelitten hat. Dass Sie das vergessen, ist bezeichnend, aber – das sage ich auch deutlich – überhaupt nicht überraschend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Deutschland hat seine humanitäre Unterstützung fast verdoppelt. Frau Leikert, auch das ist Teil einer Gesamtstrategie. Trotzdem sind die humanitären Herausforderungen enorm und mit den derzeitigen Mitteln absolut nicht gedeckt. Wir müssen daher auch darum werben, dass sich unsere Partnerinnen und Partner nicht aus der Region zurückziehen; denn es braucht den Einsatz der gesamten internationalen Gemeinschaft mehr denn je, um gezielt helfen zu können. Auch dafür, Frau Leikert, setzt sich diese Bundesregierung ein.

Und – das ist mein zweiter Punkt – es herrscht die schlimmste Dürre der letzten 40 Jahre. In den Regionen Afar, Somali und Oromia im Osten und Süden des Landes leiden etwa 24 Millionen Menschen unter Lebensmittelknappheit, schlechter Wasserversorgung, fehlenden Hygienemöglichkeiten. 2,2 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind von akuter Mangelernährung betroffen. In allen meinen Gesprächen wurde deutlich, dass die humanitäre Hilfe allein nicht ausreichen wird, sondern dass es langfristige und vorausschauende Lösungen braucht. Die Bundesregierung erhöht den Anteil der vorausschauenden humanitären Hilfe, bringt sich ein in der Nexus-Debatte. Auch das, Frau Leikert, ist Teil einer Strategie.

Drittens: Blind Spots. Zwar schweigen im Norden derzeit die Waffen. Doch viele bewaffnete Konflikte in anderen Landesteilen gehen abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit weiter vonstatten. Das ist ein Punkt, den die internationale Gemeinschaft nicht aus dem Blick verlieren darf. Äthiopien rangiert, wie wir erfahren haben, unter den gefährlichsten Ländern für humanitäre Helfer/-innen. Zwei humanitär Helfende wurden kurz vor Antritt meiner Reise ermordet. Auch hier – und das haben wir getan – müssen wir uns dafür einsetzen, dass die äthiopische Regierung den Einsatz und die Arbeit der humanitär Helfenden im nationalen Dialog, im Aussöhnungsprozess positiv erwähnt und positiv begleitet und diese Arbeit auch positiv in die Gesellschaft hineinträgt, damit diese Menschen sicher sind und ihre Arbeit machen können.

Der letzte Punkt. Ich begrüße, dass die Bundesregierung den Fokus auf Ostafrika setzt und behält. Ich denke, dass dies nichts deutlicher machen konnte als ein Besuch der Außenministerin im Januar und ein Besuch des Bundeskanzlers im April. Damit ist doch völlig klar, wo wir unseren Fokus haben, und das ist auch richtig so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Markus Koob das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)