Rede von Stefan Schmidt Barrierefreiheit im Tourismus

Foto von Stefan Schmidt MdB
28.09.2023

Stefan Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie kennen bestimmt, was ich im Sommer mit der Familie erlebt habe: Wir waren mit Fahrrädern im Zug. Und was passiert? Man kommt an auf Gleis 2

(Mike Moncsek [AfD]: … und dann war es vorbei!)

und da ist kein Aufzug. Dann heißt es, die Fahrräder runtertragen und zum anderen Bahnsteig die Treppe wieder hoch, die Rucksäcke genauso. Das ist mühsam, aber machbar. Für Menschen mit Kinderwagen wäre dieser Ausflug deutlich schwieriger, für Menschen im Rollstuhl unmöglich.

Das ist schon echt bitter, in erster Linie für die Menschen, die sich wegen fehlender Aufzüge, Rampen oder behindertengerechter Toiletten erst gar nicht auf die Reise machen. Bitter ist das aber auch für die Tourismusregionen, denen dadurch viele Gäste verloren gehen.

Barrierefreier Tourismus ist kein Nischenthema. Ganz im Gegenteil: Allein in Deutschland leben 13 Millionen Menschen mit Beeinträchtigungen. Dazu kommen Hunderttausende Familien mit kleinen Kindern, Menschen mit schwerem Gepäck, Menschen mit Fahrrädern. Die Zielgruppe für barrierefreien Tourismus ist also schon heute riesig und wird in Zukunft auch noch stark wachsen,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Stichwort „alternde Gesellschaft, demografischer Wandel“.

Von barrierefreien Tourismusangeboten profitieren aber nicht nur Reisende. Auch für Unternehmen und Destinationen können sich die Investitionen in Barrierefreiheit schnell auszahlen – im wahrsten Sinne des Wortes.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Alle Menschen sollen verreisen können. Dafür muss die ganze touristische Leistungskette barrierefrei werden – vom Buchungsprozess über die Anfahrt bis hin zur Unterkunft und Verpflegung. Das ist das Ideal, das wir in der Koalition verfolgen. Einfach ist das nicht, so viel ist klar. Ich denke dabei an meinen Wahlkreis, an eine mittelalterliche Stadt wie Regensburg.

Trotzdem freut es mich, dass auch CDU/CSU und Die Linke in ihren Anträgen ähnliche Ziele verfolgen. Ich hoffe also auf Ihre Unterstützung bei unseren vielen, nicht einfachen Vorhaben für einen barrierefreien Tourismus und ein barrierefreies Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Nico Tippelt [FDP])

Die Vorhaben der Koalition gehen teilweise weiter als die Forderungen in Ihren Anträgen. Wir arbeiten darauf hin, dass Deutschland in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens barrierefrei wird.

Auch das Informations- und Kennzeichnungssystem „Reisen für Alle“ spielt im Deutschlandtourismus eine wichtige Rolle. Ja, auch wir in der Koalition sind unzufrieden mit den bisherigen Ergebnissen: Nicht mal ein halbes Prozent von den möglichen 650 000 Unternehmen ist bisher zertifiziert. Warum? Das System ist zu kompliziert, die Hürden für die Zertifizierung sind zu hoch. Deshalb finden wir es gut, dass das Wirtschaftsministerium „Reisen für Alle“ neu aufstellt. Bund und Länder haben sich über die gemeinsame Fortführung und Finanzierung verständigt. Die Akteure ziehen an einem Strang. Das ist ein wichtiges Signal für den barrierefreien Tourismus in Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

„Reisen für Alle“ soll in zwei Stufen neu aufgestellt werden, erst organisatorisch, dann inhaltlich. Zum 1. Januar nächsten Jahres soll dann auch der Träger wechseln. Das alles haben wir ja gestern im Tourismusausschuss ausführlich diskutiert.

Das Ziel lautet ganz klar: Barrierefreie Angebote müssen flächendeckend verfügbar sein. Und darauf arbeiten wir hin. Ich bin zuversichtlich, dass uns das als Koalition gelingt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Nico Tippelt [FDP])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Schmidt. – Nächster Redner ist der Kollege Sören Pellmann, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)