Rede von Andreas Audretsch Datenübermittlung und Bezahlkarte für Geflüchtete

Andreas Audretsch MdB
12.04.2024

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir verabschieden heute den Entwurf eines Gesetzes zu einer Regelung zur Bezahlkarte für geflüchtete Menschen. Ich teile, was die Bundesinnenministerin gerade gesagt hat: Diese Regelung wäre überhaupt nicht nötig gewesen, weil Bezahlkarten auch ohne eine solche Regelung eingeführt werden können.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Das ist eine Sache, die sich an die Ministerpräsidenten richtet. Viele Landkreise, viele Städte haben das getan. Ein Blick in die Wirklichkeit zeigt: Genau das findet in ganz Deutschland statt. Ganz offensichtlich ist das auch ohne diese Regelung, die wir heute beschließen, möglich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dennoch: Warum ist es wichtig? Was regeln wir heute mit diesem Gesetz? Da muss ich mit einer Sache, mit einem Vorurteil aufräumen, mit etwas, was in der ganzen Republik immer wieder falsch verstanden wird.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ach so! Außer Ihnen versteht es niemand!)

Es geht heute nicht darum, dass wir eine einheitliche Bezahlkarte für ganz Deutschland einführen; das ist nicht der Fall. Vielmehr schaffen wir eine Regelung, die vor Ort Möglichkeiten gibt, und das, was vor Ort entschieden wird, ist am Ende relevant.

Wir haben überhaupt kein Problem, wenn vor Ort vernünftige Menschen, vernünftige Politikerinnen und Politiker Politik machen. Dann haben wir kein Problem. Ein Beispiel ist Hannover; exakt das, was Sie genannt haben, Herr Stracke. In Hannover regiert ein grüner Oberbürgermeister, Belit Onay, der sehr verantwortungsvoll mit dieser Situation umgeht und schneller als alle anderen schon im letzten Jahr eine Bezahlkarte eingeführt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Er hat digitalisiert an der Stelle. Er hat sechs Verwaltungsmitarbeiter eingespart, die jetzt anderes tun, die sich jetzt um Menschen kümmern, die Integration befördern können, die auf dem Bürgeramt aushelfen können, all diese Dinge. Er ist dort vorangegangen, während Sie noch nicht einen halben Gedanken daran hatten, wie man es machen kann.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)

Grüne pragmatische Politik heißt, Dinge zu tun, weil sie sinnvoll sind. Das, was Sie hier immer wieder machen, Herr Stracke, ist Sprüche klopfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Grüne Politik vor Ort heißt, es zu machen wie Belit Onay in Hannover: einfach umsetzen. Genau das tut er dort.

Die andere Seite der Debatte – und es ist bezeichnend, dass Sie diese andere Seite komplett ignorieren – sind Gefahren, die mit einer solchen Bezahlkarte einhergehen können. Wie diese Gefahren aussehen können, hat hier im Deutschen Bundestag in der letzten Debatte ein Abgeordneter der AfD sehr deutlich gemacht. Er hat formuliert, sein Ziel sei „Brot, Bett und Seife für Asylbewerber.“ Hier am Pult ist das formuliert worden. Es ist völlig klar, dass wir das nicht zulassen werden. In keiner Weise wird es eine Möglichkeit geben, das vor Ort umzusetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt Menschen hier im Parlament, es gibt Menschen in den Parlamenten in den Landtagen, es gibt Menschen in Rathäusern, die nur darauf warten, anderen Menschen jedes Recht, was sie ihnen nehmen können, zu nehmen, die nur darauf warten, Menschen die Möglichkeit, sich zu integrieren, zu nehmen, den Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, nur weil sie hier nicht geboren sind, Teilhabe zu nehmen. Das haben wir hier erlebt, und das sehen wir in ganz Deutschland.

Und das, was wir jetzt mit der Regelung hier machen, ist, einen Rahmen zu schaffen

(Marc Biadacz [CDU/CSU]: Sie winden sich! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wir haben wirklich völlig unterschiedliche Vorstellungen!)

und gleichzeitig sehr, sehr klar festzuhalten und sehr klar deutlich zu machen: Das wird es mit uns Grünen nicht geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, dann sollten die Grünen weg! Am besten raus aus der Regierung!)

Deswegen haben wir nachgeschärft und die gesetzliche Veränderung entsprechend vorgenommen.

Es ist mit der Regelung, die wir jetzt machen, ausgeschlossen, dass Menschen vor Ort aus der Gesellschaft herausgedrängt werden, weil wir nicht nur eingefügt haben, dass das Existenzminimum zu jeder Zeit gewährleistet sein muss, sondern auch, dass die Teilhabe von Menschen und vor allem von Kindern zu jeder Zeit zu garantieren ist.

Ich sage Ihnen, was das konkret heißt: Geflüchtete, die in einer Wohnung wohnen, müssen einen Stromvertrag abschließen können, sonst haben sie nämlich keinen Strom. Das war in der Regelung bislang nicht klar. Jetzt haben wir das völlig eindeutig geregelt. Das haben Kommunen zu garantieren. Wenn sie das nicht tun, dann ist die Regelung vor Ort rechtswidrig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bislang hatten wir keine klare Regelung dazu, was passiert, wenn Jugendliche in einen Sportverein wollen. Das geht im Zweifel nicht mit einer Bezahlkarte, sondern wenn sie sich integrieren wollen, wenn sie beim Fußballspielen mit dabei sein wollen und einen Vereinsbeitrag zahlen müssen, dann brauchen sie dafür ein Konto oder dann brauchen sie Bargeld. Und das wollen wir: Wir wollen, dass Kinder im Sportverein dabei sind. Wir wollen, dass Kinder Fußball spielen. Wir wollen, dass die Möglichkeit besteht, in diese Gesellschaft hineinzuwachsen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie sprechen über Probleme, die es gar nicht gab und gibt!)

Deswegen ist völlig klar: Wenn das mit einer Regelung vor Ort nicht möglich ist, dann ist diese Regelung rechtswidrig. Genau das haben wir hier einmal ganz klar verankert.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie sprechen über das Asylbewerberleistungsgesetz! Unsinn! Schauen Sie sich als Beispiel Bayern an!)

Ich kann das ganz lange fortsetzen. Stichwort „Busticket“: Es muss möglich sein, dass Menschen mit dem Bus in den Nachbarort fahren, weil es nur dort einen Ausbildungsplatz gibt, auch wenn es im Bus kein Kartenlesegerät gibt. Es muss möglich sein, dass Menschen im Nachbarort eine Ausbildung machen können.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie reden über Probleme, die es gar nicht gibt! Das passiert doch gar nicht! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Es darf nicht passieren, dass ein Kind in der Schulmensa essen will, weil es nur dort Essen bekommt, das aber nicht geht, weil es kein Kartenlesegerät gibt. Die schulische Teilhabe muss garantiert werden, und das steht jetzt ganz eindeutig in diesem Gesetz drin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Meine Güte! Er verbiegt sich die Wahrheit, wie es gerade passt!)

Der Kern davon ist, dass wir Grünen Menschen als einzelne Menschen sehen. Wir haben den Menschen vor Augen. Und wir werden immer da sein, wir werden uns immer querstellen, wir werden immer dafür kämpfen, wenn das nicht garantiert ist, und wir stimmen nur dann zu, wenn das klar ist. Jetzt ist es klar. Wir garantieren: Jeder einzelne Mensch vor Ort hat ein Anrecht auf das Existenzminimum,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das Existenzminimum stellt doch überhaupt niemand infrage!)

hat ein Anrecht auf Teilhabe und hat ein Anrecht, sich zu integrieren und in diese Gesellschaft hineinzuwachsen. Darum geht es, und das schaffen wir heute mit dieser Regelung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Herr Audretsch, Note Fünf!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Steffen Janich.

(Beifall bei der AfD)