Rede von Dr. Julia Verlinden Landwirtschaft

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18.01.2024

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herzlichen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörer/-innen!

(Stephan Brandner [AfD]: Draußen hören auch viele zu!)

Wir wollen eine Landwirtschaft, in der Beschäftigte von ihrer Arbeit leben können und gesellschaftliche Anerkennung erfahren. Ich glaube, das eint uns alle. Und wir wollen eine Landwirtschaft ermöglichen und unterstützen, die für die Bedürfnisse der Verbraucher/-innen produziert und Klima-, Natur- und Tierschutz achtet.

Dürren, Hochwasser und weitere Wetterextreme werden künftig zunehmen, und sie können für Landwirtinnen und Landwirte existenzbedrohend werden. Auch das Artensterben ist ein Risiko – nicht nur für stabile Ökosysteme, sondern natürlich auch für die Lebensmittelversorgung. Denken Sie an den Rückgang von Bestäuberinsekten oder Bodenorganismen! In einer sich so dramatisch verändernden Welt ist ein Weiter-so-wie-bisher doch keine Option.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen hat die Landwirtschaft jede Unterstützung dabei verdient, sich diesen wandelnden Anforderungen zu stellen. Wir müssen solidarisch als Gesellschaft und gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern sichere Zukunftsaussichten für eine soziale und nachhaltige Landwirtschaft schaffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die letzten Wochen haben gezeigt: Es haben in unserer Gesellschaft mehr Menschen darüber miteinander diskutiert und sich informiert.

Die deutsche Landwirtschaft steht unter großem Druck, einem Druck, der sich jahrzehntelang aufgebaut hat. Es ist keine wirklich neue Erkenntnis, dass wichtige Veränderungen in der Landwirtschaftspolitik anstehen, dass die Politik Rahmenbedingungen schaffen muss und dass diese klug vorbereitet werden müssen. Aber – das dürfen wir angesichts der multiplen Krisen, die wir gerade bewältigen, auch selbstreflektiert zugeben – die Dringlichkeit ist uns allen noch einmal vor Augen geführt worden. Wir als Parlament werden diese Rahmenbedingungen nun gerechter und zukunftsfähiger gestalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen haben wir als Koalitionsfraktionen gesagt: Wir gehen nun in einen strukturierten Dialog. Wir besprechen gemeinsam Lösungen mit den Bäuerinnen und Bauern, mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern, mit der Wissenschaft und der gesamten Branche. Wir haben Vorschläge gemacht und uns im Koalitionsvertrag einiges gemeinsam vorgenommen; einiges davon ist noch zu erledigen. Aber wir brauchen auch den Sachverstand und die Erfahrung aus der Praxis, um gemeinsam eine gute Gegenwart und Zukunft für die Landwirtschaft zu erarbeiten. Dabei bauen wir auch auf Wunsch unserer Gesprächspartner/-innen auf den Ergebnissen der Zukunftskommission Landwirtschaft, der Borchert-Kommission und des Bürgerrats für Ernährung auf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Basis für eine zukunftssichere Lebensmittelversorgung sind natürlich die landwirtschaftlichen Betriebe. Die Bäuerinnen und Bauern tragen eine hohe Verantwortung für unsere Ernährung, für sichere und gesunde Lebensmittel, für Klimaschutz, Artenvielfalt, sauberes Wasser, produktive Böden. Und sie haben es verdient, dass diese Verantwortung auch honoriert wird; das ist klar. Sie müssen von ihren Produkten leben können, durch faire Preise, faire Rahmenbedingungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es darf nicht sein, dass unsere Landwirte teilweise weniger Geld für ihre Produkte bekommen, als sie reingesteckt haben, während zugleich der Eigentümer von Lidl und Kaufland, Dieter Schwarz, und die Aldi-Erben zu Deutschlands Superreichen gehören. Wenn die Vermögen dieser Discountermilliardäre weiterwachsen, während viele Landwirte mit dem Rücken zur Wand stehen, dann wissen wir: Das ist ungerecht, und diese Ungerechtigkeit müssen wir angehen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Ingo Bodtke [FDP])

Deswegen werden wir die Erzeuger/-innen in der Lieferkette stärken, unfaire Handelspraktiken im Wettbewerbsrecht weiter abbauen und die Marktbeobachtung verstärken. Wir wollen dafür sorgen, dass mehr vom Ladenpreis – sei es für Getreide, Obst, Gemüse, Eier oder Milch – tatsächlich bei den Höfen, bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Landwirtschaft ankommt.

Wir werden die Betriebe entlasten. Damit meine ich jetzt nicht neue Subventionen oder Steuererleichterungen. Denn die Gespräche der letzten Wochen haben gezeigt: Alle wünschen sich Entlastung durch den Abbau von Bürokratie. Das schauen wir uns nun genauer an. Dafür wollen wir Praxischecks durchführen, ein Instrument, das schon in anderen Branchen gute Ergebnisse geliefert hat, damit die Landwirte mehr Zeit für ihre Produktion haben und weniger am Schreibtisch sitzen müssen.

Gleichzeitig nehmen wir Geld für die Klimaanpassung in die Hand; denn die Grundlage der Landwirtschaft – Boden, Wasser – ist von der Klimakrise akut bedroht. Auch klimaangepasstes Waldmanagement fördern wir. Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz investieren wir in Boden- und Gewässerschutz und schützen damit die Landwirtschaft vor kommenden Dürren und Hochwassern. Beispielsweise fördern wir die nasse Landwirtschaft auf Moorböden. Damit leisten wir einen Beitrag sowohl für den Klimaschutz als auch für eine nachhaltige Landwirtschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir wissen: Die tierhaltenden Betriebe stehen vor besonderen Herausforderungen. Viele möchten in Ställe mit mehr Platz und Auslauf oder Biostandard investieren. Dabei brauchen sie aber Unterstützung. Als Koalition haben wir Transparenz für die Verbraucher/-innen durch die Tierhaltungskennzeichnung und durch die Ausweitung der Herkunftskennzeichnung geschaffen. Das waren jahrelange Forderungen der Berufsverbände. Den Umbau der Tierhaltung wollen wir nun verlässlich und langfristig über einen Tierschutzcent finanzieren. Das hat uns bereits die Borchert-Kommission empfohlen, und dem wollen wir folgen. Das nämlich schafft Verlässlichkeit und Planungssicherheit für die Tierhalter/-innen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])

Dass Sie von der Union nun einen Antrag vorlegen mit dem Titel „Landwirtschaft unterstützen statt ruinieren“ ist echt der blanke Hohn. Hier stellt sich Herr Dobrindt hin und behauptet, eine andere Regierung sei besser für die Landwirtschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU -[Zurufe von der CDU/CSU: Ja! – Stephan Brandner [AfD]: Da hat er recht! Der meinte nicht sich, er meinte die AfD!)

Ich muss Sie echt bitten!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Das Gegenteil ist der Fall. Die Geschichte und die Statistiken zeigen doch das Gegenteil; das können wir uns angucken. Als Sie regiert haben, haben Sie das Höfesterben beschleunigt.

(Sylvia Lehmann [SPD]: Genau!)

Sie haben dringende Herausforderungen ausgesessen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wie viele Landwirtschaftsminister stellen die Grünen in den Ländern?)

Deswegen müssen wir leider konstatieren – wir können uns die Zahlen anschauen –: Unter 16 Jahren CDU-geführter Regierung haben 140 000 Betriebe der Landwirtschaft aufgegeben. Dahinter standen Existenzen. Ihre Agrarpolitik hat versagt, werte Union. Wir machen klar: Jeder Hof zählt!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir machen mit unserem Antrag deutlich: Es braucht ein Gesetzespaket, das der Zukunft gerecht wird, faire Rahmenbedingungen in der Lieferkette schafft, Betriebe bei der Bürokratie entlastet, die Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung langfristig sichert. Ein Gesetzespaket für gerechte Agrarpolitik – gerechter für unsere Bäuerinnen und Bauern, gerechter für die Verbraucher/-innen und gerechter für kommende Generationen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Steffen Bilger.

(Beifall bei der CDU/CSU)