Rede von Dr. Anja Reinalter Startchancenprogramm

Prof. Dr. Anja Reinalter
11.04.2024

Dr. Anja Reinalter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt machen wir mal weiter ohne Diskreditierungen, ohne Hass, ohne Hetze und ohne Empörung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Enrico Komning [AfD]: Was war denn daran Hass und Hetze? – Gegenruf des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er merkt es nicht mal mehr!)

Heute geht es um Gerechtigkeit, um Chancen für Kinder; und das ist gut so. Wenn ich an Startchancen denke, dann fällt mir immer das Bild von Hans Traxler ein, wo einige Tiere – ein Affe, ein Goldfisch, ein Igel, ein Pferd, eine Eule – vor einem Baum stehen. Eine Person mit einer Sprechblase sagt dann: Damit die Prüfung gerecht ist, ist die Aufgabe für alle gleich: Klettert schnellstmöglich auf diesen Baum! – Ihr kennt das Bild, oder? So. Da wird schnell klar: Es ist offensichtlich, dass jedes Tier zwar ideal für die Anforderungen in seinem Umfeld ausgestattet ist, aber nicht, um schnellstmöglich auf einen Baum zu klettern. Und es ist sofort klar, dass nicht alle dieselben Startchancen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Karikatur erschien 1975 das erste Mal. Überlegt mal: Seit fast 50 Jahren sprechen wir davon, dass wir mehr Chancengleichheit in der Bildung brauchen. Und tragischerweise belegt die Bildungsforschung seit vielen Jahren – das zeigt sich auch bei Studien im internationalen Vergleich –, dass in Deutschland die Start- und Bildungschancen ungleich verteilt sind. Dabei gibt es doch nichts Ungerechteres, als Ungleiches gleichzubehandeln. Das ist ein ganz klarer pädagogischer Grundsatz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt nichts Ungerechteres, als Ungleiches gleichzubehandeln. Ungleiches muss vielmehr entsprechend der Unterschiede behandelt werden. Denn so kann Gerechtigkeit sichergestellt werden; denn so können Chancen ermöglicht werden; denn so kann ideal gefördert werden, um den unterschiedlichen Aufgaben bestmöglich gerecht zu werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Darum investieren wir jetzt endlich in die Startchancen von Kindern und Jugendlichen. Wir investieren über zehn Jahre hinweg 20 Milliarden Euro in 4 000 Schulen, gemeinsam mit den Ländern, auch gemeinsam – ja, wir haben es jetzt oft gehört – mit den unionsregierten Ländern. In enger Abstimmung mit den Kommunen und der Wissenschaft bringen wir das größte bildungspolitische Programm im schulischen Bereich auf den Weg.

Das Programm ist klug ausgearbeitet. Es steht auf drei Säulen und wird dadurch den komplexen Herausforderungen gerecht. Vielen Dank an alle, die an diesem Programm mitgearbeitet haben! Da steckt viel Fachkompetenz und viel Herzblut drin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als ehemalige Berufsschullehrerin freue ich mich persönlich darüber, dass auch Berufsschulen ins Programm aufgenommen wurden und dass auch die Berufsorientierung eine wesentliche Rolle spielt. Denn am Ende der Schulzeit stehen doch immer wieder die Fragen im Raum: Was mache ich jetzt? Was kann ich? Was wird aus mir? Habe ich eigentlich gute Startchancen? Bei diesen Fragen müssen wir die Betroffenen viel besser begleiten. Diese Übergänge müssen wir viel aktiver und stabiler gestalten; denn gerade der Übergang zwischen Schule und Beruf ist eine besonders vulnerable Phase für junge Menschen. Wegen dieser verdichteten Entwicklungsanforderungen brauchen sie eine gute Begleitung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Dass diese Lebensphase bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit bekam, belegen doch gerade die 2,9 Millionen jungen Menschen im Alter zwischen 20 und 32 Jahren ohne Abschluss. Wir können uns fragen, ob sie wohl gerechte Startchancen hatten. Vermutlich nicht! Das werden wir jetzt ändern.

Ja, das Startchancen-Programm kann nur ein Anfang sein. Es ist ein erster Schritt. Der Digitalpakt muss der nächste Schritt sein. Denn wir wissen alle ganz genau: Bildung ist der Schlüssel für individuelles Vorankommen und für ein selbstbestimmtes Leben, und Bildung ist und bleibt die beste Investition in die Zukunft.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Oliver Kaczmarek.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)